Grenzschutz durch die Armee

Massnahmen gegen illegale Schlepper-Machenschaften
Nationalratsdebatte vom 3. Dezember 1998

In der nationalrätlichen Debatte vom 3. Dezember 1998 über die Genehmigung des Armee-Einsatzes zur Flüchtlingsbetreuung verlangte ein Antrag Schlüer, dass die Ermächtigung zu solchen Einsätzen ausdrücklich auch auf den militärischen Schutz der Grenze vor illegalen Schleppermachenschaften ausgedehnt werde. Der Antrag wurde wie folgt begründet (Auszüge):

"Wir verfügen - Herr Bundesrat Koller hat das gesagt und Herr Baader hat es soeben wiederholt - für die Einsätze der Armee sowohl im Assistenzdienst als auch zum Grenzschutz über eine klare Rechtsgrundlage. Diese hält auch fest, wie die Regierung mit dem Parlament umzugehen hat, wenn solche Beschlüsse fallen; daran muss nichts geändert werden.

Nun kommt aber die nationalrätliche Sicherheitskommission (SiK) auf die Idee, auch noch eine Ermächtigung vorzusehen dafür, was in naher Zukunft unternommen werden soll; eine Ermächtigung für etwas, wofür wir die Rechtsgrundlage schon haben. Aber die SiK schränkt diese Ermächtigung ein, indem sie sie allein auf den Assistenzdienst bezieht. Wir wissen zwar noch nicht, was in der nächsten Zeit auf uns zukommt. Wir können uns aber durchaus vorstellen und ausmalen, dass allenfalls auch an der Grenze ein Einsatz notwendig werden könnte. Aber genau dafür entziehen wir in der Ermächtigung dem Bundesrat die Kompetenz, obwohl er sie vom Gesetz her bereits hätte. Das darf doch einfach nicht sein!

Herr Bundesrat Koller, Sie haben vorhin die Grosszügigkeit der Schweizerinnen und Schweizer im Zusammenhang mit der Aufnahme der bedrohten Kosovo-Flüchtlinge gewürdigt. Diesen Dank verdient das Volk zu Recht. Aber ich meine, das Volk verdient auch noch etwas anderes. Wir wissen, dass an unseren Grenzen Missbrauch alltäglich ist. Inszeniert von Schleppern, die Leute einschleusen, und dies in jeder Beziehung illegal. Wir haben in unserem Land über hundert Grenzposten, die des Nachts nicht besetzt sind, die Nacht für Nacht für illegale Grenzübertritte missbraucht werden. Wir können dem Bundesrat doch nicht eine Ermächtigung für zukünftiges Handeln erteilen, die Bekämpfung der illegalen Grenzübertritte aber ausschliessen. Wenn wir dem Volk schon den Dank aussprechen für seine Grosszügigkeit, so hat das Volk auch Anspruch darauf, dass der Bundesrat den Grenzschutz wirklich gewährleistet. Da dürfen wir dem Bundesrat aber keinesfalls die Möglichkeiten verbauen, den Grenzschutz auch wahrzunehmen. Genau dies würde aber geschehen, wenn wir Artikel 2 in der vorliegenden Fassung annehmen würden. Es kommt mir vor, als würde man die Feuerwehr vor zu erwartenden Bränden warnen, ihr aber gleichzeitig die Benützung der Löschfahrzeuge verbieten. Entweder stehen wir zu unserem Militärgesetz, das der Armee einen umfassenden Auftrag gibt, oder wir unterlaufen dieses Gesetz und binden dem Bundesrat die Hände bezüglich Grenzschutz durch die Armee. Da kann er die Aufgabe, die er zu lösen hat, von vomeherein nicht lösen.

Es wurde mir bezüglich meines Antrags von Frau Haering Binder Zynismus vorgeworfen: Wir haben kürzlich erlebt, wie sich eine Mutter mit einem Neugeborenen, von Schleppem an die Grenze geführt, im Schnee verirrt hat, wie nur mit knapper Not ein tragisches Ereignis verhindert werden konnte. Dieser Vorfall wäre nicht eingetreten, wenn wir unsere Grenze ordentlich schützen würden, wie wir sie schützen müssten vor den Schleppem, die diese Grenzen missbrauchen. Darüber muss sich jeder im klaren sein, der gegen meinen Antrag stimmt, der verhindern würde, dass der Armee die Hände gebunden werden, so dass Aufgaben, die wir auch im Namen der Menschlichkeit zu übemehmen hätten, nicht wahrgenommen werden können.

Wir stellen im weiteren fest, dass gegenwärtig einer unserer Nachbarstaaten Rechte, die auch Asylbewerber besitzen, mit Füssen tritt. Ich meine Italien. Wir können am Fernsehen verfolgen, wie italienische Ordnungskräfte Leute empfangen, die über die Adria nach Italien gelangen. Dort werden sie aber nicht registriert, obwohl sie ein Anrecht darauf hätten, als Flüchtlinge ordnungsgemäss registriert zu werden; statt dessen werden sie den Schleppem überlassen, weil man weiss, dass diese sie an eine Grenze bringen, von wo die Flüchtlinge dann irgendwie weiterkommen.

Nicht wahr, Herr Leu, wenn Sie in diesem Zusammenhang die angebliche Isolation der Schweiz beklagen, dann verfolgen Sie doch bitte einmal genau, was da vor sich geht! Da wird von Italien nämlich EU-Recht verletzt, da wird das Dubliner Abkommen verletzt, da wird das Schengener Abkommen verletzt. Wir haben es mit einem Nachbarstaat zu tun, der seine rechtliche Pflicht ganz einfach nicht wahrnimmt. Das ist das wahre Problem; und das hat nichts mit Isolation zu tun, das hat vielmehr mit der elementaren Pflicht eines Rechtsstaats zu tun.

Wenn wir solches feststellen, dann haben wir die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass an unserer Grenze geordnete Zustände herrschen. Die Mittel dazu dürfen wir dem Bundesrat nicht wegnehmen; wir würden sie ihm aber wegnehmen, wenn wir diesen Artikel 2 annehmen würden, so wie er vorgeschlagen wird."

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch