Verrats-Kultur


Das Parlament, der Bundesrat und der EU-Beitritt

Frontseiten-Kommentar für die "Spalte rechts" in der "Schweizerzeit" vom 10. September 2010

FDP und SP finden sich zum Wahlkartell: Gemeinsam wollen sie durchsetzen, dass am 22. September das gravierende Missverhältnis zwischen EU-Befürwortern und EU-Gegnern im Bundesrat erhalten bleibt, ja zementiert wird. Die CVP signalisiert Mitmachen. Es geht also, Konkordanz hin oder her, einzig darum, der EU-skeptischen SVP einmal mehr den ihr gebührenden Anteil an der Landesregierung zu versperren. So wurde das Planspiel für den 22. September abgekartet. Die Medien sind mit von der Partie. Sie inszenieren jetzt unterhaltsame Spielchen für oder gegen einzelne Kandidaten, blasen die Frage nach deren Vermögens-Offenlegung zum Politikum auf, grübeln öffentlich darüber nach, ob sich fünf Frauen untereinander vertragen würden.

Alles Nichtswürdigkeiten! Vorgebracht mit dem Ziel, der wichtigsten politischen Frage von heute auszuweichen: Soll die Schweiz frei, unabhängig und selbständig auch gegenüber der EU bleiben – oder ist die Stunde der Unterordnung unter Brüssel gekommen? Die Landesregierung hat den EU-Beitritt längst zu ihrem «strategischen Ziel», zum all ihr Handeln dominierenden Leitstern erklärt. Weil ihr dabei nebst dem Volk auch die SVP die Gefolgschaft verweigert, verbietet dieser das Berner Pro-EU-Kartell angemessenen Anteil an der Regierung. Denn die Regierung will sich bei der Umsetzung ihrer neuen, ihrer «Arbeitsgruppen-Taktik» von niemandem dreinreden lassen. Weil das Volk vom EU-Beitritt nichts wissen will, sollen bundesrätliche «Arbeitsgruppen» jetzt die «Beschleunigung und Erleichterung der institutionellen Zusammenarbeit mit Brüssel» studieren, planen, vorschlagen.

Welch raffiniert umschriebene Tarnung der eigentlichen Absicht: Wer die «institutionelle Zusammenarbeit mit Brüssel» beschleunigen will, muss die Regeln schweizerischer Demokratie ausschalten, die demokratische Entscheidung des Volkes verhindern. Die Umgehung der Demokratie: Das ist die wahre Absicht hinter der bundesrätlichen «Arbeitsgruppen-Taktik». Spektakuläre Neuerung dabei: Selbst EU-Funktionäre aus Brüssel bestimmen mit in diesen «Arbeitsgruppen». Nur den Schweizer EU-Skeptikern bleiben sie gemäss Bundesrats-Entscheid verschlossen.

Das Finale zwischen Bern und Brüssel scheint sich anzukündigen: Erreichen kann der Bundesrat sein «strategisches Ziel» nur unter Umgehung der Demokratie. Unabhängigkeit, Freiheit, Selbständigkeit, Neutralität? Dazu leiern Bundesräte allenfalls noch Eidesformeln herunter. In Wahrheit sind sie auf der Suche nach dem Gegenteil. Die Verrats-Kultur hat sich eingenistet zu Bern.

Ulrich Schlüer


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