Eine Première

Dokumentation eines abgebrochenen Gesprächs
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 11. April 2009

Äusserst kurzfristig lud die Zeitschrift «reformiert» – eine Art Zentralorgan der evangelischen Kirchen aller Kantone, finanziert aus Kirchensteuergeldern – zu einem Streitgespräch über die Minarettverbots-Initiative. Teilnehmer: Frau Saïda Keller-Messahli und Ulrich Schlüer. Trotz sehr kurzfristiger Anfrage erklärte ich mich – nach Umdisponierung anderer Termine – zum redaktionellen Streitgespräch bereit.

Die Gesprächs-«Gegnerin» verspätete sich. Ich war anfänglich also alleiniger Befragter.

Integrations-Absage

«reformiert»-Redaktorin Daniela Schwegler (mir zuvor nicht bekannt) konfrontierte mich zu Beginn mit der Aussage des heutigen türkischen Staatspräsidenten Erdogan, der Minarette einst Bajonetten gleichgesetzt hatte. Ich führte in meiner Antwort aus, dass Erdogan mit dieser Aussage einen türkischen Dichter zitiert habe, dass aus Sicht der Initianten besonders alarmierend sei, dass Erdogan anlässlich seines letztjährigen Staatsbesuchs in Deutschland westliche Versuche und Forderungen, von türkischen Einwanderern aktive Integrationsanstrengungen zu verlangen, als menschrechtswidrig verurteilt habe. Wie – so stellte ich eine Gegenfrage – müsse hierzulande auf solch krasse Absage an Integration reagiert werden? Eine Gegenfrage, die der «reformiert»-Redaktorin allerdings nicht ins Konzept passte. Erstens, sagte sie, betreffe diese Angelegenheit Deutschland. Und zweitens stelle sie und nicht ich die Fragen. Die Aussage Erdogans war Frau Schwegler unbekannt, passte nicht in ihr Konzept – also wurde das Thema gewechselt.

Scharia widerspricht Bundesverfassung

In zunehmend gereiztem Ton gings weiter. Vorerst nichts einzuwenden hatte Frau Schwegler gegen meine Aussage, wonach sich der Islam in einem sehr wesentlichen Punkt von allen anderen Weltreligionen unterscheide: Der Islam sei nicht bloss eine Religion, er verordne all seinen Anhängern zusätzlich eine verbindlich einzuhaltende Rechtsordnung – in Form der Scharia – , die zu den in der Schweizer Bundesverfassung allen hier lebenden Menschen garantierten Freiheits- und Grundrechten in diametralem Widerspruch stünde.

Frau Schwegler glaubte diese Feststellung damit vom Tisch wischen zu können, dass das Schweizer Bundesgericht kürzlich ein Urteil gefällt habe, wonach der Integration hierzulande Priorität einzuräumen sei vor der Religionsfreiheit. Wieder erlaubte ich mir eine Gegenfrage: Ob sie denn wisse, welche Beachtung dieses Urteil gefunden habe? Prompt herrschte sie mich an: Sie allein stelle hier die Fragen. Ich hätte mich darauf zu beschränken, präzis zu beantworten, was sie mich frage.

Ich erlaubte mir zu insistieren – weil dieses Bundesgerichtsurteil vom verurteilten türkischen Vater, der seine Kinder nicht am Schwimmunterricht teilnehmen lässt, schlicht und einfach missachtet wird. Frau Schwegler wurde schärfer: Sie allein bestimme hier die Themen. Ich hätte nur zu beantworten, was sie mich frage. Andere Kommentare seien unerwünscht.

Bundesgerichtsurteil missachtet

Weil in diesem Moment als zweite Interviewerin «reformiert»-Redaktorin Rita Jost den Befragungsraum betrat, entspannte sich die Szene kurzzeitig. In einer Zusammenfassung des bisherigen «Dialogs» beschwerte sich Frau Schwegler immerhin darüber, ich möchte lieber irgend einen «Genfer Fall» diskutieren als auf ihre Fragen zu antworten.

Mein Einwand, es handle sich da nicht um «irgend einen Fall». Im Mittelpunkt stünde ein Bundesgerichtsurteil, über das sich ein Verurteilter glatt hinwegsetze. Im weiteren habe der Fall mit Genf nichts zu tun, er halte in Wahrheit die Behörden Schaffhausens mehr als nur in Atem. Frau Rita Jost nahm dies wenigstens zur Kenntnis. Die herrschsüchtige Frau Schwegler demonstrierte vor allem ihren Mangel an Faktenkenntnis.

Eclat

Etwa zu diesem Zeitpunkt traf die verspätete Frau Saïda Keller-Messahli ein. Sie konnte unverzüglich in aller Breite, nicht ein einziges Mal unterbrochen, ihren Standpunkt darlegen. Auch ich war minutenlang bloss Zuhörer. Erlaubte mir dann aber, von Frau Keller Vernommenes zu kommentieren. Doch ich hatte kaum einen halben Satz formuliert, als Frau Schwegler einmal mehr dazwischenfuhr: Ich hätte zu beantworten, was sie und ihre Kollegin mich fragten. Meine Kommentare zu Ausführungen von Frau Keller seien deplaciert…

Da wurde auch ich in der Tonlage energischer: Ich sei zu einem Interview in Form eines Streitgesprächs, nicht zu einem Kreuzverhör eingeladen worden. Werde mir nicht zugebilligt, meine Meinung frei zu äussern, dann könne ich keinen Sinn an der Fortführung des Gesprächs mehr erkennen.

Frau Jost (und auch Frau Keller) versuchten zu vermitteln. Aber bereits die nächste Aussage meinerseits wurde von Frau Schwegler wieder unterbrochen: Wir könnten, herrschte mich Frau Schwegler an, ja nicht beweisen, wieviel Zwangsehen mit der Minarettverbots-Initiative verhindert würden. Sie wolle wissen, warum Frau Keller-Messahli (die sich gegen die Missachtung der Gleichberechtigung durch offizielle Islamvertreter wehre) von uns keine Unterstützung erfahre.

Dass das Nein zu «Parallelrecht» in Form von Scharia-Bestimmungen, für deren Durchsetzung das Minarett als Machtsymbol dient, auch ein Kampf für Freiheit, Menschenrechte und Menschenwürde ist, löste die nächste gehässige, herrschsüchtige, beleidigende Intervention von Frau Schwegler aus.

Was mich veranlasste, die Stätte des Streitgesprächs zu verlassen.

Fazit

In den vergangenen über dreissig Jahren habe ich unzählige Interviews gegeben, an unzähligen Streitgesprächen usw. teilgenommen. Immer – selbst dann, wenn die Organisatoren weit links aussen standen – wurden zuvor festgelegte Spielregeln im wesentlichen eingehalten. So dass eine Auseinandersetzung stattfinden konnte. Nie kam es zu einer vorzeitigen Beendigung.

Der Eclat mit der «reformiert»-Redaktion war also eine Premiere, herbeigeführt durch eine herrschsüchtig in die Rolle einer autoritären Untersuchungsbeamtin verirrte Redaktorin eines von Kirchensteuernzahlern zwangsweise zu finanzierenden kirchlichen Monopol-Organs. Sie führte sich auf als Missionarin, welche ihrer Leserschaft beibringen zu müssen glaubt, die Förderung der Islamisierung der Schweiz sei gleichsam Christenpflicht.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch