Hans wie Heiri

Bundesrats-Ränkespiele statt Problembewusstsein
Frontseiten-Kommentar für die "Spalte rechts" in der "Schweizerzeit" vom 26. Juni 2009

Die Journalisten stürzen sich wieder einmal auf das dankbarste aller innenpolitischen Spiele: Vakanz im Bundesrat. Ein Ränkespiel, das jeder mit «lustigen» Ideen oder Tiefschlägen zu bereichern sich gewachsen fühlt: Pelli oder Schwaller? CVP oder FDP? Mann oder Frau? Welscher oder Halbwelscher? Der Gründe, sich gegenseitig in Aufregung zu versetzen, scheint es unendlich viele zu geben. Die Öffentlichkeit nimmt’s kaum zur Kenntnis.

Denn nach einem fragt hartnäckig niemand: Nach dem Zustand des Landes. Nach der Kompetenz der Landesregierung den Problemen gegenüber, die auf die Schweiz einstürmen.

Die Schweiz wird böswillig erpresst – von den USA, von Grossbritannien, von Deutschland: Vom Bankgeheimnis, an dem, laut Bundesrat Hansrudolf Merz, «die anderen sich die Zähne ausbeissen werden», ist kaum mehr etwas übrig geblieben. Die Landesregierung ist auf der ganzen Linie eingebrochen.

Die Sozialwerke sind am Ende der Ära Couchepin in desolatem, teilweise nahezu hoffnungslosem Zustand. Alle! Weltwirtschaftskrise: Die Hilflosigkeit der zuständigen Bundesrätin ist fast mitleiderregend. Augenrollen als Rezept gegen Wirtschaftseinbrüche? Die Aussenministerin demontiert derweil lächelnd die Pfeiler der Unabhängigkeit der Schweiz. Und sie unterminiert, vom Kriegsfieber gepackt, die von Bundesrat Ueli Maurer inzwischen zielgerichtet eingeleiteten Massnahmen zur Behebung jener schweren Schäden, welche die Armee als Resultat jahrelanger, zielloser Reformitis heimgesucht haben. Der Verkehrsminister, statt endlich der Ressourcenverschwendung als Folge der verstopften Strassen in den Agglomerationen mit wirkungsvollen Massnahmen zu begegnen, bloggt irgend welchen, vermeintlich geistreichen Unsinn in der Welt herum.

Trostlos ist die Lage, wohin man auch immer schaut. Ein einziger, so etwas wie Realitätsbewusstsein und damit Hoffnung weckender Vorschlag liegt bis heute auf dem Tisch: Der Vorschlag, Jean-Pierre Roth, den jetzigen Nationalbank-Direktionspräsidenten in den Bundesrat zu wählen. Dann gäbe es dort wenigstens eine Persönlichkeit, die den Problemen, die derzeit auf die Schweiz niederprasseln, gewachsen wäre.

Aber die Journaille ergötzt sich lieber an «Pelli gegen Schwaller», an «Hans wie Heiri»…

Ulrich Schlüer


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