Führungsschwäche im Aussenpolitischen Departement

Interpellation vom 15. April 2002

Die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei ersucht den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Wie geht der Bundesrat mit der zur Zeit eklatanten Führungsschwäche im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten um?

2. Wie will der Bundesrat unterbinden, dass auch in Zukunft subalterne Angestellte und Sprecher von Departementen ohne Autorisierung und erforderliches Wissen zu zentralen weltpolitischen Fragen Stellung nehmen und damit den Handlungsspielraum der Landesregierung gegebenenfalls entscheidend einengen?

3. Teilt der Bundesrat die Ansicht, dass ein Aussenminister, welcher in renommierten Blättern der Weltpresse als Marionette der Boulevardmedien zitiert wird, die Interessen unseres Landes im Ausland nicht mehr optimal vertreten kann?

4. Teilt der Bundesrat die Befürchtung, dass ein seinem Amt offensichtlich nicht gewachsener Aussenminister zum Sicherheitsrisiko für unser Land werden kann?

Begründung

Die SVP stellt im EDA eine eklatante Führungsschwäche fest. Die zur Zeit vorherrschende aktivistische und unkoordinierte Aussenpolitik ist geeignet, dem Ansehen unseres Landes und der Glaubwürdigkeit der schweizerischen Neutralität schweren Schaden zuzufügen.

In einem bewaffneten Konflikt von höchster weltpolitischer Brisanz ist ­ namentlich für einen neutralen Kleinstaat wie die Schweiz ­ höchste Sorgfalt im Umgang mit Betroffenen und Konfliktparteien ange- zeigt. Bundesrat Joseph Deiss liess just diese Sorgfalt gänzlich vermissen, indem statt des Aussen- ministers eifrige Sprecherinnen und Sprecher des EDA ohne Autorisierung, Fachkompetenz und genü- gendes Wissen zum Konflikt in Palästina Stellung nahmen, dabei von bundesrätlichen Erwägungen zu Wirtschaftssanktionen daherredeten und die Überprüfung der Beziehungen zwischen der Schweiz und den Kriegsparteien forderten. Der Aussenminister weilte zum gleichen Zeitpunkt in Zentralasien. Die Äusserungen erfolgten offenbar völlig losgelöst von effektiven Beratungen im Bundesrat.

Die gleiche Unbedarftheit wie in den Stellungnahmen zum Nahost-Konflikt kam bei der Abberufung des Berliner Botschafters zum Ausdruck. Es ist für die Glaubwürdigkeit und das Gewicht eines Landes ­ und auch des Aussenministers persönlich ­ von schwerwiegender Bedeutung, wenn solche Entschei- dungen durch Kampagnen von Boulevardmedien forciert oder überhaupt erst herbeigeführt werden. Ein von der Boulevardpresse leicht beeinflussbarer Minister wird zu einem nicht zu unterschätzenden Risiko. Indem der Aussenminister besagten Botschafter als untragbar einstufte, wurde er selbst in renommierten Blättern der Weltpresse als «Marionette des Zürcher Ringier-Verlages» zitiert (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Für das Verhalten und das Auftreten schweizerischer Botschafter, Pressesprecher oder weiterer Angestellter des EDA ist grundsätzlich das Aussendepartement bzw. dessen Chef persönlich verant- wortlich. Ihm obliegt die Führung seiner Mitarbeiter, ihm obliegt das Setzen von Richtlinien bezüglich des Auftretens in der Öffentlichkeit und gegenüber den Medien. Missfällt der Stil eines Botschafters dem Chef des EDA, dann hat er einzuschreiten, bevor aus Meinungsverschiedenheiten zwischen Zentrale in Bern und einem Botschafter auf einem wichtigen Aussenposten ein für alle Welt sichtbares Zerwürfnis wird.

Die Tatsache, dass der Aussenminister offenbar nicht einmal genügend Autorität besitzt, einen Botschafter zu einer dringlichen Aussprache nach Bern zu zitieren, zeigt unannehmbare Führungs- schwäche.

Ob ein solcher Minister bei schwierigen internationalen Verhandlungen, bei welchen wichtige Landes- interessen auf dem Spiel stehen, noch als kompetenter Gegenüber wahrgenommen wird? Ob ein nicht mehr ernstgenommener Bundesrat damit nicht zum Sicherheitsrisiko für unser Land wird?

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch