Handeln - nicht lamentieren

Deutschland verweigert Vertrags-Ratifizierung

"Spalte rechts"
Kommentar des Chefredaktors

Deutschland hat zwei zuvor von beiden Verhandlungspartnern als «gleichgewichtig» unterzeichnete Staatsverträge grossmäulig bachab geschickt: Das Steuerabkommen, gemäss welchem die Schweiz Deutschland jährlich einen wohl zweistelligen Milliardenbetrag überwiesen hätte. Und das Luftverkehrsabkommen, das den Fluglärm wenigstens teilweise von den dichtbesiedelten Schweizer Wohngebieten hätte wegbringen sollen. Das mutwillige deutsche Nein zum bereits unterzeichneten Vertrag diskriminiert Zürich-Kloten gegenüber sämtlichen EU-Flughäfen massiv.

Lamentieren bringt nichts. Handeln ist angesagt. Wenn Deutschland Zürich-Kloten diskriminiert, besteht für die Schweiz keinerlei Grund mehr, den Warentransport durch die Schweiz auf EU-Lastern weiterhin massiv zu subventionieren: Die Anhebung der Schwerverkehrsabgabe von heute 325 Franken auf endlich kostendeckende 600 Franken für EU-Laster ist also nichts weniger als angebracht.

Wenn Deutschland den Luftverkehr über die Grenze kontingentiert, dann soll die Schweiz auch den Strassenverkehr – täglich passieren 80‘000 Grenzgänger-Fahrzeuge zweimal unsere Nordgrenze – kontingentieren. Auf etwa die Hälfte der heutigen Passagen. Mehr Lärm, mehr Abgase sind Schweizer Dörfern längs der Landesgrenze nicht zuzumuten. Die Alternative «öffentlicher Verkehr», wenn auch mühsamer zu benutzen, existiert ja.

Die Schweiz ist, weil sie freiwillig zwecks Rettung des marktuntauglichen Euro über 250 Milliarden davon gekauft und zu nicht unbedeutendem Teil in deutschen Staatspapieren angelegt hat, heute der wichtigste Gläubiger unseres nördlichen Nachbarn. Das eröffnet Möglichkeiten: Wenn Grossmäuler vom Schlag des Kanzlerkanditaten Steinbrück mit der Kavallerie oder des früheren SPD-Chefs Müntefering mit der Armee drohen, müsste die Schweiz, wichtigster Gläubiger-Staat, zu Berlin vor Abenteuer-Politik nachdrücklich warnen und für den Gläubiger Mitspracherecht in Verteidigungsfragen verlangen. Das würde Deutschland zwar empören – aber es würde der deutschen Öffentlichkeit plakativ klarmachen, in welchem Ausmass die Schweiz als konstruktive Nachbarin zum Wohlergehen des hochverschuldeten Deutschland beiträgt.

Bern sollte diese drei Massnahmen vorerst ankündigen. Dazu auch Fristen setzen. Nicht unwahrscheinlich, dass dies zu Berlin vernünftigem Handeln anstelle des heutigen verbalen Dreinschlagens wieder zum Durchbruch verhülfe.

Ulrich Schlüer


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