Möglichkeit zur Abberufung amtierender Bundesräte

Parlamentarische Initiative vom 13. Oktober 1998

In den monatelangen Auseinandersetzungen zwischen der Schweiz und den im Verbund mit US-Staatsstellen gegen die Schweiz operierenden privaten jüdischen Organisationen in Amerika wurde weiten Teilen der Schweizer Bevölkerung zu wiederholten Malen bewusst, wie negativ sich die Tatsache auswirkt, dass der Bundesrat für sein Handeln nie unmittelbar dem Volk gegenüber Rechenschaft abzulegen hat.

Mit Rücksicht auf den vom Bundesrat zwar unermüdlich beschworenen, vom Souverän aber nie gutgeheissenen Kurs einer ebenso naiven wie diffusen "Öffnung" unserer Aussenpolitik standen für den Bundesrat auch in dieser die Interessen unseres Landes schwerwiegend tangierenden Auseinandersetzung mit den USA Handlungsmotive im Vordergrund, die unserem Land den vom Bundesrat angestrebten Weg zur UNO-Mitgliedschaft, zur Nato-Annäherung und zur EU-Mitgliedschaft vermeintlich erleichtern sollten. Dabei wurden Prioritäten gesetzt, die vom Souverän nie gutgeheissen worden sind.

Politische Fehler

Zahlreiche, teilweise verhängnisvolle politische Fehltritte wären in diesem Zusammenhang zweifellos nicht erfolgt, hätte sich der Bundesrat für seine Aussenpolitik unmittelbar vor dem Souverän verantworten müssen. Die "Besänftigungs-Wallfahrt" von Aussenminister Flavio Cotti zum Chef des jüdischen Weltkongresses, Edgar Bronfman, in dessen Büro in New York wäre nie ins Auge gefasst worden, hätte sie direkt dem Volk gegenüber begründet werden müssen. Ebensowenig hätte sich der Bundesrat, müsste er sich vor dem Volk unmittelbar dafür rechtfertigen, nie mit einer bloss laschen Unmutsbezeugung zufriedengegeben, als US-Unterstaatssekretär Stuart Eizenstat im Vorwort zum seinen Namen tragenden offiziellen Bericht der amerikanischen Regierung die schweizerische Neutralität als moralisch verwerflich hinstellte.

Auch die Duckmäuser-Politik angesichts offensichtlicher, internationales Recht krass verletzender erpresserischer Manöver, die private amerikanische Organisationen im Verbund mit offiziellen US-Amtsstellen gegen unser Land entfalteten, wäre nicht denkbar gewesen, hätte sich der Bundesrat dafür je direkt vor dem Volk verantworten müssen.

Verfassungslücke

Die Auseinandersetzung zwischen der Schweiz und den USA liefert zwar die deutlichsten, längst aber nicht die einzigen Hinweise dafür, dass der Graben zwischen Volk und Regierung in unserem Land breiter wird. Bereits das bundesrätliche Ansinnen, UNO-Beitritt und EU-Beitritt zu "strategischen Zielen" der schweizerischen Aussenpolitik zu ernennen, nachdem der Souverän kurz zuvor den Beitritt zum EWR abgelehnt hatte, liess deutlich werden, dass die bundesrätliche Politik trotz direkter Demokratie immer weniger Rückhalt im Souverän geniesst.

Unsere Verfassung weist bezüglich dem Verhältnis zwischen Bundesrat und Souverän offensichtlich eine Lücke auf. Einem mündigen Souverän gegenüber hat der Bundesrat mehr Rechenschaftspflicht, als er dies in der jüngeren Vergangenheit wahrhaben wollte - insbesondere dann, wenn es eine Parlamentsmehrheit unterlässt, ihn an seine Verpflichtung dem Souverän gegenüber mit dem notwendigen Nachdruck zu erinnern.

Mit dem Ziel, diese Verfassungslücke zu füllen, wurde in der vergangenen Herbstsession eine parlamentarische Initiative Schlüer eingereicht, welche den Weg zur Abberufung amtierender Bundesräte, die das Vertrauen in der Bevölkerung verloren haben, öffnen soll.

Text und Begründung

Die in Form einer allgemeinen Anregung gehaltene parlamentarische Initiative Schlüer hat folgenden Wortlaut:

"Die Bundesverfassung ist so zu ändern, dass 50'000 stimmberechtigte Schweizerbürgerinnen und -bürger eine Abstimmung über die Abberufung eines oder mehrerer amtierender Bundesräte verlangen können."

Die Begründung dieser parlamentarischen Initiative lautet wie folgt:

"Gemäss geltender Bundesverfassung ist die Wahl der Mitglieder der Landesregierung der Vereinigten Bundesversammlung vorbehalten. An dieser Ordnung will die parlamentarische Initiative nicht rütteln.

Unbefriedigend ist aber, dass dem Souverän bis heute jede Möglichkeit versperrt ist, die Frage der Abberufung eines amtierenden Bundesrates der Urnenabstimmung zu unterstellen, wenn weite Teile der Öffentlichkeit den Eindruck haben, dass ein oder mehrere Bundesräte in einem wichtigen Bereich das Landesinteresse nicht oder zu wenig beachten und wahren.

In einer modernen Demokratie, getragen von einem mündigen Souverän muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass die stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger den weiteren Verbleib einzelner oder mehrerer Mitglieder der Landesregierung einer Volksabstimmung zur Entscheidung vorlegen können. Das Referendumsrecht des Souveräns ist entsprechend zu erweitern."

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch