Grenzwachtkorps personell sträflich unterdotiert

Sicherheit an der Landesgrenze
Fragestunde 13. März 2000

Frage Schlüer:

Welche Priorität misst der Bundesrat der Sicherheit an der Landesgrenze eigentlich noch bei, wenn er als Folge der Eröffnung des Autobahn-Grenzpostens in Kreuzlingen eine erneute personelle Ausdünnung des bereits heute klar unterdotierten Grenzwachtkorps anordnet?

Antwort von Bundesrat Kaspar Villiger:

Die Eröffnung des erwähnten Autobahnübergangs wird bei unverändertem Personalbestand einen Abzug von Beamten aus anderen Grenzregionen bedingen. Die Inbetriebnahme hat zudem Personalverschiebungen auf dem Platz Kreuzlingen zur Folge, jedoch keine Schliessungen anderer Grenzübergänge. Sie führt aber zu einer Auffächerung des Verkehrs im Raume Kreuzlingen, was letztlich eine raschere Abfertigung des Grenzverkehrs ermöglichen wird.

Das Grenzwachtkorps leistet mit seinen Kontrollen an den Grenzübergängen und im Grenzraum einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und damit auch zur inneren Sicherheit. Für die vielseitigen und anspruchsvollen Aufgaben stehen dem Grenzwachtkorps derzeit rund 1900 Grenzwächterinnen und Grenzwächter zur Verfügung. Es besteht zurzeit ein Mehrbedarf von etwa 200 Beamtinnen und Beamten. Die Begehren um Personalaufstockung im Sicherheitsbereich sind jedoch vielfältig, und es ist eine Gesamtbeurteilung nötig, die zurzeit auch stattfindet. Das Grenzwachtkorps ist bestrebt, mit den vorhandenen Ressourcen, besserer Technik und auch besserer Taktik möglichst wirksame Grenzkontrollen sicherzustellen.

Wenn ich hier jetzt schon Stellung nehme, gestatten Sie mir noch eine ausserhalb Ihrer Frage liegende Bemerkung zu einem Ereignis von heute Morgen: Die Arbeit der Grenzwächter ist in jüngerer Zeit - namentlich wegen der zunehmenden grenzüberschreitenden Kriminalität - schwieriger geworden. Grenzzwischenfälle sind eher häufig vorgekommen, vor allem auch im Raum Genf. In der Nacht von gestern auf heute kam es, wie Sie wahrscheinlich gehört haben, wieder zu einem Grenzzwischenfall im Kanton Genf. Zwei Fahrzeuge durchbrachen eine rückwärtige Grenzwachtkontrolle im Raume La Plaine. Ein Täterfahrzeug konnte flüchten, das andere konnte angehalten werden. Der Beifahrer eines der beiden Fahrzeuge wurde durch einen Schuss eines Grenzwärters verletzt, ein Dienstfahrzeug beschädigt. Beide Täterfahrzeuge waren gestohlen. Bei den Insassen des angehaltenen Fahrzeuges handelt es sich um polizeilich bekannte Personen aus Nordafrika.

Die Gefährdung der persönlichen Sicherheit der Grenzwächter hat in den letzten Jahren zugenommen. Das ist uns bewusst, und wir sind über diese Entwicklung besorgt. Wir haben einiges getan und Massnahmen im Bereich der persönlichen Sicherheit getroffen: Abwehrspray, Unterziehschutzwesten usw. Wir werden die Situation aber weiter sehr genau verfolgen und gegebenenfalls auch weitere Massnahmen prüfen.

Ich darf es noch einmal wiederholen: Das Grenzwachtkorps leistet mit seinen Kontrollen im Grenzraum bei den Zollübergängen auch einen wichtigen Beitrag zur inneren Sicherheit. Ich möchte den Grenzwächtern und Grenzwächterinnen dafür ausdrücklich danken.

Zusatzfrage Schlüer:

Herr Bundesrat, ich danke Ihnen für diese Antwort. Dieses neue Ereignis, das mir noch nicht bekannt war, hat immerhin gezeigt, wie die Situation ist: Es hat Todesfälle gegeben - mehrere. Voraussehbare Todesfälle, weil die Ausrüstung und vor allem die personelle Dotierung an den gefährlichen Grenzstellen - in Genf, aber auch an der Nordgrenze - ungenügend ist. In Papieren Ihres Departementes liest man, Ihr Ziel sei es, eine möglichst reibungslose Abfertigung an der Grenze zu ermöglichen. Aber Sie haben auch einen Sicherheitsauftrag. Wann kann man darauf vertrauen, dass diese lebensgefährlichen Zustände - sie sind lebensgefährlich, wir haben in den letzten Monaten mehrere Todesopfer gehabt - endlich so behoben werden, dass die Sicherheit hinreichend garantiert ist?

Zweite Antwort von Bundesrat Villiger:

Ich möchte darauf zuerst Folgendes sagen: Sie können bei einem doch gefährlichen Beruf nie ganz eine hundertprozentige Sicherheit erreichen. Was uns vor allem Sorgen macht - das können Sie mit aller Technik nicht völlig ungeschehen machen -, ist die zunehmende Gewaltbereitschaft von Leuten, die über die Grenze gehen. Sie dürfen auch nicht übersehen, dass wir in zwei Bereichen erhebliche Fortschritte gemacht haben:

1. Bei der Taktik: Es gibt keine Einzelpatrouillen mehr, wie das früher noch möglich war. Die Grenzwächter sind immer zu zweit unterwegs.

2. Mit den Unterziehwesten haben wir rasch gehandelt. Einige Todesfälle wären möglicherweise, hätte man diese Westen früher in einer richtigen Form gehabt, vermeidbar gewesen. Ich darf Ihnen sagen, dass mich diese Fälle, die ich in meiner Amtszeit erleben musste, auch sehr beschäftigt und sehr betroffen haben. Wir sind daran, im Bereich der technischen Ausrüstungen voranzugehen. Im Bereich der Taktik sind die Fortschritte schon da. Im Bereich der personellen Ausstattung sind die entsprechenden Entscheide noch nicht gefallen.

Sie wissen, dass wir einen Teil des Problems lösen, indem wir Festungswächter zuziehen. Das ist jedoch eine provisorische Lösung und keine endgültige. Ich kann Ihnen über den Zeitpunkt einer solchen Lösung nichts sagen. Aber wir bleiben am Ball.

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch