Keine Inflation?

Warnung vor oberflächlichen Beschönigungen
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 4. September 2009

Jetzt schlägt die Wirtschaftskrise voll durch auf die Arbeitsplätze. Täglich Hiobsbotschaften: Hunderte, Tausende von Entlassungen. Dies bei einbrechender Nachfrage, bei stagnierendem Wachstum.

Die Banken, die Finanzinstitute scheinen derweil fürs erste gerettet. Das von ihnen verursachte Milliarden-Desaster, verschuldet durch verantwortungslose Spekulation, ist fast vollumfänglich von den Staaten übernommen worden. Die Schulden sind dabei nicht verschwunden, sie wurden nur in die Staatskassen übernommen – also ungefragt den Steuerzahlern aufgebürdet. Die aus solcher Schuldenübernahme resultierende Neuverschuldung der Staaten in der Höhe insgesamt Tausender Milliarden ist so unermesslich hoch, dass keine Chance besteht, die in den Staatskassen aufgerissenen Milliardenlöcher je durch ordentliche Staatseinnahmen abstottern zu können.

Entschuldung durch Geldentwertung

Nur absichtliche Geldentwertung, gezielt herbeigeführte Inflation kann die Staatskassen entlasten – dies allerdings auf Kosten des Mittelstands, auf Kosten der Sparer, auf Kosten der Soliden im Staat, nicht auf Kosten derer, die den skandalösen Schlamassel angerichtet haben.

Die «Fachleute», die in den letzten Monaten all die desaströsen Entwicklungen auf den Finanzplätzen notorisch und unisono beschönigt haben, wiegeln ab: Die Inflation sei im Griff. Es sei nichts zu befürchten. Höchstens ein paar mickrige Prozente im Jahr…

Ein paar mickrige Prozente

Nehmen wir an, wir müssten für die kommenden zehn Jahre mit einer konstanten Inflation von jährlich «bloss» drei Prozent rechnen. Das ergäbe – nach Adam Riese – eine Geldentwertung von immerhin über dreissig Prozent innerhalb eines Jahrzehnts. Dreissig Prozent: Bloss eine vernachlässigbare, mickrige Geldentwertung?

Würde gleichzeitig die Wirtschaft und damit das persönliche Einkommen in mindestens gleichem Umfang wachsen, dann wäre die Entwicklung allenfalls erträglich. Aber die Wirtschaft stagniert, das Wachstum ist bös eingebrochen, die Löhne sinken, die Arbeitslosigkeit steigt. Es ist keineswegs undenkbar, dass uns, dass dem Mittelstand, dass der Wirtschaft eine längere Periode anhaltender Wachstumsschwäche, anhaltender Rezession bevorsteht – bei gleichzeitig «geringfügiger Inflation». Resultiert aus dem Wachstumseinbruch ein Rückgang der Einkommen von jährlich auch «nur» zwei Prozent: Was bedeutet das in zehn Jahren – bei anhaltender angeblich «mickriger» Geldentwertung zwecks Beseitigung staatlicher Schulden im Ausmass von jährlich drei Prozent? Das bedeutet eine persönliche Vermögens- und Einkommenseinbusse, die weiss Gott spürbar ist: Sie erreicht eine erschreckende Grössenordnung von über fünfzig Prozent – und dies in nur zehn Jahren!

Doch die notorischen Vielschwätzer von der Spekulationsfront reden uns ein, die Inflation sei vernachlässigbar. Man werde sie kaum spüren...

Ulrich Schlüer


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