Nato und Uno formulieren das Mandat

Souveränitätsverlust durch Auslandeinsätze
Votum anlässlich der Medienkonferenz des Komitess "Nein zum Nato-Anschluss" am 10. 5. 2001 in Bern

Beim Besuch von 19 Mitgliedern der nationalrätlichen Sicherheitskommission am 2./3. Mai in Kosovo wurde das Dilemma, das militärische Auslandeinsätze der Schweiz im Verbund mit der Nato bescheren, einmal mehr deutlich.

Zwar verordnet die Schweiz solchen Einsätzen gesetzliche Beschränkungen: Ausser "Friedensförderung" soll nichts möglich sein. Doch ist diese Beschränkung für Uno und Nato nicht verbindlich. Der den KFOR-Abschnitt Süd kommandierende Brigadegeneral Wolf-Dieter Langheld wurde von einem Schweizer Parlamentarier am 2. Mai in Prizren zur Kommentierung der im Schweizer Gesetz festgeschriebenen Beschränkung von militärischen Auslandmissionen auf "friedensfördernde Einsätze" aufgefordert.

Seine Antwort war unmissverständlich: Die Uno - sagte General Langheld - habe den KFOR-Einsatz "glücklicherweise mit einem robusten Mandat" ausgestattet. Ein "robustes Mandat" - weiss man spätestens seit der Publikation des Brahimi-Berichtes durch die Uno - unterscheidet ausdrücklich nicht zwischen "friedensfördernden" Sicherungs- und "friedenserzwingenden" Kampfeinsätzen - eine Unterscheidung, die missionserfahrene Militärs längst als unrealistische Theorie etikettiert haben.

Damit ist klar: Schon der erste Einsatz, der mit dem teilrevidierten Militärgesetz ermöglicht werden soll, kann die in diesem Gesetz festgeschriebene Einsatz-Beschränkung nicht einhalten. Die Schweiz will sich in Kosovo bekanntlich aus der Unterstellung unter die Österreicher lösen; sie will erklärtermassen die alleinige, vollumfängliche Verantwortung für einen ihr zugewiesenen Abschnitt übernehmen.

Damit muss sie allerdings ohne Wenn und Aber dem "robusten Mandat", formuliert von der Uno genügen können. Zwar werden mit einem "robusten Mandat" Kampfeinsätze nicht gesucht, aber sie werden auch nicht ausgeschlossen. Das Dilemma ist klar: Wenn gemeinsame Einsätze mit der Nato auf der Grundlage von Uno-Mandaten gesucht werden, dann sind die von Uno und Nato daran geknüpften Bedingungen zu erfüllen - Schweizer Gesetz hin oder her.

Indem sich die Schweiz als schwächerer Partner Bedingungen unterziehen will, die von einem weit Stärkeren verbindlich festgelegt werden, werden wir dazu veranlasst, von "Nato-Anschluss" zu sprechen. Eine Armee, die sich gemäss dem im Februar 2000 veröffentlichten - in den letzten Tagen oft zitierten - Doktrin-Papier gesamthaft der Interoperabilität verschreibt, die Interoperabilität gleichzeitig allein mit der Nato vorsieht, muss sich wohl zwangsläufig den von der Nato vorgegebenen Interoperabilitäts-Bedingungen anpassen und unterziehen. Deshalb hält Nato-Englisch Einzug in die Schweizer Armee. Deshalb bestimmen Nato-Vorgaben unsere künftigen Rüstungs-Programme. Deshalb hat sich die Armee-Doktrin nach Nato-Massstäben auszurichten. Deshalb werden die Strukturen, die Offizierslehrgänge unserer Armee den entsprechenden Nato-Vorgaben angepasst.

Niemand behauptet, am 10. Juni werde über den Beitritt der Schweiz zur Nato abgestimmt. Unser Komitee weist lediglich nach, dass eine Armee, die weitestgehend auf Nato-Vorgaben normiert wird, nicht mehr eigenständig einsatzfähig ist. Bundesrat und Armeeführung betonen ja laufend, dass die Schweiz selbst ihren Verteidigungsauftrag nicht mehr eigenständig wahrnehmen könne, weshalb sie - zwecks Kampfführung im operativen Vorfeld eine Kooperation mit Nachbarn eingehen müsse. Damit gibt die Landesregierung die Eigenständigkeit in der Landesverteidigung offensichtlich auf. Sie will lediglich die Konsequenzen dieser Weichenstellung - wenigstens vor dem 10. Juni - nicht offen legen.

Der Zweck der vorgezogenen Teilrevision des Militärgesetzes besteht in erster Linie darin, den Kooperations Grundsatz und die auf die Nato ausgerichtete Interoperabilität zum voraus zu verankern - bevor das Armeegesetz insgesamt erneuert, die Armeereform insgesamt angepackt wird. äusserst bedauerlich, dass der Bundesrat dem Souverän die Grundsatzentscheidung über Sinn und Zweck der Landesverteidigung vorenthalten will, indem er Sachzwänge schafft, die zu jeder später zu lösenden Frage die Entscheidungsfreiheit schwerwiegend beeinträchtigen.

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch