Zweierlei Wachstum

Linke Verantwortung am Finanz-Desaster

"Spalte rechts"
Kommentar des Chefredaktors

Vor vier Jahrzehnten wurden fast alle Schweizer Städte noch von bürgerlichen Mehrheiten regiert. Die oppositionelle Linke und die damals im linken Lager erst zögerlich entstehenden Grünen geisselten in jenen Jahren scharf und wortreich das «hemmungslose Wachstum», das, von der Industrie verschuldet, den Planeten Erde zerstöre.

Die Medien spendeten reiches Lob – so viel, dass selbst nicht wenige der bis dahin fest im bürgerlichen Lager stehenden Politiker schwankend wurden. Sie versuchten, sich mit der von ihnen favorisierten Propaganda-Floskel vom «qualitativen Wachstum» herauszureden. Doch Polemik und Selbstzweifel blieben – der Nährboden für den bald einsetzenden Niedergang des Freisinns.

Seither ist den Linken und Grünen der Marsch in die Stadthäuser weitgehend gelungen. Doch wie heisst die Parole, die sie von dort verkünden? Man staunt: Die linke Parole lautet «Mehr Wachstum»!

Nehmen wir als Beispiel eine mittlere Stadt: Als Winterthur ein rotes Stadtpräsidium erhielt, schämten sich die Stadtoberen der Eulachstadt alsbald ihrer mickrigen neunzigtausend Einwohner. Mit hunderttausend wäre man Grossstadt. Und wohlgemut erfolgte der Aufbruch, lautstark der Bevölkerung verkündet: Im Drang nach Grösse wurde die magische Zahl Hunderttausend zum Ziel linker Stadtpolitik.

Das Grösse versprechende Wachstumsziel wurde innert zehn Jahren auch erreicht. Doch eigenartig: Von den zehntausend Mehr-Einwohnern spürte der Stadtkassier praktisch nichts. Wenigstens nicht bei den Einnahmen. Winterthurs Traum von der Grösse hatte zwar nicht nur, aber doch vor allem Fürsorgebezüger ins Paradies anonymen Forderns gelockt.

Heute ist die Stadt zwar viel voller, die Stadtkasse aber umso leerer. Werden Wachstumszahlen veröffentlicht, dann stehen sie unter der Überschrift «Schuldenstand».

Auf einem Spaziergang durch Winterthurs Marktgasse am Samstagvormittag lässt sich der «Fortschritt» sehen – und auch hören: Wer auf Masseneinwanderung setzt, ächzt nur allzu bald unter immer drückenderen Soziallasten, erntet Armut statt Wohlstand.

Wer sich nie im Wettbewerb mit eigener Leistung durchzusetzen hatte, wer wirtschaftlichen Erfolg nie zu erkämpfen hatte, kann dank verlockenden Gratis-Wohltaten zwar Massen anlocken, Wohlstand generieren kann er auf diese Weise freilich nicht.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch