Dilletantische Führung der Aussenpolitik

Stellungnahme zu Blankart-Vorwürfen verlangt
Interpellation vom 18. Dezember 1998

Anfangs November 1998 hat Staatssekretär Franz Blankart, der per 30. November 1998 als zuvor langjähriger Direktor des Bundesamts für Aussenwirtschaft in den Ruhestand trat, schwere Kritik an den aussenpolitischen Leistungen des Bundesrats geübt. Die wichtigsten Auszüge aus seinem aufsehenerregenden Votum waren am 27. November in der "Schweizerzeit" zu lesen.

Bis heute mochte sich der Bundesrat zu den kritischen Ausführungen dieses Experten der schweizerischen Aussenhandelspolitik nicht äussern - trotz aller Schwere der geäusserten Vorwürfe.

Mit dem Ziel, vom Bundesrat eine detaillierteStellungnahme zu den Vorwürfen Blankarts zu erhalten, reichte Nationalrat Ulrich Schlüer, Flaach /ZH, am zweitletzten Sessionstag der Dezember-Session eine von der SVP Fraktion unterstützte Interpellation ein, die auf der Grundlage der kritischen Bestandesaufnahme des seinerzeitigen EWR-Chefunterhändlers Frank Blankart folgende Fragen aufwirft:

1. Wie lautet die generelle Antwort des Bundesrates auf die Kritik von alt Staatssekretär Blankart?

2. Wurden aus Fehlern, die den Verhandlungsablauf rund um den EWR-Vertrag beeinträchtigt haben, Konsequenzen gezogen? Wenn ja, welche?

3. Befolgt der Bundesrat auch heute noch die Praxis, dass der Chef einer Schweizer Verhandlungsdelegation in für unser Land wichtigen Verhandlungen grundsätzlich keinen Zutritt zu Sitzungen des Gesamtbundesrates hat?

4. Welche Verbesserungen bezüglich bundesrätlicher Informationspolitik sowie bezüglich Verhinderung von schädlichen Indiskretionen aus der Verwaltung wurden seit 1992 getroffen? Welche Erfolge verzeichnen diese Neuerungen?

5. Nach was für Gesichtspunkten wählt der Bundesrat Gesprächspartner aus, wenn er Konsultationen vornimmt, um sein Vorgehen in heiklen Verhandlungsphasen festzulegen? Beschränkt sich der Bundesrat noch heute auf die Konsultation von grundsätzlich Gleichgesinnten?

6. Trifft es zu, dass die jugendlichen Initianten der Volksinitiative «Ja zu Europa» durch entsprechend interessierte Beamte aus der Bundesverwaltung zu ihrem Vorhaben gedrängt wurden? Welches sind die Namen solch beamteter Motivatoren?

Gemäss den Bestimmungen des Ratsreglements hat der Bundesrat diese Interpellation zu beantworten, bevor
das Parlament zu seiner nächsten Session anfangs März 1999 zusammentritt.

Antwort des Bundesrates vom 24. Februar 1999

1. Der Bundesrat ist nicht der Meinung, dass die am 9. November 1998 vom damaligen Staatssekretär Blankart gemachten Äusserungen eine generelle Antwort des Bundesrates erfordern. Herr Bundesrat Couchepin hat die Angelegenheit in einem Gespräch mit seinem Mitarbeiter erledigt.

2. Die EWR-Verhandlung wurde schweizerischerseits professionell und erfolgreich geführt. Die damals gemachten Erfahrungen wurden im Rahmen der sektoriellen Verhandlungen nutzbringend verwertet.

3. Ja. Gespräche zwischen einem Verhandlungsführer und der Gesamtheit der Bundesratsmitglieder sind jedoch möglich und finden bei Bedarf statt. Solche Gespräche fanden im Rahmen der bilateralen Verhandlungen mit Staatssekretär Kellenberger statt.

4. Interne Geheimhaltungsmassnahmen sowie die Disziplin der Verhandlungsführung haben dazu geführt, dass während der ganzen Dauer der sektoriellen Verhandlungen schweizerischerseits keine schädlichen Indiskretionen zur Verhandlungstaktik vorkamen, obschon über die jeweiligen Verhandlungsgegenstände sehr ausführlich öffentlich informiert wurde.

5. Der Bundesrat führt Konsultationen nach Massgabe der gesetzlichen Vorschriften durch: Verhandlungsbegleitend konsultiert er die zuständigen parlamentarischen Kommissionen sowie die "Konsultative Kommission für die Aussenwirtschaftspolitik"; die Mitwirkung der Kantonsregierungen in Verhandlungsbereichen, die im Zuständigkeitsbereich der Kantone liegen, ist ebenfalls sichergestellt. Ausserdem benutzt der Bundesrat das Fachwissen verwaltungsexterner Experten, wenn dies für die Verhandlungsführung nützlich ist. Politische Konsultationen führt er im Rahmen der "von Wattenwyl"- Gespräche mit den Regierungsparteien und, je nach Situation, mit den Parteispitzen von Nichtregierungsparteien. Die Gesinnung der konsultierten Stellen ist in diesem Zusammenhang für den Bundesrat unerheblich.

6. Nach dem Kenntnisstand des Bundesrates trifft es nicht zu, dass sich die Initianten, von welcher Seite auch immer, zur Ausübung ihres demokratischen Rechts "drängen" liessen. Die Regeln der Demokratie lassen es aus Sicht des Bundesrates nicht zu, die Motivation für die Lancierung einer Volksinitiative zu hinterfragen.

Diskussion

Die beantragte Diskussion der Interpellation wurde vom Nationalrat am 19. März knapp abgelehnt.

Das Geschäft ist damit erledigt.

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch