Ein Bericht voller Plattitüden


Schweizer Europapolitik: Glaubensfrage statt heikle Interessen-Abwägung.

Nationalratsvotum von Dr. Ulrich Schlüer im Namen der SVP-Fraktion

Der Bericht liegt vor. Auch die SVP-Fraktion nimmt ihn zur Kenntnis. Sie stellt allerdings fest, dass die Anzahl der Plattitüden, die darin präsentiert werden, grösser und grösser wird mit jedem Bericht, der erscheint; etwa wenn gesagt wird, es sei jetzt zwar eine Krise ausgebrochen, aber mit einem neuen Integrationsschritt würde auch diese dann überwunden.

Die Schwäche des Berichtes ist, dass für viel zu viele in diesem Haus die EU-Frage zu einer Glaubensfrage geworden ist. Wer den EU-Glauben nicht teilt, wird als Ausgestossener behandelt.
Dass man sich den Weg zur kritischen Bestandesaufnahme dessen, was ist, verbaut, verkennt man. Man fordert die Schweiz auf, Reformen anzudenken. Warum eigentlich nicht durchdenken? Weshalb nur andenken? Man käme vielleicht zu fundierteren Erkenntnissen.

Uns wird als Schlussfolgerung präsentiert, wir müssten, unter welchen Rahmenbedingungen auch immer, die vollständige Übernahme aller relevanten Rechtstatbestände der EU ins Auge fassen. Das wäre dann eigentlich die Unterwerfung, die man anstrebt. Gleichzeitig ruft uns die EU aber zu Hilfe, weil sie in ihrer Verschuldungskrise nicht mehr weiter weiss. Und Sie wollen sagen, wir hätten gegenüber Brüssel keine Handlungsfreiheit, es gäbe nur noch den Beitritt, es gäbe nur noch die Übernahme dessen, was uns Brüssel vorgibt.

Den autonomen Nachvollzug gibt es nicht. Den verfolgen einige, um Sachzwänge zu schaffen, womit man dann dem Souverän, der nicht will, wie Bundesbern will, vorhalten kann, wir hätten uns eine beengende Lage eingebrockt. Die Sachzwänge schaffen Sie, weil sie unter dem Titel "autonomer Nachvollzug" die eigene Freiheit einschränken wollen.

Der Bericht wurde im September geschrieben, also vor ein paar Monaten. Aber schon damals bestand die "Idylle EU" nicht mehr. Schon damals war die Krise greifbar. Mit Blick auf diese Krise nun eine Diagnose zu stellen und von Beitritt zu sprechen ist dann doch schon mehr als bloss mutig, das ist verwegen, der eigenen Bevölkerung gegenüber ist es gar vermessen.

Immerhin wird im Bericht festgestellt, dass eigentlich Anlass zu Sorge bestehe, weil Europa im Vergleich zu den Aufstiegsregionen dieser Welt im Abstieg begriffen sei, dass es trotz aller Einigungsbemühungen an Bedeutung verliere. Das müsste alarmieren, man begnügt sich aber damit, festzustellen, dass die EU als Handelspartnerin für die Schweiz trotzdem dominierend bleibe. Das stimmt natürlich, aber mit einem absteigenden Gebilde wirtschaftlich verflochten zu sein müsste uns erstens dazu anregen, die Lage genau zu analysieren, und zweitens, uns gezielt nach neuen Handelspartnern umzusehen.

Die EU hat sich der Harmonisierung verschrieben. Harmonisierung bedeutet bürokratisch erzwungene Gleichschaltung. Die EU will jetzt, in der Krise, jenen Ländern, die für die Verschuldung verantwortlich seien und nicht so handeln wollten, wie Brüssel will, eine Einheitswirtschaftspolitik verordnen. Via Agenturen will man auch uns einbinden. In mancher Agentur, bei der wir mitwirken sollen, verlieren wir indessen an Handlungsfreiheit, an Eigenständigkeit, an Gestaltungsfreiheit.

Eine Tatsache, die heute wohl von Bedeutung ist, wird im EU-Bericht verschwiegen, die Tatsache nämlich, dass die Schweiz unversehens zum einzigen Nicht-Hochsteuerland in Europa geworden ist, aufgrund der äusserst rasch vollzogenen, äusserst massiven Verschuldung, welche die EU-Länder willentlich eingegangen sind. Es ist dies eine bewusst verfolgte Politik - nicht etwa Schicksal. In der Schweiz war eine Abkehr von der gesunden, starken Währung nicht möglich, weil man dazu das Volk hätte befragen müssen und weil Bern wusste, dass das Volk nicht mitgemacht hätte. Wir sind konfrontiert mit einer eigentlichen Währungszerrüttung in der EU und mit offensichtlicher Planlosigkeit, wie dieser Währungszerrüttung zu begegnen ist: Man stopft ein Loch, worauf sich an anderem Ort ein grösseres Loch auftut. Wir erkennen keinen Willen, die Probleme in den Griff zu bekommen. Wir erkennen viel Streit, wir erkennen viel Gegensätzlichkeit, wir erkennen viel Planlosigkeit.

Bedauerlicherweise befasst sich der EU-Bericht nicht mit dem, was geschaffen wurde: Eine künstliche Währungsordnung für einen wirtschaftlich äusserst ungleichen Raum. Es entstehen daraus Verzerrungen, die nicht überwindbar sind; der Bericht sagt dazu nichts, obwohl diese Tatsache schon im September aktuell war und täglich aktueller und gravierender wird.

Wie kommt Brüssel aus dieser Sackgasse heraus? Wie verhalten wir als Schweizer uns angesichts dieser Sackgasse? Das wäre gegenwärtig die wichtigste Frage. Am Wichtigsten ist, dass wir jetzt unsere Handlungsfähigkeit in währungspolitischen Dingen bewahren, die Freiheit, Entscheidungen nach unserem Ermessen zu treffen und uns keinesfalls kopflos in den Schlamassel stürzen, dem die EU ausgesetzt ist. Das ist jetzt das Allerwichtigste.

Selbstbestimmung ist die Alternative zur bürokratisch verordneten Gleichschaltung. Das Volk kann bei uns nicht übergangen werden. Deshalb verläuft die Entwicklung hier anders als in der EU. Dort beklagt sich das Volk, aber es ist ohnmächtig. Freiheit, Demokratie, Wettbewerb, eigenständige Gestaltung - das ist die Alternative zum Weg, der die EU in die Irre geführt hat, nämlich zur europaweiten Gleichschaltung auf einem Kontinent, der nicht gleichzuschalten ist, weil es darauf zu viele Ungleiche gibt.

Die Volkssouveränität ist die richtige Antwort auf das, was die EU jetzt ereilt. Wenn wir die Volkssouveränität in Händen haben, haben wir sie auch auszugestalten - freiheitlich auszugestalten. Sie war der Weg zum freiheitlichen Erfolgsmodell Schweiz. Das Gegenmodell endet offensichtlich im Misserfolg. Hierüber triumphieren wir nicht. Wir wissen nur zu genau, dass Europa insgesamt aufs Schwerste betroffen sein wird, wenn sich diese Euro-Krise nicht lösen lässt.

Unser Weg ist es, uns zumindest unsere Handlungsfähigkeit zu bewahren, auf dass wir unsere Währung gesund erhalten, wenn andere Währungen, insbesondere die Einheitswährung, in den Strudel der Entwertung, der Verschuldung gerissen werden und als Folge davon die Notenpresse angeworfen wird, wie das jetzt geschieht.

Tragen wir Sorge zur Volkssouveränität! Sie ist die Alternative, auf die man in Europa wohl in den nächsten Monaten aufmerksam werden wird.

Nationalrat Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch