Moral und Unmoral

AKZENT

Ist es vermessen, die Genfer Konventionen als bedeutende Errungenschaft in der Geschichte der Menschheit anzuerkennen?

Mit den Genfer Konventionen konnte Krieg erstmals ungezügelter Barbarei entrissen werden: Den darin vereinbarten Massnahmen zu elementarem Schutz der Zivilbevölkerung, die darin versprochene Abkehr von schrankenloser Grausamkeit – kein Staat wagt es heute, sich über die in den Genfer Konventionen niedergelegten Grundsätze offen hinwegzusetzen – auch wenn Krieg nach wie vor von Grausamkeit mitgeprägtes Geschehen bleibt.

In den Genfer Konventionen ist auch die Verpflichtung verankert, Flüchtlingen weltweit Schutz und Aufnahme zu gewähren.

Jenen, die diese Verpflichtung durchsetzten, war von Anfang an bewusst: Sie greift nur, wenn sie vor Missbrauch geschützt werden kann. Aus dieser Überzeugung wuchs die bis heute weltweit gültige Definition des Flüchtlings: Anspruch auf unbedingten Schutz hat, wer «persönlich an Leib und Leben bedroht» ist.

Nicht, wer das Leben in anderem Weltteil den in seinem Land herrschenden Zuständen vorzieht. Nicht, wer lieber auf Kosten anderer als aus eigener Hände Arbeit leben möchte.

Heute aber wird «Willkommenskultur» ausgerufen: Jeder, der behauptet Flüchtling zu sein, möge kommen – selbst mit gefälschtem, gekauftem oder gestohlenem Pass. Unsere Bundespräsidentin verspricht, keinen in ein Land zurückzuweisen, wo nicht lupenrein demokratische Verhältnisse vorherrschen.

Wird, wer derart fahrlässig Gemeinplätze in die Welt posaunt, nicht zum Zerstörer des in den Genfer Konventionen so sorgfältig definierten Asylrechts – eines Eckpfeilers dieser Konventionen?

Wem es an Autorität fehlt, Scharlatane, Profiteure, allenfalls gar Kriminelle von echt Bedrohten zu trennen und zurückzuweisen, ist nicht nur Versager. Er wird – gewollt oder ungewollt – zum Zudiener verbrecherischer Schlepper. Weil er den Schleppern das «Verkaufsargument» in die Hände spielt, sie würden schliesslich jeden nach Europa bringen, der sie dafür ausreichend bezahle.

Wer das Schleppergeschäft auf Kosten der Prinzipien in den Genfer Konventionen begünstigt, handelt – ob Sommaruga, Merkel, Juncker oder Schulz – alles andere als moralisch. Er hilft Verbrechern. Er mag noch so wortreich zur Schlepperjagd aufrufen – solange er dem Schlepper-Geschäftsmodell zudient, begünstigt er Verbrecher.

Wer die Schlepper erledigen will, muss ihr Geschäftsmodell zerstören. Wer immer aus Seenot, aus Booten, von Stränden aufgenommen wird, ist flugs auf afrikanischen Boden zurückzuführen. Dort, in gesicherten Aufnahmezentren des Uno-Flüchtlingswerks UNHCR – das die Schweiz namhaft mitfinanziert – ist abzuklären, wer bedroht ist und wer nur besseres Leben sucht.

Den Bedrohten mag Europa offenstehen. Alle andern sollen mit ihren Kräften in ihren eigenen Ländern dazu beitragen, dass auch dort endlich Entwicklung stattfindet.

Wer solches durchsetzt, muss wohl oberflächlichem Medienapplaus entsagen. Aber er würde nicht nur Bedrohten helfen, er würde auch einer der wegweisenden Errungenschaften der Menschheit, den Genfer Konventionen, die Wirkungskraft erhalten.

us


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