"Migrationsaussenpolitik"


Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 26. August 2011

Ein neuer Zweig internationaler humanitärer Aktivität
"Migrationsaussenpolitik"

von Nationalrat Ulrich Schlüer, Chefredaktor "Schweizerzeit"

Migrationsaussenpolitik: Was für ein vollmundiger, vieldeutiger Begriff. Im Zusammenhang mit einem neuen Rahmenkredit unterstreicht das Departement Calmy-Rey seinen Willen, im Rahmen humanitärer Anstrengungen künftig auch aktiv zu werden mittels gezielter Migrationsaussenpolitik.

Migrationsaussenpolitik soll gar zu einem Schwerpunkt humanitärer Aussenpolitik der Schweiz werden. Ist auch erst vage bekannt, was genau im Rahmen solcher Migrationsaussenpolitik realisiert werden soll, so hat das Departement Calmy-Rey doch schon einmal fünfzig Millionen Franken dafür vorgesehen. Diese Gelder sollen insbesondere in Nordafrika und in Nahost-Ländern eingesetzt werden, sozusagen als Schweizer Beitrag zum «Arabischen Frühling». Was genau an Projekten angepackt wird, ist noch nicht ersichtlich, aber für aussenpolitische Programme werden – in krassem Gegensatz beispielsweise zu Armee-Bedürfnissen – von Bundesrat und Parlamentsmehrheit auch dann schon pauschal Millionen gesprochen, wenn der Verwendungszweck erst in Form vager Träume hoch oben in den Sternen flimmert…

Verwendung unklar
Man möchte, sagt Bern, mit noch zu konkretisierenden Projekten erreichen, dass diejenigen, die heute in Nordafrika an Auswanderung nach Europa dächten, doch noch im eigenen Land zurückgehalten werden könnten. Dieses Ziel klingt auf den ersten Blick plausibel, zumal – so möchte man meinen – mit den arabischen Diktatoren und Unterdrückern eigentlich auch alle ernstzunehmenden Fluchtgründe verschwunden sind.

Der Schwachpunkt
Damit wird bereits der grosse Schwachpunkt dieser Migrationsaussenpolitik aufgezeigt: Die allermeisten Nordafrikaner, die sich für Tausende von Dollar einem Schlepper unterwerfen, auf dass er sie in das von Milch und Honig überfliessende Europa bringen solle, sind gar nicht auf der Flucht; sie sind weder bedrängt noch bedroht. Sie wollen, statt mühsame Aufbauarbeit fürs eigene Land zu leisten, lieber von den Honigtöpfen in Form komfortabler Sozialapparate irgendwo in Westeuropa profitieren – am liebsten von schweizerischen, solchen aus dem gemäss «afrikanischem Buschtelefon» freigiebigsten Land gegenüber illegalen Einwanderern.

Erwartungen und Prognosen
Das Departement Calmy-Rey, zuständig für die Migrationsaussenpolitik, beteuert voller Eifer, man werde selbstverständlich ein «effizientes Controlling» einrichten, das durch präzise Überprüfung aller bewilligten Projekte die «Erfolgskontrolle» der Migrationsaussenpolitik gewährleisten werde. Ihre – noch nicht identifizierten – Projekte würden Menschen, die zumindest teilweise «fluchtbereit» seien, von der Emigration zweifelsfrei abhalten. Das werde mittels den von ihrem Departement eingeleiteten Controlling sichergestellt.

Man kann sich heute lebhaft vorstellen, was dereinst in solchen Controlling-Berichten zu lesen sein wird: Man habe, wird es da heissen, Flüchtlingsströme zwar «nicht vollständig unterbinden» können; gäbe es diese Migrationsaussenpolitik mit all ihren illustren Projekten indessen nicht, wäre der Strom der Migranten nach Europa zweifelsfrei noch «viel grösser». Man müsse, auf dass die Migrationsaussenpolitik «noch wirksamer» entfaltet werden könne, in erster Linie die dafür gesprochenen Mittel markant erhöhen, mindestens verdoppeln – dann würde Europa «möglicherweise etwas spüren» von der ganzheitlich anzupackenden Migrations-Abhaltepolitik im Rahmen der Migrationsaussenpolitik…

So argumentieren Bundes-Controller, wenn sie sündenteure Wirkungslosigkeit mit geschwollenen Worten zu kaschieren trachten.

Gegenantrag
In der Kommissionsdebatte über die neue Migrationsaussenpolitik wurde zum vorgesehenen Controlling ein Gegenantrag gestellt: Wenn aus Ländern, die in den Genuss von Projekten schweizerischer Migrationsaussenpolitik kommen, auch in Zukunft illegale Einwanderer in die Schweiz gelangen und hier massive Kosten verursachen, dann müssten diese Kosten den für die Migrationsaussenpolitik reservierten finanziellen Mitteln belastet werden.

Das wäre echte Erfolgskontrolle: Ist die Migrationsaussenpolitik erfolgreich, kann sie also tatsächlich Ströme illegaler Einwanderung in die Schweiz unterbinden, dann würden den Funktionären der Migrationsaussenpolitik markant mehr Mittel für ihre Projekte zufliessen. Ist die Migrationsaussenpolitik aber wirkungslos, weil weiterhin Tausende illegaler Einwanderer aus von der Migrationsaussenpolitik der Schweiz profitierenden Ländern in unser Land gelangen, dann würden die Mittel für die Migrationsaussenpolitik rasch zusammenschmelzen, weil die hier für die illegalen Einwanderer verursachten Kosten der Migrationsaussenpolitik belastet werden.

Zwei Fässer ohne Boden
Dieser SVP-Antrag löste helle Entrüstung aus: Unmöglich, unmenschlich, typisch SVP, unsinnig, von tiefstem Unverständnis für «globale Zusammenhänge» zeugend sei dieser Antrag, so fielen die Sprecherinnen und Sprecher sämtlicher Parteien von der Mitte bis ganz nach links über die Antragssteller her. Mit demonstrativer Entrüstung schmetterten sie den SVP-Antrag geschlossen ab.
Die Mittel für Migrationsaussenpolitik-Projekte, deren Aussehen noch niemand kennt, wurden entsprechend bereitwillig gesprochen.

Damit werden Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezüglich Einwanderungs-Tatbeständen für zwei Fässer ohne Boden geschröpft. Weiterhin für die Unsummen, welche für hinter Bürokratie-Kaskaden getarnte Unfähigkeit, Tatenlosigkeit und politische Dienstverweigerung bezüglich überfälliger Ausweisung illegaler Einwanderer anfallen – zusätzlich jetzt auch noch für wirkungslose Migrationsaussenpolitik.

So geht Bern mit dem Geld der Bürger um just zu dem Zeitpunkt, da der als Folge der Schwindsucht von Euro und Dollar erstarkende Franken dringendst nach Entlastung aller Leistungsträger in unserem Lande ruft.

Ulrich Schlüer, Nationalrat


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