Die Schweiz - Alternativmodell in Europa?

Im Kampf für Unabhängigkeit und Demokratie
Vortrag, gehalten am 10. Dezember 2006 anlässlich der "Bogenhauser Gespräche" der Burschenschaft "Danubia" in München

Die Geschichte ist zwar nicht ganz neu, illustriert das Verhältnis zwischen der Schweiz und Europa sowie auch zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten aber recht anschaulich:

Auf einem seiner Arbeitsbesuche traf der Schweizerische Bundespräsident mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Unter vier Augen diskutierten sie beiderseitig interessierende Probleme und die Weltlage. Da mischt sich überraschend der liebe Gott in die angeregte Zweisamkeit und anerbot den beiden Persönlichkeiten, ihnen je eine sie bedrängende Frage zu beantworten. Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, ob der Bürde all der ihr überantworteten ungelösten Probleme etwas bedrückt, fragte unverzüglich: "Herr, wann werden die Differenzen zwischen den alten und den neuen Bundesländern in Deutschland endlich überwunden sein?"

Gott antwortete, ein gewisses Mitleid mit der Fragestellerin anklingen lassend, wie folgt: "Mein liebes Kind - leider wird das nicht vor Ende Deiner Amtszeit geschehen."

Darauf stellte der Schweizer Bundespräsident seine Frage: "Sage mir, oh Herr, wann wird die Schweizerische Eidgenossenschaft der Europäischen Union beitreten?" Die Antwort des lieben Gottes fiel etwas kurz angebunden aus: "Dies wird nicht während meiner Amtszeit geschehen."

Der "Sonderfall Schweiz"

Nun, wenn selbst der liebe Gott die Sonderstellung der Schweiz in Europa als unüberwindbar einstuft, dann muss wohl etwas dran sein am durchaus häufig kritisierten, aber ebenso oft gelobten "Sonderfall Schweiz". Was ist es, das die Schweiz in Europa zum "Sonderfall" stempelt?

Einzigartig in Europa ist zweifellos die schweizerische Form der Demokratie: Die Tatsache also, dass die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht bloss in regelmässigen Abständen das Parlament neu bestellen sowie kantonale und lokale Behörden wählen können. Einzigartig ist, dass die Schweizer Stimmberechtigten zusätzlich auch zu allen wesentlichen Sachfragen im Staat das letzte Wort haben. Eine Änderung des Mehrwertsteuer-Satzes muss in der Schweiz obligatorisch einer Volksabstimmung unterstellt werden. Steuerordnung, Konjunkturpolitik, Währungsfragen, Sicherheitsfragen, Ausländerpolitik, Asylrecht, Einbürgerungsverfahren: Nichts davon kann in der Schweiz ohne Zustimmung einer Mehrheit sowohl des Volkes als zumeist auch der Kantone verändert werden.

EU-Beitritt: Der Souverän würde verlieren

Im Klartext heisst das: Wenn die Schweiz als Folge des EU-Beitritts Souveränität an Brüssel abzutreten hätte, dann fände die Souveränitäts-Übertragung nicht von der Regierung und ihrer Verwaltung zu Bern auf die EU-Kommission und deren Verwaltung zu Brüssel statt. Das Volk selbst, die Stimmbürger, jeder einzelne Bürger verlöre bei jeder Souveränitäts-Übertragung an Brüssel persönliche Kompetenzen, persönliche Einflussmöglichkeiten. Wenn als Folge des EU-Beitritts Brüssel zuständig würde für die Bestimmung des Mindeststeuersatzes der Mehrwertsteuer, dann verlöre der Schweizer Stimmbürger eine ihm bisher von der Verfassung garantierte Zuständigkeit. Nebenbei: Allein deshalb, weil die Stimmbürger in der Schweiz über den Mehrwertsteuer-Satz entscheiden, liegt der Schweizer Steuersatz heute ziemlich genau bei der Hälfte des in der EU verbindlichen Mehrwertsteuer-Mindestsatzes. Und weil die Schweiz tatsächlich souverän entscheiden kann über die Mehrwertsteuer, steht heute in der Schweiz sogar die Senkung des gegenüber der EU ohnehin tieferen Mehrwertsteuer-Satzes ernsthaft zur Diskussion: Weil sich die Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb noch etwas besser positionieren möchte. Als EU-Mitglied könnte die Schweiz eine solche Diskussion nicht einmal zulassen.

Wenn ausländische Minister gelegentlich erklären, innerhalb der EU würden zumindest in der Wirtschafts- und Währungspolitik etwa achtzig Prozent aller wesentlichen Entscheidungen in Brüssel und nicht mehr auf nationaler Ebene getroffen, dann läuten bei den Schweizer Stimmbürgern alle Alarmglocken. Weil solche Kompetenz-Verlagerung jeden einzelnen Stimmbürger in der Schweiz äusserst schmerzhaft treffen würde - nicht die Schweizer Landesregierung in Bern würde entmachtet. Wird aus andern Ländern zuvor in der Hauptstadt, also in Rom, in Paris, in Berlin, in Wien zentralisierte Machtbefugnis nach Brüssel verlagert, so ist es in der Schweiz der mitbestimmende Bürger, der Kompetenzen verliert, der neu von einer fernen, von ihm nicht mehr wirklich beeinflussbaren Funktionärs-Bürokratie dirigiert würde.

Die direkte Demokratie der Schweiz, die den Bürger in alle wichtigen Entscheidungen miteinbezieht, ist ganz einfach nicht kompatibel mit der EU-Mitgliedschaft. Kann der Bürger heute zu all jenen wichtigen Fragen, von denen das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes existentiell abhängig ist, sein Mitbestimmungsrecht uneingeschränkt wahrnehmen, so würde er insbesondere bezüglich der die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen festlegenden Entscheidungen nach einem EU-Beitritt der Schweiz nur noch fremdbestimmt: Unvorstellbar für Schweizer!

Wohlstand: Kein Geschenk des Himmels

Die Tatsache, dass die Schweiz ein reiches Land ist, dass die Schweiz einen Spitzenplatz einnimmt bezüglich internationaler Wettbewerbsfähigkeit, dass die Schweiz in Europa bezüglich Direktinvestitionen aus den USA mit sehr weitem Vorsprung an der Spitze liegt (die USA investieren in der Schweiz bedeutend mehr als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammengenommen), die Tatsache, dass das Nicht-EU-Land Schweiz mit Abstand bevorzugtester Standort von Europa-Sitzen amerikanischer Weltkonzerne ist, ist doch nicht einfach ein Geschenk des Himmels. Ihre Spitzenposition verdankt die Schweiz besonderen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entfaltung, die der Schweizer Souverän dem Land in zahlreichen Volksabstimmungen bewusst geschaffen und gesichert hat.

Die Schweiz bemüht sich dabei nicht um "gleichlange Spiesse" im Wirtschaftswettbewerb. Sie kämpft vielmehr dafür, dass ihre Spiesse länger sind, treffsicherer als die Spiesse anderer. Wem in aller Welt käme es denn auch nur im entferntesten in den Sinn, ausgerechnet im weitab von jedem Überseehafen gelegenen Binnenland Schweiz, in einem Land ohne Rohstoffe, in einem aufgrund der von der Natur diktierten Voraussetzungen verkehrstechnisch eher schwierig zu erschliessenden Land wirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, wenn die Schweiz nicht entscheidend bessere Rahmenbedingungen dafür anzubieten hätte als die Länder in ihrer Umgebung? Wäre die Schweiz gezwungen, lediglich gleich gute Bedingungen wie andere anzubieten, würde der Hauptteil der heute sich in der Schweiz entfaltenden Wirtschaftstätigkeit zweifellos an weit besser zugänglichen Standorten stattfinden, etwa im Rheinland oder in der Lombardei.

Es ist ein etwas zwielichtiger Zeuge, der angerufen werden kann, um diese Sonderstellung der Schweiz zu illustrieren. Friedrich Engels hatte, als er im Jahre 1847 die Schweiz bereiste, nur abschätzige Worte übrig für die rückständigen, halbwilden Schweizer, die, so war Engels überzeugt, auf ewig zu primitivem Berglerdasein in einer der unwirtlichsten Gegenden Europas verurteilt seien. Friedrich Engels, der im Schweizer eine Art verewigten Neandertaler sah, rechnete freilich nicht damit, dass selbst in unwirtlichen Bergen lebende Menschen im Existenzkampf Kräfte und Ideen entwickeln können, die ihnen zunächst das Überleben, dann unter Umständen aber auch weit mehr als bloss nacktes Überleben ermöglichten.

So setzte sich in der Schweiz im 19. Jahrhundert nach und nach die Überzeugung durch, dass wirtschaftliche Tätigkeit auch an vergleichsweise schwierig zu erreichendem Ort durchaus erfolgreich abgewickelt werden kann, wenn dafür massgeschneiderte Rahmenbedingungen entwickelt werden - beispielsweise das Bankgeheimnis, beispielsweise einen einzigartig flexiblen Arbeitsmarkt, tiefere Steuern, tiefere Zinsen als anderswo.

Als unveräusserlicher Grundsatz ist dem Schweizer in Fleisch und Blut übergegangen: Wer die Schweiz bezüglich wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zur Gleichschaltung mit allen andern zwingt, der zerstört ihre wirtschaftliche Spitzenstellung. So lange die Schweiz in voller Souveränität und Freiheit ihre Rahmenbedingungen für ihre wirtschaftliche Aktivität selber bestimmen kann, bleibt die Chance für die Schweiz intakt, eine wirtschaftliche Spitzenposition auch in der Welt von heute einzunehmen. Auch als Kleinstaat. Verliert sie aber ihre Souveränität, dann verliert sie auch diese Spitzenstellung.

Die Opposition des Volkes

Zwar ist es durchaus Tatsache, dass seit nunmehr zwanzig Jahren eine breite Mehrheit der Schweizer Polit-Elite - der Regierung, der Verwaltung, des Parlaments, der Funktionäre der grossen Arbeitgeber- (diese allerdings mit deutlich abnehmender Tendenz) sowie der Arbeitnehmerverbände - den Vollbeitritt zur EU anstrebt. Mit allen nur denkbaren Worthülsen - vom "strategischen Ziel" bis zum "in Ausführung begriffenen Projekt" - sprachen und sprechen sich Exponenten dieser Elite unablässig Mut zu, am "grossen Ziel EU-Beitritt" auch beharrlich festzuhalten.

Aber die schweizerische Elite hatte sich angesichts solcher Gelüste stets der Opposition des Volkes zu beugen. Das Volk, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, haben dem Drang der Polit-Elite nach Brüssel immer wieder den Riegel geschoben. Das Schweizervolk, verwurzelt in der direkten, dem Einzelnen einzigartige Mitbestimmung sichernden Demokratie, lässt sich offensichtlich nicht blenden vom Glanz vermeintlicher Grösse, welcher die politische Elite der Schweiz an der EU so ungemein fasziniert. Vor die grundlegende Entscheidung gestellt, Grösse oder Demokratie zu wählen, sprach sich das Volk - stets in Opposition zur Regierung in Bern - immer für die Demokratie aus - selbst wenn in Einzelfragen im Rahmen bilateraler Verträge mit der EU zuweilen gewisse Souveränitätseinbussen hingenommen werden. Es ist diese direkte Demokratie, die direkte Mitsprache des ganzen Volkes in allen wichtigen politischen Belangen, welche den EU-Beitritt der Schweiz bis heute verhindert hat.

Der Wille zum Kleinstaat

Damit kommen wir - nach der direkten Demokratie und den Pfeilern schweizerischen Wohlstands - zu einem dritten, für Nicht-Schweizer oft nicht leicht verständlichen Element des "Sonderfalls Schweiz".

Die Schweiz ist ein Kleinstaat. Die Schweiz ist bewusst ein Kleinstaat. Die Schweiz will - seit nunmehr bald fünfhundert Jahren - gar nichts anderes sein als ein Kleinstaat. Weil der Schweiz und den Schweizern aus der Geschichte der Eidgenossenschaft eine historische, aus zahllosen Wirren, inneren und äusseren Konflikten gereifte Erfahrung zuteil geworden ist, welche die aus vier Sprachgruppen zusammengesetzte Schweiz wie keine andere prägt: Die direkte Demokratie, die dem Volk das letzte Wort in allen wichtigen Entscheidungen garantiert, ist unvereinbar mit Grossmacht-Allüren, unvereinbar mit aktivistischer Aussenpolitik. Aktivistische Aussenpolitik spaltet unsere vier Sprachgruppen. Aussenpolitische Neutralität eint sie.

Auch bezüglich ihrer Aussenpolitik stehen die Schweizer also immer wieder vor der Frage: Grösse oder Demokratie. Mittun auf dem vermeintlich Glanz sichernden Parkett der Grossen - oder bewusste, bescheidene Zurückhaltung in internationalen Auseinandersetzungen. Vor allem in aussenpolitischen Belangen war die Entscheidung der Schweizer immer unzweideutig: Sie entschieden sich für die Demokratie, gegen die Grösse. Wohl wissend, dass der Kleinstaat dann, wenn er im Schlepptau von Grossen international auftrumpfen will, immer unter Druck, immer unter souveränitätsbedrohenden Zugzwang gerät, sobald krisenhafte Entwicklungen eintreten. Regelmässig wird dann unabhängige, freie Entscheidung durch irgend welche von Grossen diktierte Sachzwänge eingeengt oder gar verunmöglicht.

Als neutraler Kleinstaat kann sich die Schweiz in aller Freiheit eine Staatsform leisten, die den Charakter eines Mass-Anzuges hat. Wollte sie je zu den Grossen aufsteigen, müsste sie den Mass-Anzug einem Konfektionsanzug opfern, dessen Qualität und Ausgestaltung hauptsächlich von andern bestimmt würde.

Neutralität

Die Schweiz bekannte und bekennt sich zur immerwährenden bewaffneten Neutralität. Sie unterstreicht damit ihren Willen, unter keinen Umständen in internationale Konflikte hineingezogen zu werden.

Aus diesem Grund kennt die Schweiz auch keinen eigentlichen, ständigen Staatspräsidenten. Das Amt des Schweizer Bundespräsidenten wird vielmehr im Einjahres-Turnus jeweilen von einem der sieben unsere Regierung bildenden Bundesräte wahrgenommen. Ein einziges Amtsjahr - das hat die Erfahrung bewiesen - reicht nie aus, imperiales Gehabe irgend welcher Art zu entfalten. Genau so will es das Schweizer Volk haben: Jeder soll ein Jahr lang repräsentieren - keiner soll je allein regieren! Um des Zusammenhalts und um des Überlebens der freien, unabhängigen Schweiz willen zwingt das Volk die politischen Exponenten des Landes zu solcher, von den Betroffenen oft keineswegs geschätzter Selbstbeschränkung. Neutralität zwingt die Exponenten des Staates zum Stillesitzen. Niemand, der auf der Weltbühne mittun will, wählt freiwillig die Rolle des Stillsitzers. In der Schweiz ist es das Volk und die vom Volk bestimmte Verfassung, die nach Ruhm und Glanz dürstende Aussenpolitiker zum Stillesitzen zwingen.

Deutschlands Afghanistan-Abenteuer

Die konkreten Auswirkungen solch bewusster, vom Volk erzwungener aussenpolitischer Zurückhaltung möchte ich Ihnen an einem aktuellen Beispiel erläutern:

Die Nato hat bekanntlich Afghanistan zu ihrem Verantwortungsbereich geschlagen. In der Folge überraschte ein deutscher Verteidigungsminister die Öffentlichkeit mit dem Schlagwort, wonach Deutschland künftig "am Hindukusch verteidigt" werde. Frohgemut stellte sich die Bundeswehr zusammen mit vielen Armeen anderer Staaten dem neuen Interventionismus, etikettiert als "internationale Friedensförderung".

Man benötigt keinerlei prophetische Gabe, um die Behauptung zu wagen: Hätte das deutsche Volk über dieses mit erwähntem Regierungs-Slogan eingeläutete Afghanistan-Wagnis und die Deutschland dabei zugedachte Rolle entscheiden können, so stünde heute wohl kein Bundeswehrsoldat am Hindukusch. Das deutsche Volk indessen wurde nicht gefragt - und die Bundeswehr steht heute tatsächlich am Hindukusch. Der Einsatz, allseits zunächst als harmloser, mit menschenfreundlicher Entwicklungshilfe verbundener Ausflug in eine entlegene, faszinierende Weltgegend gedacht, wird in diesen Tagen plötzlich zum Ernstfall. Es gibt Opfer, Tote, Verstümmelte. Deutschlands Regierung weiss nur zu genau, dass es keine überzeugende Rechtfertigung gibt, weshalb junge Deutsche als Opfer von Taliban-Kriegern in Afghanistan sterben, sich verstümmeln oder als Geiseln vorführen lassen müssen im Rahmen sattsam bekannter politischer Erpressung. Deshalb zögert Berlin den vom Nato-Hauptquartier gebieterisch geforderten Einsatzbefehl an deutsche Truppen für Kampfeinsätze im Süden Afghanistans, immer wieder hinaus. Die Deutschen müssen sich deshalb von andern - zuerst von den Kanadiern, deren Truppen in von den Taliban gelegten Hinterhalten schwerste Verluste erleiden mussten - Bündnispartnern, zunehmend auch von der Nato-Spitze als kampfscheue Feiglinge hinstellen lassen. Bis sie schliesslich, trotz aller Bedenken Berlins, allenfalls zögerlich befohlen, allenfalls auch ungewollt doch noch in Kampfeinsätze geraten, genau wissend, dass es Jahre dauern dürfte, bis sie aus der nie gesuchten und nie gewollten Verstrickung wieder herausfinden können.

Könnten in der Schweiz die Armeespitze und einige sich auch in unserem Land ihrer besonderen Weitsicht rühmende Aussenpolitiker allein über Auslandeinsätze der Schweizer Armee bestimmen, dann stünde die Schweiz heute vor der genau gleichen beklemmenden Frage wie Deutschland. Aber weil in der Schweiz das Volk vom Entscheid über ein derartiges aussenpolitisches Unternehmen kaum ausgeschlossen werden kann, getraut sich zu Bern von vorneherein niemand, die Frage "Afghanistan-Abenteuer" überhaupt zu stellen. Und das ist gut so.

Dabei besitzt die Schweiz keineswegs eine schwache Armee. Aber die direkte Demokratie sichert, dass die Schweiz bloss eine Verteidigungsarmee unterhalten kann. Trotz vergleichsweise starker Armee: Aggressive Allüren sind von der Schweiz nie ausgegangen. Die Schweiz unterliegt einer von der direkten Demokratie erzwungenen Selbstbeschränkung, die, liesse sie sich auch auf andere Staaten übertragen, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag an den Frieden in dieser Welt darstellte.

Demokratie übergangen

Trotzdem muss die Frage gestellt werden: Wenn in einer gefestigten Demokratie wie jener Deutschlands kaum jemand ein kriegerisches Afghanistan-Engagement der Bundeswehr als erstrangige Staatsaufgabe zu erkennen vermag - wieso stürzt sich Deutschland trotzdem sehenden Auges in dieses unselige Hindukusch-Abenteuer? Die Antwort ist so klar wie beunruhigend: Das Prestige - als "Staatsraison" etikettiert - steht auf dem Spiel. Und deshalb werden deutsche Soldaten das Töten - wie "freundschaftliche Ratschläge" heute aus dem Ausland ergehen - wohl wieder lernen müssen - und einige von ihnen werden für dieses Abenteuer mit dem Leben bezahlen. Die Regeln der Demokratie gelten - mit Ausnahme der Schweiz - für solch aussenpolitische Abenteuer offensichtlich nicht. Der deutsche Staatsbürger hat das Afghanistan-Abenteuer zu bezahlen - und zu schweigen. Und es liegt an der nach Profil als Weltpolitikerin dürstenden Bundeskanzlerin, Erklärungen zu erfinden, weshalb es für Deutschland von angeblich "existentiellem Interesse" sein soll, dass sich junge Deutsche im fernen Afghanistan opfern.

In der Schweiz kann sich der Souverän dank direkter Demokratie und den darin eingebauten Sicherungen auch zu den wirklich existentiellen Interessen des Landes äussern. Der Souverän, das Volk sagt, wann die Jugend des eigenen Landes aufgeboten werden darf, um - notfalls mit dem eigenen Leben -Unabhängigkeit und Freiheit von Land und Volk zu bewahren. Zu Hindukusch-Abenteuern dürfte sich der Schweizer Souverän wohl von keinem schweizerischen Regierungs-Vertreter verführen lassen.

Aussenpolitische Abenteuer-Politik im Dienste kurzfristigen Prestiges - solches kann in einem neutralen Land mit direkter Demokratie kaum stattfinden. Nicht, weil die Schweizer bessere Menschen wären als andere. Sondern weil die direkte Demokratie wirksamere Kontrollmechanismen gegen kurzsichtige Abenteuerpolitik entwickelt hat als die bloss repräsentative Demokratie, die dem Einzelnen die direkte Einflussnahme auf das politische Geschehen verwehrt.

Zweierlei ist zur Neutralität der Schweiz noch anzumerken: Neutralitätspolitik ist für Aussenstehende nie populär. Wer in Pearl Harbor, in den Sümpfen des Mekong, im Irak, in Afghanistan in Not gerät, sucht Freunde, Helfer - nicht Abseitsstehende. Neutralität muss gegen aussen deshalb immer erklärt, immer verteidigt werden. Sie lässt sich begründen, solange von ihr keinerlei Aggressivität, keinerlei Machtgelüste ausgehen - womit der Neutrale immer auch wieder in die Rolle des selbstlosen Vermittlers, des ehrlichen Maklers bei der Entschärfung schwerer Konflikte hineinwachsen kann - falls alle wichtigen in einen Konflikt verwickelten Mächte einen solchen Vermittler suchen.

Zweitens muss die Neutralität, der Wille zu unspektakulärer Aussenpolitik im Dienste von Frieden und Wohlergehen im eigenen Land, auch innenpolitisch immer wieder erstritten werden. Neutralität ist weder innenpolitisch noch aussenpolitisch eine Selbstverständlichkeit. Sie ist ein Konzept, das nach steter Auseinandersetzung und Festigung sucht. Wird sie zu blossem Lippenbekenntnis, geht sie verloren. Ebenso rasch wie unwiederbringlich.

Aber ich gestehe: Ich schätze mich ausserordentlich glücklich, in einem Land zu leben, wo die unsinnige politische Wertordnung "Prestige vor Demokratie" nicht stattfindet: Sie wird verhindert durch Neutralität und direkte Demokratie.

Die EU - zunehmend von Funktionären bestimmt - entfremdet sich der Demokratie. Sie ist im Begriff, Errungenschaften zu verraten, die seit der Aufklärung fester geistig-politischer Bestandteil abendländischer Staatsordnungen, abendländischen Denkens sind. In der repräsentativen Demokratie, wo die Stimmbürger bloss Wähler sind, ist es offenbar leichter, die Demokratie autoritärer Funktionärs-Herrschaft zu opfern. In der Schweiz vermochte der Souverän - die Gesamtheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger also - der Demokratie dank direkter Einflussnahme bisher immer den Vorrang zu sichern. Obwohl der Drang in die weite Welt auch die politische Elite der Schweiz immer wieder umtreibt. Die Opposition des Volkes verhindert bis heute, dass diese Elite ihren Gelüsten erliegen konnte und kann.
Die Schweiz: Alles andere als isoliert

Von der politischen zur wirtschaftlichen Lagebeurteilung: Es gibt ja nicht wenige Stimmen, die eine wirtschaftliche Sonderstellung eines Kleinstaates inmitten eines sich laufend vergrössernden Binnenmarktes als langfristig unhaltbar erachten. Sie gehen davon aus, die Sonderstellung der Schweiz sei früher oder später zum Untergang verurteilt.

Nun: Die Schweiz existiert offensichtlich. Und im Blick über schweizerische Landesgrenzen, besonders Richtung Norden, Westen und Süden, darf ergänzt werden: Die Schweiz existiert in wirtschaftlicher Hinsicht merklich besser als die sie umgebenden EU-Länder. Die seit einigen Jahren zu beobachtende Entwicklung der Schweizer Wirtschaft lässt den Schweizer Sonderweg jedenfalls nicht als Misserfolgs-Modell erscheinen. Wobei die meisten wichtigen Kontakt-Ebenen auf wirtschaftlichem Gebiet zwischen der Schweiz und der EU im Rahmen bilateraler Verträge befriedigend bis gut geregelt sind. Von einem Ausschluss der Schweiz vom europäischen Binnenmarkt kann jedenfalls keine Rede sein.

Zweifellos ist die EU der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Allerdings: Der Wirtschaftsaustausch zwischen der Schweiz und der EU war in der ersten Hälfte des laufenden Jahrzehnts stagnierend, zieht erst seit einigen Monaten wieder etwas an. Für das in den letzten paar Jahren aus Zahlen hervorgehende Wachstum ist allein die Vergrösserung der EU durch Beitritt der Ostländer verantwortlich. Das Handelsvolumen mit den "alten" EU-Ländern war in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts eher rückläufig. Ausgeprägt starkes Wachstum verzeichnen dagegen die Handelsströme von der Schweiz in die USA und vor allem in Richtung Ostasien.

Worauf beruht denn der Wirtschaftserfolg der Schweiz? Er ruht auf mehreren Säulen. Eine wichtige Säule ist, dass der Steuerwettbewerb in der Schweiz bereits zwischen den Kantonen stattfindet. Die konsequente Ausrichtung auf den Steuerwettbewerb sichert unserem Land zumindest in Europa einen vielbeachteten Standort-Trumpf.

Attraktiver - wenn aus unserer Sicht auch noch nicht attraktiv genug - ist die Schweiz im Vergleich zur EU offensichtlich auch bezüglich unternehmerfeindlicher bürokratischer Auflagen. Gelingt es ihr, auf diesem Feld weitere Erleichterungen - zum Beispiel bezüglich Mehrwertsteuer-Administration - durchzusetzen, dann dürfte sich ihre Position im Wettbewerb am Binnenmarkt noch verstärken.

Einerseits weist die Schweiz das höchste Lohn-Niveau aus in Europa. Dank ihres vergleichsweise flexiblen Arbeitsmarktes, dank ihres Verzichts auf Auflagen wie staatlich garantierten Mindestlöhnen, gibt es in der Schweiz trotz des hohen Lohn-Niveaus kaum Arbeitslose.

Die Sozialkosten sind auch in der Schweiz bedrohlich hoch, aber weniger hoch als in den sie umgebenden EU-Ländern. Die Schweiz gewinnt im Wettbewerb dank ihrer tiefen Lohn-Nebenkosten.

Wettbewerb statt Harmonisierung

"Wettbewerb statt Harmonisierung" - diese Maxime begründet die Standortvorteile der Schweiz gegenüber den EU-Staaten. Wobei der wahre Charakter der schönfärberisch als "harmonisiert" bezeichneten EU-Wirtschaftsordnung längst durchschaut ist: Sowohl in Europa als auch auf dem Weltmarkt gewinnt die flexible vor der bürokratisch gleichgeschalteten Wirtschaftsordnung. Dazu sind auch die Signale aus den USA an die Schweiz überdeutlich: Solange die Schweiz der bürokratischen Gleichschaltungsmanie Brüssels nicht erliegt, wählen US-Konzerne als Standort für ihre Europa-Sitze die Schweiz, nicht eine EU-Metropole. Die USA und die Schweiz sind sich einig in ihrer Wirtschaftsphilosophie: Wettbewerb fordert Unternehmer und Unternehmen zu Höchstleistungen, gleichschaltende Harmonisierung nährt zwar Funktionäre, tötet aber Initiative.

Auch auf wirtschaftlicher Ebene stellt sich also die Frage: Wettbewerb auf der Grundlage von staatlicher Unabhängigkeit - oder Gleichschaltung im Dienste harmonisierter Grösse? Demokratie oder Grösse - die Antwort der Schweiz auf diese Frage war immer berechenbar. Sie wird auch in Zukunft berechenbar sein. Das macht die Schweiz als Standort attraktiv.

Die EU: Wirtschaftlich ein Misserfolgs-Modell

Dabei ist nicht zu übersehen: Von Schweizer Unternehmern wird das der umfassenden Harmonisierung, also der bürokratischen Gleichschaltung verpflichtete EU-Wirtschaftsmodell zunehmend als Misserfolgs-Modell wahrgenommen. Der Reibungsverlust, hervorgerufen durch den Vereinheitlichung erzwingenden Funktionärsapparat, bürdet der EU zunehmend untragbare Lasten auf, lässt sie gegenüber den aufstrebenden Märkten in der Welt - USA, Fernost - immer schwerwiegender ins Hintertreffen geraten. Deutschland, eigentlich zur Wirtschaftslokomotive in der EU auserkoren, steckt mit seinen Millionen Arbeitslosen, mit seinen drastisch überschuldeten und überforderten Sozialwerken in der schwersten Krise seit Entstehung der Bundesrepublik. Die Einheitswährung Euro hat Deutschland - ein Hochlohnland wie die Schweiz - den Zinsvorteil gegenüber weniger leistungsfähigen EU-Ländern geraubt. Ein Schlag, den Deutschland - so lautet die Beurteilung aus schweizerischer Warte - bis heute nicht verkraften konnte, der aber der Schweiz die Chance eröffnet, in Europa zur mit Abstand attraktivsten Tiefzins-Insel zu werden.

Besonders gefährlich an der deutschen Krise ist aus Schweizer Sicht: Die Wirtschaftszahlen weisen zwar Wachstum aus, besonders in den exportorientierten Sektoren. Trotzdem nimmt die Arbeitslosigkeit höchstens geringfügig ab. Weil das Wachstum zwar in den Konzern-Zahlen am Konzern-Hauptsitz ausgewiesen wird, die das Wachstum bewirkende Wertschöpfung aber zunehmend gar nicht mehr in Deutschland, oft auch nicht in einem andern EU-Land, vielmehr in Ostasien stattfindet.

Diese bedrohliche Entwicklung wird in der Schweiz sehr genau verfolgt und registriert. Und es werden daraus Konsequenzen gezogen. Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft ("Economiesuisse" mit Namen), der in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre noch die Rolle des Antriebsmotors für die nach Brüssel drängenden Kräfte spielte, hat im Februar 2006 auf der Grundlage einer umfassenden Lagebeurteilung den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union als heute klar nicht mehr im Interesse der Schweizer Wirtschaft liegend bezeichnet. Internationale Ausrichtung dank internationaler Wettbewerbsfähigkeit heisst heute das Ziel schweizerischer Wirtschaftspolitik. Integration in den EU-Wirtschaftsraum wird auf diesem Weg eher als Hindernis empfunden.

Die Schweiz ist aus dieser hier geschilderten Entwicklung heraus im Jahr 2005 bekanntlich auf Position 1 vorgerückt als Zielland Arbeit suchender deutscher Emigranten. Ich verrate kein Staatsgeheimnis, wenn ich hier festhalte: Die Schweiz profitiert von der gegenwärtigen deutschen Zuwanderung enorm. Weil die Deutschen in den Arbeitsmarkt einwandern, nicht in erster Linie ins Sozialsystem, wie allzu viele andere aus anderen Ländern und Kontinenten. Tüchtige, ausgeprägt arbeitswillige und leistungsfähige junge Deutsche vorab aus den neuen Bundesländern haben beispielsweise im Schweizer Gastgewerbe die Fremdarbeiter aus den Balkan-Ländern weitestgehend verdrängt. Das Schweizer Gastgewerbe erlebt ob der damit sichtbar zunehmenden Gastfreundschaft einen eigentlichen Quantensprung. Ähnliches gilt für die Spitalberufe. So gross der Gewinn ist, den der Wirtschaftsstandort Schweiz aus dem Zuzug betont leistungsorientierter und tüchtiger Berufsleute ist, so sehr ist es selbstverständlich als Jammer zu registrieren, dass Deutschland einen entsprechenden Aderlass an wirtschaftlicher Tüchtigkeit hinnehmen muss. Doch in dieser Wanderung spiegelt sich bloss das Gesetz des Marktes.

EU kontra Schweizer Bankkundengeheimnis

Der Schweizer Wille zu selbständiger Ausgestaltung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen weckt indessen auch Irritationen. Brüssel liebt den Sonderfall Schweiz verständlicherweise nicht. Brüssel bekämpft bestimmte Wettbewerbsvorteile der Schweiz mit zunehmender Hartnäckigkeit, mit zunehmender Aggressivität. Seit Jahren erfährt zum Beispiel der Flughafen Zürich-Kloten - trotz des jegliche Diskriminierung verbietenden Luftverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und der EU - von Seiten der EU eine unter deutschem Druck durchgesetzte Diskriminierung bezüglich Anflugrouten, die ihn gegenüber jedem andern Interkontinental-Flughafen in Europa spürbar benachteiligt.

Ganz besonders im Visier der Brüsseler Gleichschaltungs-Bürokratie, die recht unverblümt die maximale Besteuerung aller Untertanen anstrebt, steht das Schweizer Bankkundengeheimnis einerseits, die von der Schweizer Bundesverfassung garantierte kantonale Steuerhoheit andererseits. Das Bankkundengeheimnis - ein Geheimnis zugunsten der Kunden, nicht zugunsten der Banken - sichert dem Bürger Freiraum vor dem allzu gierigen Fiskus. Die kantonale Steuerhoheit begünstigt den Steuerwettbewerb, der den Steuerzahler am wirksamsten vor ausbeuterisch hoher Besteuerung schützt. Beides sichert der Schweiz Wettbewerbsvorteile in Europa, beides steht im Visier der EU-Kommission in Brüssel.

Die Opposition des Volkes behielt die Oberhand

Ich fasse zusammen: Die Schweiz, für alle wichtigen Entscheidungen immer vom Ja der Schweizer Stimmbürger abhängig, ist vor allem in aussenpolitischer Hinsicht ein vorsichtiges, zurückhaltendes Land. Vieles wird in der Schweiz erst allmählich spruchreif, wenn es in andern Ländern längst eingeführt - und manchmal auch bereits wieder abgeschafft - ist. Die Schweiz leistet sich damit den Luxus, zu beobachten, ob eine bestimmte, oft mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Reform andernorts das bringt, was sich die Initianten davon versprechen.

Die Schweiz entwickelt nicht den Ehrgeiz, bei raschen Neuerungen führend zu sein. Das bewahrt sie anderseits vor dem Schaden, den nicht wirklich durchdachte Reformen nicht selten anrichten. Der nüchterne Pragmatismus, der die Schweizer Politik prägt, ist ein Boden, auf dem sich blosse Prestige-Projekte schwer entwickeln können. Schweizer Politik ist nüchtern, erscheint vielen als langweilig - selbst wenn Abstimmungskämpfe zuweilen äusserst spannenden Verlauf nehmen können: Die EU-Abstimmung von 1992 bewies das ganz Europa. Es liegt mir fern, das ausgeprägte Misstrauen der Schweiz gegenüber politischen Playern auf der grossen Weltbühne irgendwie - positiv oder negativ - zu werten. Es ist einfach Tatsache, gewachsen aus der geschichtlichen Erfahrung eines willentlichen, auf Unabhängigkeit bedachten Kleinstaats.
Aus dieser nüchternen Zurückhaltung politischer Grösse gegenüber ist die Schweiz allerdings in einer ganz bestimmten Hinsicht tatsächlich in eine einzigartige, vielleicht sogar führende Stellung hineingewachsen: Ihre Verankerung in der direkten Demokratie bewog sie zum bewussten Verzicht auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, die sich auf der Grundlage des Maastrichter Vertrags der "Harmonisierung" - nach Schweizer Empfinden der zentralistischen Gleichmacherei - verschrieben hat. In dieser Verweigerung, sich einbinden zu lassen in einen Apparat, dem aus Schweizer Sicht elementare Mängel in abendländisch-demokratischer Hinsicht anhaften, kommt der Schweiz in Europa möglicherweise doch so etwas wie eine Pionierrolle zu. Weil in der Schweiz das Volk entscheidet, entschied sich die Schweiz gegen die Grösse - für die Demokratie.

Eine Haltung, die im schweizerischen Parlament - das kann nicht genug betont werden - während der letzten rund zwanzig Jahre bloss von einer Minderheit - die erwies sich freilich als besonders zäh - vertreten wurde. Diese Minderheit konnte sich bis heute indessen durchsetzen, weil die Parlaments-Mehrheit an der Opposition des Volkes, des Souveräns scheiterte. Solches kann - ohne dass deswegen eine Staatskrise ausbrechen würde - nur in einer direkten Demokratie, in der alle wichtigen Entscheide dem Volk zu unterbreiten sind, Tatsache werden. Das Volk war in der Schweiz die Opposition, welche Parlament und Regierung, die jahrelang ihrem "strategischen Ziel" des EU-Beitritts verfallen waren, erfolgreich zurückgebunden hat - bis neuerdings auch die Schweizer Wirtschaft einem EU-Beitritt der Schweiz nichts Erstrebenswertes mehr abzugewinnen vermag. Das wiederum hat kürzlich selbst die schweizerische Landesregierung dazu veranlasst, den EU-Beitritt bloss noch als "eine Option unter vielen" zu etikettieren - unverkennbares Zeichen eines "kontrollierten Rückzugsgefechts".

Angesichts des Unvermögens Brüssels, endlich eine solide, unternehmerische Initiative begünstigende und damit Wachstum fördernde Wirtschafts- und Finanzordnung mit demokratisch beeinflussbarem Budget zu schaffen, entschied sich die Schweiz bis heute immer gegen die Grösse, für die Demokratie. Ob das als Botschaft aufgefasst werden soll - darüber zu entscheiden überlassen wir Schweizer gerne allen andern in Europa.

Ulrich Schlüer


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