Noch nicht genug Krieg?

AKZENT

Barack Obama war noch nicht lange im Amt als US-Präsident, als er – demonstrativ in Kairo – eine programmatische Rede hielt. Sie wurde rund um den Erdball als «wegweisende Hoffnungsbotschaft» gefeiert: Endlich werde sich Demokratie – in ihrem Gefolge auch Wirtschaftsblüte – auch in Afrika durchsetzen. Die Stunde Afrikas habe geschlagen!

Dann kam der «Arabische Frühling». Bejubelt von denen, die zuvor Obamas Rede als «Meilenstein der Weltgeschichte» gefeiert hatten.

Schlug sie tatsächlich, die «Stunde der Demokratie» für Afrika? Nicht die Spur! Dem Frühling folgte kein Sommer. Nicht einmal ein Winter. Es folgte das nackte Grauen, jeder schien gegen jeden die Waffen zu erheben. Grausigste Schlächtereien schockieren seither die Welt.

Dass auch brutale Christenverfolgungen Teil dieser Gewaltorgien wurden, sickerte allmählich durch – obwohl sich die Medien gegenüber diesem Drama beharrlich in «kollektivem Wegschauen» übten…

Es gibt heute in Nordafrika und Nahost nur noch zwei Länder mit gefestigten Regierungen: Israel und Iran. Wer an politischer Stabilisierung in Nahost ehrlich interessiert ist, müsste die Regierungen dieser beiden Länder in Lösungsschritte miteinbeziehen. Es geht nicht um Freundschaft – geordnetes, Sicherheit garantierendes Neben- und Miteinander ist wohl das Maximum, was derzeit im Sinne haltbarer Koexistenz erreichbar ist.

So mitreissend Obama als Redner auftritt: Seine Tatenlosigkeit ist wesentlich mitschuldig am todbringenden Chaos in Nahost und Nordafrika. Jetzt, zum Abschluss seiner Präsidentschaft will er noch einmal «weltpolitisches Format» demonstrieren. Unter dem plakativen Applaus der Uno-Funktionäre gibt er den Weg frei für die Verurteilung Israels. Verurteilungsgrund: Die jüdischen Siedlungen im von den Palästinensern beanspruchten Gebiet.

Haben die USA bislang im Sicherheitsrat per Veto die Verurteilung Israels verhindert, so gibt sich Obama jetzt plötzlich als Anwalt «der Palästinenser». Gibt es sie überhaupt, «die Palästinenser»? Müsste eine Weltmacht, die als deren Anwältin auftritt, nicht wenigstens über die heutige Realität im Palästinenser-Territorium berichten – gelegen im Brennpunkt einer bürgerkriegserschütterten Weltregion? Das unterliess Obama. Was er vorsätzlich überging, sei hier nachgetragen:

Die Verantwortung für Palästina trägt dessen Autonomiebehörde. Warum verschweigt Obama – abgekartet mit allen Uno-Funktionären –, dass sich der Präsident dieser Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, in einem der beiden Teile Palästinas, im Gaza-Streifen, seit Jahren nicht mehr blicken lassen kann? Weil er einen Aufenthalt dort schlicht nicht überleben würde!

Denn in Palästina herrscht Bürgerkrieg – äusserst grausam und gewalttätig ausgetragen. Hamas gegen Fatah.

Palästina besteht bekanntlich aus zwei Teilen: Aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen. In Gaza vermochte die Hamas die Fatah zu verdrängen – unter grausamster Gewaltanwendung. Fatah-Exponenten, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, wurden öffentlich massakriert – abgeschlachtet! Einige wurden, noch lebendig, ins oberste Stockwerk der Verwaltung der Autonomiebehörde geschleppt, dann aus den Fenstern geworfen. Ihre zerschmetterten Leichen blieben auf der Strasse stundenlang liegen – als Warnung an alle, wie mit Sympathisanten der «Bruderorganisation Fatah» verfahren werde. Andere wurden an meterlangen

Seilen an Motorräder gebunden, dann durch die Stadt geschleift, bis sie tot waren. Auch ihre Leichen blieben liegen – als Abschreckung.

Das weiss Obama; das wissen auch die Medien. Aber der Bürgerkrieg zwischen Hamas und Fatah ist tabu – obwohl kaum weniger grausam ausgetragen als jener in Syrien.

Mahmud Abbas kann sich im Westjordanland noch an der Macht halten. Aber nur, weil Israel dort mit seinen starken Sicherheitskräften Ordnung und Sicherheit gewährleistet – von Abbas angefordert. Israels Präsenz ist die Lebensversicherung für Abbas – auch wenn die Medien zu dieser Tatsache kein Wort verlieren.

Wenn in der Uno Resolutionen gegen Israel anstehen, dann vergeht den Medien jegliche Lust aufs Hinterfragen. Auch wenn die Realität in Palästina Bürgerkrieg heisst. Ganz so, als hätte man noch nicht genug an den Bürgerkriegen in Syrien, im Irak, in Jemen und anderswo.

Der Umgang mit Israel ist in der Uno längst zum Ritual verkommen, dem bestimmte Gesetzmässigkeiten zugrunde liegen: Wer in der Uno eine Karriere anstrebt, ist auf die Stimmen der arabischen und muslimischen Staaten auf Gedeih und Verderb angewiesen. Ein Faktor, der selbst zu Bern die Befehlsausgabe an «unseren» Botschafter in New York regelmässig dominiert. Das bequemste Mittel, sich die Stimmen des arabischen Lagers zu sichern, besteht in Verurteilungsanträgen gegen Israel. So läuft es – seit Jahren. Das hat nichts mit Verantwortung für den Frieden, mit Kriegs- und Gewaltverhinderung zu tun. Nur mit Karrieredenken.

Bis heute hat das Veto der Amerikaner schlimme, kriegstreibende Folgen dieses verantwortungslosen Uno-Rituals regelmässig ins Leere laufen lassen. Obama, Noch-Präsident der tonangebenden Weltmacht, hat mit dieser Verantwortungswahrung gebrochen – keineswegs das Gedeihen der USA oder gar Israels im Visier. Keineswegs am Ziel orientiert, der Bevölkerung in Nahost wenigstens in Teilgebieten sichere, einigermassen gewaltfreie Existenz zu sichern. Obama verfolgt einzig das Ziel, seinem ungeliebten, ihm verhassten Nachfolger, Donald Trump, ein faules Ei ins Nest zu legen.

Vielleicht bleibt dieses fast letzte Präsidialsignal Obamas folgenlos. Es könnte aber auch fatale, düstere Folgen zeitigen: Gelänge es, Israel aus seiner Rolle des Sicherheitsgaranten im Westjordanland zu verdrängen, wird sich auch dort die Terrororganisation Hamas mit skrupelloser Brutalität durchsetzen. Israel wäre dann wieder auf seine «Wespentaille-Gestalt» zurückgedrängt: Der Norden wäre vom Süden Israels nur noch durch ein «Brücke» verbunden, die am schmalsten Punkt nur gerade vierzehn Kilometer breit ist, die mittels gezieltem Panzer- oder anderem militärischem Vorstoss relativ leicht zu erobern wäre.

Dann wäre Israel entzweit – ein Ziel, das arabische Armeen seit 1948 mehrfach zu erreichen versucht haben – regelmässig mit dem Kriegsruf auftretend, «die Juden ins Mittelmeer zu werfen». Sollte Obamas Parteinahme zum Ende seiner Amtszeit solche Entwicklung begünstigen, Israel mittelfristig wieder zu einem Dasein mit immer bedrohender Wespentaille zu verurteilen, wäre die Existenz des Judenstaates insgesamt ernsthaft gefährdet. Es ist nachvollziehbar, dass, wer Israel solch prekäre Existenz zumutet, von den Juden als Antisemit eingestuft wird.

Dass jeder Versuch, Israel zu verdrängen und damit zu vernichten, auch den letzten in der Region noch verbliebenen Christen jegliches Überleben in Nahost verunmöglichen würde, ist nur eine weitere – von den Medien bewusst ausgesparte – Realität.

Es geht Obama nicht um Israel, nicht um Palästina. Er will seinem ihm verhassten Nachfolger möglichst viele Schwierigkeiten in den Weg legen. Mag Obama als wirkungsvoller Redner Aufsehen erregt haben, so war er als Weltpolitiker eine Katastrophe. Dass selbst der amerikanische Kongress sich vom jüngsten Israel-Entscheid Obamas distanziert, mag ein Hoffnungsschimmer sein. Trotzdem: Es ist gut, dass Obama jetzt abtritt.

us

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch