Verhinderung des dauerhaften Landesverweises

Am 24. September 2009 richtete Nationalrat Ulrich Schlüer eine Motion mit folgendem Wortlaut an den Bundesrat:

Text

Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, ob durch das Anbringen eines Vorbehalts zu Artikel 8 der EMRK verhindert werden könnte, dass unseren Behörden und Gerichten das Verhängen dauerhafter Landesverweise durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weiter erschwert werden kann.

Begründung

Das Bundesgericht hat am 6. Juli 2009 auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) reagiert und die bisher unbefristete Wegweisung eines kriminellen Türken auf 10 Jahre Landesverweis beschränkt (Urteil 2F_11/2008).

Der heute 28-Jährige war 1986 als Fünfjähriger mit seinen Eltern in die Schweiz gekommen, wo sich die Familie im Kanton Neuenburg niederliess. Ab 1994 kam er regelmässig mit dem Gesetz in Konflikt. Bis 2002 folgten mehrere Verurteilungen wegen Körperverletzung, Raub, Vermögens-, Strassenverkehrs- und anderen Delikten. Dafür wurde er zu insgesamt dreizehneinhalb Monaten Gefängnis verurteilt. Ab August 2002 sass er die Strafe ab, im April 2003 wurde er bedingt entlassen. Die Neuenburger Ausländerbehörden ordneten 2003 seine unbefristete Wegweisung aus der Schweiz an, was vom Bundesgericht 2004 bestätigt wurde.

Das Gericht war zum Schluss gekommen, dass trotz der starken Bindung des Betroffenen zur Schweiz das Interesse der Schweiz an seiner dauernden Fernhaltung überwiege. Im Oktober 2004 wurde er ausgeschafft. Im vergangenen Jahr hatte der EGMR auf Beschwerde des Mannes festgestellt, dass die Schweiz mit der unbefristeten Wegweisung sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und damit Artikel 8 EMRK verletzt habe. Das Bundesgericht hat sein Urteil von 2004 nun revidiert und die unbefristete Wegweisung in einen zehnjährigen Landesverweis umgewandelt, gültig ab 2003. Damit könnte der Täter bereits 2013 wieder in die Schweiz einreisen; dies obwohl er in Bezug auf die Schwere seiner Verfehlungen nachweislich uneinsichtig ist und damit ein ausgewiesenes öffentliches Interesse an seiner dauerhaften Fernhaltung besteht.

Es kann nicht angehen, dass ein während acht Jahren wiederholt in schwerwiegender Weise delinquierender ausländischer Straftäter, der nach dem Ermessen der mit dem Fall eingehend vertrauten inländischen Behörden auf unbestimmte Zeit ausgewiesen gehört, mit Hilfe des EGMR vorzeitig wieder in die Schweiz einreisen darf. Das Ermessen muss in solchen Fällen vollumfänglich bei den inländischen Behörden liegen.

Ulrich Schlüer

>> Stellungnahme des Bundesrates vom 18. November 2009

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch