Visums-Freiheit für türkische Staatsbürger

Die Schweiz ist mitbetroffen!

Bundeskanzlerin Angela Merkel bemüht sich seit Wochen um einen «Flüchtlings-Deal» mit der Türkei.

Von Ulrich Schlüer, Flaach ZH
(publiziert in der Zürcher Woche)


Die Türkei solle die stattfindende Völkerwanderung nach Europa kanalisieren und deutlich verringern. Dafür werden der türkischen Regierung grosse Geldmittel in Aussicht gestellt. Ausserdem würde türkischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern Visums-Freiheit eingeräumt. So verspricht es die deutsche Bundeskanzlerin unermüdlich.

Schengen-Visa

Sie, die deutsche Bundeskanzlerin, verspricht Geld und Visums-Freiheit keineswegs für Deutschland allein, obwohl die allein von Bundeskanzlerin Merkel ausgerufene «Willkommenskultur» die Völkerwanderung nach Europa erst so richtig entfesselt hat. Nein, was Frau Merkel verspricht, hat ganz Europa zu tragen. Visums-Freiheit für Türken heisst keineswegs Visums-Freiheit nur für Deutschland. Weil Deutschland für die Visa-Erteilung gar nicht zuständig ist.

In EU-Europa gibt es nur noch das Schengen-Visum. Visums-Freiheit bietet also allen Türken hindernisfreien Eintritt in die ganze EU. Und noch in einige Staaten dazu. Das Schengen-Visum gestattet auch kontrollfreien Eintritt in die Schweiz. Denn die Schweiz hat sich mit Unterzeichnung des Schengen-Vertrags – Teil der bilateralen Verträge zwischen Bern und Brüssel – der in der EU geltenden Visums-Ordnung vorbehaltlos unterworfen. Die Schweiz hat, seit sie bei Schengen dabei ist, nichts mehr zu sagen zur Visums-Ordnung. Diese regelt – aktuell unter dem Diktat Deutschlands – heute allein die EU. Was Angela Merkel mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan aushandelt, gilt auch für die Schweiz. Nur hat die Schweiz dazu nichts zu sagen. Sie hat nur alles zu schlucken, was im Merkel-Erdoğan-Deal vereinbart wird. Denn gegenüber Schengen-Recht hat sich die Schweiz zur «automatischen Rechtsübernahme» vertraglich verpflichtet. Der Bundesrat sagt diesem Vorgang – weil das ein bisschen besser töne – «dynamische Rechtsanwendung». Es bedeutet aber das gleiche: Die Schweiz muss vorbehaltlos akzeptieren, was Brüssel verfügt. Und Brüssel frisst aus, was Frau Merkel durch Ausrufung der «Willkommenskultur» angerichtet hat.

Rahmenvertrag

Gleichzeitig verhandelt Bern mit Brüssel über einen «Rahmenvertrag». Dieser Rahmenvertrag soll die Schweiz verpflichten, alles allein in Brüssel beschlossene Folgerecht zu Sachbereichen, die in heutigen und künftigen bilateralen Verträgen angesprochen werden, vorbehaltlos – ohne jede eigene Beschlussfassung – und automatisch zu übernehmen. Kommt es dabei zu Meinungsverschiedenheiten, muss sich die Schweiz – so will es der Bundesrat gemäss Rahmenvertrag – dem Entscheid des EU-Gerichtshofs ohne Wenn und Aber unterziehen. Fremde Richter auferlegen der Schweiz dann fremdes Recht. Pariert sie nicht, muss sie seitens der EU Sanktionen, also Strafmassnahmen akzeptieren.

Kommt dieser «Rahmenvertrag» zustande, dann verspielt die Schweiz ihre Selbstbestimmung und ihre Unabhängigkeit. Die Visums-Freiheit für alle türkischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, welche die EU der Schweiz aufzwingt, liefert den Vorgeschmack dafür, was der Schweiz mit dem Rahmenvertrag zugemutet wird. Der Rahmenvertrag ist in Wahrheit ein Unterwerfungsvertrag.

Ulrich Schlüer


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