Sicherung der Neutralität

Parlamentarische Initiative vom 21. Juni 2001

Gemäss heutigem Recht besitzt der Bundesrat offenbar keine Handhabe, gegen Ausländer, die von Schweizer Boden aus Drahtzieher-Funktionen in ausländischen Konflikten wahrnehmen, wirksame Massnahmen zu ergreifen. Aus dieser Erkenntnis resultiert die folgende Parlamentarische Initiative Schlüer: eingereicht am 21. Juni 2001:

Gestützt auf Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung und Artikel 21bis des Geschäftsverkehrsgesetzes reiche ich folgende Parlamentarische Initiative in der Form der allgemeinen Anregung ein:

Es sind gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten, um die Gefährdung der schweizerischen Neutralität durch militärische oder kampfvorbereitende Aktionen von ausländischen Gruppierungen und Kriegsparteien auf schweizerischem Hoheitsgebiet zu unterbinden.

Begründung


Das internationale Neutralitätsrecht schreibt vor, dass die Schweiz keine Konfliktpartei militärisch unterstützen darf. Das heisst insbesondere, dass die Schweiz Konfliktparteien nicht gestatten darf, das Schweizer Hoheitsgebiet für militärische Zwecke zu nutzen. Diesen Grundsätzen kann heute nicht nachgelebt werden, weil die gesetzlichen Grundlagen fehlen, um Massnahmen zu ergreifen, wenn Personen mit ihren Aktivitäten das Neutralitätsrecht verletzen.

Fortsetzung
Am 10. März 2003 gelangte die Initiative im Nationalrat zur Behandlung.

Das Votum von Nationalrat Ulrich Schlüer hatte folgenden Wortlaut:

Es ist ein unbestrittener Grundsatz des Neutralitätsrechts, dass ein neutraler Staat auf seinem Territorium keinerlei Aktivitäten in Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen in einem Drittland dulden darf. Die Schweiz erlebte indessen solche kriegerische Vorbereitungen ­ in Zusammenhang mit dem Balkankrieg. Von Schweizer Boden aus fanden kriegsorganisatorische Aktivitäten statt. Von Schweizer Boden aus wurden solche Aktivitäten finanziert, auf Schweizer Boden wurden Kämpfer angeworben und mit Sammeltransporten ins Konfliktgebiet gebracht ­ die Öffentlichkeit konnte das am Fernsehen verfolgen. Es wurde dadurch elementares Neutralitätsrecht verletzt.

Meine Initiative verlangt nun, dass schleunigst gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, so dass sich solches wenigstens nicht wiederholen kann. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass gravierende Vorfälle von der Schweiz aus gelenkt wurden. UCK-Führer Hashim Thaci, der zeitweise als Asylbewerber, zeitweise als Student in Zürich gelebt hat, hat in einem Zeitungsinterview bekannt gegeben, er habe von der Schweiz aus Hinrichtungen in seinen eigenen Reihen veranlasst. Solche Drahtzieher haben auf Schweizer Boden wirklich nichts verloren. Die beiden in Mazedonien gesuchten Führer von Rebellenbewegungen, Ali Ahmeti und Fazli Veliu, beide im Luzernischen wohnhaft, zogen von Schweizer Boden aus Fäden. In Deutschland lief gegen diese Leute eine Strafverfolgung ­ einer wurde sogar verhaftet, er konnte fliehen. In der Schweiz blieben sie völlig unbehelligt. Der Bundesrat hat ­ und das hat meine Initiative ausgelöst ­ in einer Fragestunde einmal gesagt, er könne gegen solche Machenschaften nichts unternehmen, es gebe dazu keine Gesetze. Später hat er dann immerhin einmal ein Redeverbot erlassen.

Was die Kommission in ihrem Bericht zu diesen Fällen sagt, ist nun tatsächlich der Gipfel an Fantasielosigkeit. Die Kommission beruft sich auf das Neutralitätsrecht von 1907 und stellt darauf fest, es habe zu den Konflikten auf dem Balkan eben keine Kriegserklärung gegeben. Tatsächlich gab es keine Kriegserklärung; zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen gibt es nie Kriegserklärungen. Dass daraus aber gleichsam ein Denkverbot abgeleitet wird für jene, die für die zeitgemässe Anwendung der Neutralität zuständig sind, das ist ebenso neu wie naiv. Da muss sich die Kommission dann doch noch irgend etwas einfallen lassen, wenn sie glaubwürdig sein will.

Und dann muss ich Sie auch noch auf einen aktuellen Widerspruch hinweisen. Wenn Sie sagen, die Schweiz könne oder wolle nichts unternehmen, wenn Neutralitätsverstösse im Zusammenhang mit Konflikten auf dem Balkan vorkommen, dann möchte ich Sie fragen: Wie halten Sie es denn mit den USA? Die USA haben der Schweiz gegenüber die Forderung aufgestellt, sie möchten bei der Strafverfolgung von Terrorismus-Verdächtigten auf Schweizer Boden beteiligt werden. Die Schweiz hat sofort zugelassen, dass selbst ein amerikanischer Fahnder auf Schweizer Boden mit unserer Bundespolizei zusammen aktiv sein kann. Wenn die Schweiz neutralitätsrechtlich und neutralitätspolitisch glaubwürdig sein will, dann können Sie nicht gegenüber Mazedonien ­ nur weil Mazedonien ein kleiner Staat ist ­ untätig bleiben, und dann, wenn das mächtige Amerika anklopft, händereibend zugestehen: Selbstverständlich dürft Ihr Amerikaner auf unserem Staatsgebiet mit eigenen Beamten fahnden. Das sind Widersprüche, die sich die Schweiz nicht leisten darf, die ein negatives Licht auf unser Land werfen.

Die Initiative verlangt, dass wir uns endlich ernsthaft mit diesen Aspekten der Neutralität befassen. Und es geht keineswegs nur um die Neutralität, es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Aussenpolitik insgesamt, gerade auch gegenüber den USA. Die Neutralität darf nicht der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

Ich räume ein, dass in der Verwaltung in den letzten Monaten ein gewisses Umdenken stattgefunden hat. Der Chef der Justizverwaltung hat ausdrücklich gesagt, man könne viel mehr unternehmen, als der Bundesrat seinerzeit zugegeben habe; es sei aber nicht seine Aufgabe zu beurteilen, ob man das, was man könne, auch tatsächlich tue oder getan habe.

Meine Initiative umfasst auch einen Sicherheits-Aspekt: Wenn die Schweiz ihre Neutralität nicht sauber handhabt und kriegsvorbereitende Aktivitäten auf unserem Boden rigoros unterbindet, dann werden wir in der Schweiz früher oder später gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen erleben. Das wird nicht zu vermeiden sein, wenn wir die Zügel schleifen lassen. Es gilt also zu handeln.

Wenn es jetzt noch Leute gibt ­ es soll ja in diesem Parlament solche geben­, die nur dann zum Handeln bereit sind, wenn auch die Uno einen entsprechenden Auftrag erteilt, dann kann ich Sie beruhigen: Selbst bei der Uno werden Sie fündig. Es gibt eine Uno-Resolution ­ sie trägt bezeichnenderweise das Datum vom 12. September 2001 ­ und darin heisst es, dass diejenigen, die Tätern, Drahtziehern und Förderern terroristischer Anschläge ­ es braucht dazu keine Kriegserklärung, wie die Kommission behauptet ­ auf ihrem Territorium Zuflucht gewähren, zur Rechenschaft gezogen werden. Ich glaube also, es wäre Zeit, höchste Zeit zu handeln.

Ulrich Schlüer

Die Parlamentarische Initiative Schlüer wurde von der SVP-Fraktion unterstützt, vom Nationalrat aber verworfen.

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch