Cervelat statt Kaviar


Bundesrätin Calmy-Rey inszeniert sich selbst am Frankophonie-Gipfel

Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 19. März 2010

Der Schweiz steht ein «Jahrhundert-Ereignis» bevor. Bundesrätin Calmy-Rey darf es – pardon: Darf sich selber für dieses Ereignis – inszenieren.

Für ihre grosse Show verlangt Bundesrätin Calmy-Rey volle 35 Millionen aus der Bundeskasse. Schliesslich würden dreitausend Gäste erwartet. Die Kosten pro Gast belaufen sich also auf zwölftausend Franken – für fünf Tage und vier Nächte. Das erachtet Frau Calmy-Rey als «angemessen». Allerdings: Die Kosten werden selbstverständlich nicht gleichmässig verteilt. Soviel Sozialismus mag die Strahlefrau unseres EDA gegenüber sich selbst gewiss nicht anwenden. Sie beansprucht für sich den Löwenanteil. Und weil der Wahlen-gebeutelte Präsident Sarkozy sich als wichtigster Gast auch etwas in Szene setzen möchte, ist auch ihm ein substantieller Anteil an den Schweizer Millionen reserviert. Die «Normal-Delegierten», beispielsweise die Gäste aus Senegal, müssen dagegen etwas bescheidener durchkommen.

Frankophoniegipfel

Worum es geht? Zu Montreux wird vom 20. bis 24. Oktober der Frankophoniegipfel 2010 ablaufen. Irgend welche Entscheidungskompetenz hat dieser Gipfel nicht. Er inszeniert bloss sich selbst – beziehungsweise diejenigen, die nach solcher Inszenierung dürsten. Frau Calmy-Rey war elektrisiert, als sie erfuhr, dass siebenhundert der zu erwartenden dreitausend Gäste Medienleute sein sollen. Sich von siebenhundert Leuten ständig filmen, interviewen, begleiten zu lassen – nein, da kann eine Weltbühnen-Besessene nicht widerstehen. Bezahlen soll’s der Steuerzahler. 35 Millionen für nicht einmal fünf Tage.

Nicht budgetiert

Vom Interesse der Medienleute an dieser Show erfuhr Calmy-Rey offenbar etwas spät. Weshalb sie, obwohl die Schweizer Bewerbung für diesen Gipfel noch tief im letzten Jahr erfolgt ist, schlicht vergessen hat, den Grossanlass fürs Budget der Eidgenossenschaft anzumelden und den Kredit zu beantragen. Aber was scheren Budget-Vorschriften eine Weltpolitikerin. Das Ganze irgendwie als Nachtragskredit post festum den Räten zu unterbreiten: So lautete ihr Plan. Dieser missriet allerdings. Die Räte verlangten eine dringliche Botschaft. Daraus geht hervor, dass der Durchführungs-Auftrag «aus Zeitmangel» nicht vorschriftsgemäss nach WTO-Normen ausgeschrieben werden konnte. Es wurde kurzerhand eine sich gerade anbietende «Event-Agentur» verpflichtet. Das Honorar: Drei Millionen! Die Miete des Kongresszentrums für fünf Tage kostet auch 1,125 Millionen. Und für die Einrichtung der Säle werden sage und schreibe kostet sage und schriebe 3,87 Millionen verschleudert. Für das Herumkarren der Gäste von den Hotels zum Kongresszentrum und zurück sind weitere 1,73 Millionen vorgesehen. Usw.

Kompensation «unmöglich»

Es wird derart opulent angerichtet, dass die Eidgenössischen Räte das Event zwar nicht zu streichen wagten, den Kredit aber immerhin um fünf Millionen zu kürzen sich getrauten. Was zur Folge haben soll, dass die «gewöhnlichen» Delegierten jetzt auf Cervelat-Salat statt auf Kaviarhäppchen gesetzt werden. Showgäste à la Calmy-Rey und Sarkozy selbstverständlich ausgenommen.

Eine Forderung an die Aussenministerin, ihrer Vergesslichkeit bezüglich Budgetierung des Gipfels zu Montreux dadurch Rechnung zu tragen, dass die 35 aus dem Fenster geschleuderten Millionen anderswo in ihrem Departement einzusparen seien, fegte diese zornentbrannt vom Tisch: Jede Ausgabe ihres Departements sei bis auf den letzten Rappen begründet. Da läge nicht die geringste Kürzung mehr drin, herrschte sie die Räte an. Und, sagte sie, der Gipfel garantiere der Schweiz «erstrangige Einflussnahme» auf der Weltbühne.

Beispiele gefällg? Die Schweiz darf tatsächlich im Verwaltungsrat eines für die gesamte Frankophonie vorgesehenen Fernsehsenders Einsitz nehmen. Nicht dass sie dadurch Einfluss auf diesen Sender bekäme. Aber sie darf fortan alljährlich erkleckliche Unterstützungssummen aus Schweizer Steuergeldern an diesen Sender überweisen – und an vieles andere mehr.

L’ état – c’est moi! Ich, Calmy-Rey, schleudere die Steuerfranken in die Welt und lasse mich dafür feiern. Der Steuerzahler soll dafür bluten. Als «kleinlich» stuft sie ein Parlament ein, das die Anhimmler der grossen Madame dazu verknurrt, ihren Weltvisionen Cervelats-mampfend statt Kaviarhäppchen-geniessend beiwohnen zu müssen…

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch