Schweiz ohne Fürsprecher


Minarettverbot wird hintertrieben

Frontseiten-Kommentar für die "Spalte rechts" in der "Schweizerzeit" vom 24. September 2010

Nach der Annahme der Minarettverbots-Initiative durch Volk und Stände im November 2009 haben einzelne Muslime, gewisse islamische Organisationen vertretend, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg Klage eingereicht gegen die Schweiz. Danach wurden Bundesrat und Bundesgericht aufgefordert, zu diesen Klagen und ihrer Berechtigung Stellung zu nehmen.

Die Stellungnahme des Bundesrats – verfasst vom Departement von Eveline Widmer-Schlumpf – liegt jetzt vor. Sie muss jeden, der noch an Demokratie glaubt, zutiefst beunruhigen. Zwar zieht der Bundesrat die Berechtigung der eingegangenen Klagen schon in Zweifel. Aber nur, weil seit der Abstimmung noch gar kein Baugesuch für ein weiteres Minarett eingegangen sei, womit auch niemand von einem negativen Entscheid betroffen sein könne. So äussert sich Bern – geschrieben vor dem Langenthaler Minarett-Entscheid.

Weit beunruhigender sind im zweiten Teil die offiziellen bundesrätlichen Ausführungen zum Verhältnis zwischen schweizerischem und fremdem Recht. Die Initiative habe, sagt der Bundesrat, gültig erklärt werden müssen, weil sie zwingendem Völkerrecht nicht widerspreche. Mit keinem Wort stellt der Bundesrat aber auch fest, dass jeder Entscheid des Schweizervolks zu einer gültig erklärten Volksinitiative ohne jeden Vorbehalt verbindlich sei und umgesetzt werden müsse. Den Begriff «Volkssouveränität» scheint Frau Widmer-Schlumpf vergessen zu haben. Sie betont in der bundesrätlichen Antwort bloss, dass die Landesregierung die Ablehnung der Initiative empfohlen habe. Als ob die Regierungsempfehlung, nicht der Volksentscheid verbindlich wäre.

Dann folgt der Tiefschlag an die Adresse des Souveräns: Klar sei, dass das Bundesgericht Bestimmungen aus der Menschenrechts-Konvention des Europarats generell höher werte als schweizerische Gesetze. Daraus könne, sagt das Departement von Frau Widmer-Schlumpf, wohl abgeleitet werden, dass sich schweizerisches Verfassungsrecht dieser Konvention – also nicht bloss zwingendem Völkerrecht – unterzuordnen habe. Dies werde allerdings, fährt das bundesrätliche Schreiben fort, «kontrovers beurteilt», weshalb Bern eigentlich daran interessiert sei, zu dieser Frage auch eine Meinung – oder eine Weisung? – von der europäischen Ebene zu erhalten…

Das ist nichts anderes als Preisgabe aller Souveränität. Das ist Demokratie-Verrat. Armes Schweizervolk! Kein Bundesrat verteidigt noch die dem Volk in der Verfassung verbrieften demokratischen Rechte. Unabhängigkeit und Selbstbestimmung sind für «unseren» Bundesrat zu Ausverkaufs-Artikeln geworden.

Ulrich Schlüer


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