Über Wirtschaftskompetenz und Eigennutz

Der Staat als Retter von Grossbanken
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 20. Februar 2009

Wer für Wirtschaftsfreiheit als Fundament von Freiheit und Wohlstand eintritt, kann sich nicht zum Anwalt staatlicher Lohnkontrolle mausern.

Mit diesem Bekenntnis allein ist das Kapitel «Der Staat und die UBS» allerdings nicht abhakbar.

Versager-Kartell

Denn Tatsache ist: Die UBS wurde nicht durch höhere Gewalt, als Folge einer von Menschen nicht beeinflussbaren Naturkatastrophe in den Abgrund gerissen. Das UBS-Desaster ist Resultat des Versagens von Wirtschafts- und Finanzkoryphäen. UBS-Konzernleitung und UBS-Verwaltungsrat stehen dabei an der Spitze der Versager.

Mit Sicherheit kann heute auch gesagt werden: Wären Bund und Nationalbank der UBS nicht mit rund siebzig Milliarden Steuergeldern und Währungsreserven zu Hilfe gekommen, hätte die UBS das gleiche Schicksal ereilt wie Lehman Brothers: Die Pleite. Die Verantwortlichen des Desasters stehen gegenüber der Öffentlichkeit, deren Gelder sie vor dem Ruin bewahrt haben, in der Schuld.

Egoistisches Fordern

Dieser Schuld wird kaum gerecht, wer unter herablassender Beanspruchung von Wirtschaftskompetenz nach völliger Freiheit ruft bezüglich der Lohnzumessung ausgerechnet für jene, die am Desaster schuldig und mitschuldig sind. Der Anspruch auf Wirtschaftskompetenz verfängt um so weniger, als ausgerechnet dann, als Bund und Nationalbank mit siebzig Milliarden die UBS vor dem Zusammenbruch zu retten hatten, das Wort «Wirtschaftsfreiheit» sorgfältigst aus jeder Diskussion ausgeklammert worden ist. Womit verdrängt wurde, dass auch der Konkurs ein Element der freien Wirtschaft ist – als Mittel zur Ausmerzung der Untüchtigen. Wenn sich heute Schuldige des Desasters, unterstützt von sich ihrer Wirtschaftskompetenz rühmenden Anwälten in der Politik, aus dem vom Staat geflossenen Notgeld zuallererst einmal die eigene Lohntüte prall zu füllen trachten, dann zeigen diese bloss, dass ihr Bewusstsein, aus eigener Einsicht – also ohne Staatszwang – Hauptverantwortung für das von ihnen angerichtete Desaster zu übernehmen, noch reichlich unterentwickelt ist.

Zurück zum Vertrauen …

Noch einmal: Wer für Wirtschaftsfreiheit als tragendem Pfeiler von Freiheit und Wohlstand eintritt, kann nicht staatliche Lohnkontrolle fordern. Aber er darf erwarten, dass die Schuldigen und Mitschuldigen am angerichteten Desaster, an dessen Folgen die gesamte Öffentlichkeit möglicherweise jahrelang zu tragen hat, durchaus selber auf die Idee kommen dürften, sich freiwillig mit deutlich weniger als dem bisher als Lohn und Bonus Abgeschöpften zufrieden zu geben. Also zu erklären, sie seien, zumindest solange ihr Konzern fürs Überleben auf Staatskrücken angewiesen ist, bereit, nicht mehr Lohn zu beanspruchen, als er höheren und hohen (bekanntlich auch nicht am Hungertuch nagenden) Staatsangestellten zukommt. Fänden die Desaster-Verantwortlichen zu solcher Grösse, so wäre ihnen grosser Respekt seitens weiter Kreise der Öffentlichkeit sicher. Und – einzelne Wirtschaftskoryphäen vermögen vielleicht gar diesen Zusammenhang zu würdigen – dieser Respekt könnte sich alsbald auswirken auf wieder wachsendes Vertrauen zum Finanzplatz und seinen Exponenten.

… oder weitere Boni-Hatz

Solange sichtbare Reue, sichtbare Übernahme von Verantwortung seitens der Verursacher des Finanzplatz-Desasters nicht öffentlich erkennbar wird, wird die von Ringiers Boulevardmedien tüchtig angeheizte Hatz auf die Boni-Empfänger kaum nachlassen. Und jenen, die hierzulande Wirtschaftskompetenz für sich in Anspruch nehmen, dürfte vielleicht mit der Zeit sogar auffallen, dass die Hatz auf Boni-Empfänger vor allem deshalb weiter angeheizt wird, weil sich Hass auf Boni-Empfänger trefflich auf das Mühlrad jener lenken lässt, welche nach noch viel einschneidenderer Reglementierung und Korsettierung der freien Wirtschaft trachten, als (freiwillige oder erzwungene) Lohndisziplin je bewirken würde. Wer also der weit verbreiteten Erwartung auf Zeichen sichtbarer Reue der Desaster-Verursacher in Form deutlich gedrosselter Lohnansprüche nur mit herrisch behaupteter Wirtschaftskompetenz glaubt begegnen zu müssen, dürfte der Wirtschaft weit höheren Schaden zufügen als dies der Ruf nach mehr Lohndisziplin je kann.

Auch solche, die sich besondere Wirtschaftskompetenz zusprechen, übersehen offenbar, dass sich Wirtschaftkompetenz in allzu dreist geltend gemachtem Eigennutz mitunter auch selbst ertränken kann.

Ulrich Schlüer


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