Unfreundliches – artig verpackt

Aufschlussreiche Fraktionserklärung
Plant BDP den Abgang von Eveline Widmer-Schlumpf?
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 25. September 2009

Die Bundesratswahl vom 16. September verlief zwar weitgehend nach dem Drehbuch der Abstimmungs-Strategen. Eine vor dem Rat abgegebene Erklärung löste indessen grosses Erstaunen aus. Abgegeben wurde sie von Brigitta Gadient, der Fraktionspräsidentin der BDP, die – obwohl dieser Partei bloss sechs Bundesparlamentarier angehören – mit Eveline Widmer-Schlumpf auch im Bundesrat vertreten ist.

Brigitta Gadient formulierte vor versammelten Räten. In allen Wohnzimmern der Schweiz war ihre Stellungnahme, vom Fernsehen direkt übertragen, zu vernehmen. Ihre Erklärung war ein kompromissloses Bekenntnis zur Konkordanz. Sie hat dieses Bekenntnis mehrfach wiederholt. Wiederholt als BDP-Überzeugung, dass die Zusammensetzung unserer Landesregierung den Wählerwillen möglichst genau abbilden solle. Wie das im Rahmen der Konkordanz vorgesehen ist.

Kein Versprecher

Uneingeschränkte Respektierung der Konkordanz als Bekenntnis der BDP? Ausgerechnet von jener Partei, die ihre Geburt ihrer Steigbügelhalter-Rolle im Komplott zur Abwahl Christoph Blochers verdankt? Die mit Eveline Widmer-Schlumpf die Konkordanz in den letzten zwei Jahren so krass wie irgend denkbar durchkreuzt hat? Welch interessante Botschaft an die Öffentlichkeit, wenn eine Konkordanz-Mitzerstörerin wie die BDP plötzlich der Konkordanz bedingungslos zu huldigen beginnt!

Brigitta Gadient ist eine erfahrene, dossierstarke Nationalrätin. Dass sie sich in ihrer Fraktionserklärung vor der Bundesrats-Ersatzwahl versprochen hätte, kann ausgeschlossen werden. Ihr Bekenntnis zu vollumfänglicher Respektierung der Konkordanz, mehrfach wiederholt, kann also nur als programmatische Ankündigung verstanden werden. Als Ankündigung, dass die BDP ihrer Fremdkörperrolle in der Landesregierung offenkundig überdrüssig geworden ist. Wurde da der absehbare Abgang von Eveline Widmer-Schlumpf angekündigt?

Was heisst denn Konkordanz?

Konkordanz heisst, dass die grossen Parteien der Schweiz auf der Grundlage ihres in den eidgenössischen Wahlen erreichten Wähleranteils gemeinsam die Landesregierung bilden. Spätestens seit den Oktoberwahlen 2007, als die SVP mit bedeutendem Abstand grösste Partei der Schweiz wurde, hat diese SVP Anspruch auf sicher zwei Sitze in der Landesregierung. Mit Ueli Maurer stellt sie heute allerdings bloss einen einzigen Bundesrat. SP und FDP beanspruchen als zweit- und drittstärkste Parteien ebenfalls je zwei Sitze, die ihnen auch gewährt sind. Die CVP nimmt als kleinste Bundesratspartei einen Sitz ein in der Landesregierung.

Aus dem Abwahl-Komplott von 2007 gegen Christoph Blocher resultiert der Bundesratssitz von Eveline Widmer-Schlumpf. Sie gehört zur BDP, die sogar noch weit kleiner ist als die bundesratslose Grüne Partei. Die BDP mit Eveline Widmer-Schlumpf durchbricht die Konkordanz derzeit also diametral. Wer für Aufrechterhaltung vollumfänglicher Konkordanz eintritt, stellt in Wahrheit fest, dass der heutige BDP-Sitz schnellstmöglich zugunsten eines zweiten SVP-Sitzes im Bundesrat zu räumen wäre.

Die Botschaft und die Botschafterin

Und es ist neuerdings die BDP, die am flammendsten Konkordanz predigt unter der Bundeskuppel! Was nur hat diese Partei ohne Programm, die einzig vom Widerstand gegen Blocher Lebenskraft glaubte gewinnen zu können, mit Eveline Widmer-Schlumpf vor? Hat das offensichtliche Schlingern der Landesregierung angesichts schwieriger und dreister Herausforderungen die BDP aufgerüttelt? Sieht sie ein, dass die Landesregierung in ihrer heutigen Zusammensetzung nicht krisentauglich ist? Erkennt sie, dass die Rückkehr zur Konkordanz die erste Voraussetzung dafür ist, dass die Regierung ihrer Aufgabe wieder gewachsen ist?

Wann folgen dieser Einsicht die konkreten Taten?

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch