Meute

Wenn eine Grossbank mit Sitz in der Schweiz – ohne Gerichtsverfahren – wegen ihr vorgeworfener Geschäftstätigkeit in Iran mit einer Milliardenbusse, zu leisten an die USA, belegt wird, wenn zudem einem mittleren Schweizer Betrieb die Schliessung seiner USA-Niederlassung angedroht wird, falls er ein bestimmtes Ersatzteil in den Iran liefert, dann sind das für am Verhältnis der Schweiz zur Welt interessierte Politiker gewiss Gründe, sich um ein eigenständiges, durch politische Gespräche angereichertes Bild der Lage in Iran zu bemühen.

Die «Schweizerzeit» – eine Zeitung, die bekanntlich auch Brennpunkte des Weltgeschehens kompetent auszuleuchten versucht – hat die Iran-Reise von sechs SVP-Politiker organisiert. Wenn der Linkssozialist Carlo Sommaruga, Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, ein solches Vorhaben von einer ihm vorbehaltenen Bewilligung abhängig machen will, dann scheint er seine Position mit der des Chefs eines Politbüros in einem inzwischen untergegangenen Reich seiner Genossen zu verwechseln. Und wenn der Präsident der ständerätlichen Schwesterkommission, Felix Gutzwiller, bedauert, die Reisenden nicht rügen zu können, dann scheint er mit solcher, die Meinungs- und Pressefreiheit tangierender Allüre doch noch nicht ganz im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen zu sein.

Sowohl bezüglich Neutralität der Schweiz als auch in Diskussionen über Investitionsmöglichkeiten in Iran dürften die Teilnehmer an der privaten Reise die Position der Schweiz vermutlich nachdrücklicher vertreten haben als die beiden von oben herab argumentierenden Kritiker – selbst wenn die SVP-Vertreter die zwar oft geäusserten, aber weiterhin unausgegorenen Ideen neuerdings zu verfolgender «aktiver Neutralitätspolitik» nicht teilen, weil sie die Schweiz bisher bloss zum Neidobjekt mit verwässerten Prinzipien degradierte.

Was allerdings die Anheizer einer aller nüchternen Beurteilungskraft entbehrenden Medienkampagne, über ihre eigenen Vorurteile gegenüber SVP-Politiker stolpernd, zu dieser Reise an Unsinn in die Welt gesetzt haben, lässt am journalistischen Qualitätsanspruch ihrer Urheber doch erhebliche Zweifel aufkommen. Dass das von A bis Z erfundene Gefasel des Islamischen Zentralrats, die SVP-Politiker seien einer Unterwerfungsgeste in Form einer Fingerabdruck-Prozedur unterworfen worden, bedenkenlos von Dutzenden Journalisten – ihre Rechechier-Unlust allenfalls hinter einem Fragezeichen tarnend – weiterverbreitet wurde, markiert zweifellos einen Tiefpunkt verantwortlichen Journalismus‘ in unserem Land. Gleiches gilt zum angeblichen Landesfähnchen-Affront. Und erst recht zum opulent breitgeschlagenen Krawatten-Drama.

Für die Betroffenen besonders aufschlussreich: Sobald irgendein Medienschaffender irgendeine neue Unterstellung erfunden zu haben glaubte, so fielen innert einer Stunde so um die fünfundzwanzig Journalisten per SMS mit der genau gleichen Unterstellung über die Reisenden her. In der Meute lässt sich Unfähigkeit zu eigenständigem Denken offenbar besser verstecken. Die Journalisten, die wenigstens ansatzweise zu selbständigen Überlegungen fähig schienen, liessen sich jedenfalls an einer einzigen Hand abzählen.

Die Jagd nach dem vermuteten Knüller verdrängte allen gesunden Menschenverstand – von der Wahrheit ganz zu schweigen.

Ulrich Schlüer


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