Geheimsache

Die Reisespesen der Schweizer Parlamentarier
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 11. Dezember 2009

Man weiss es längst: Zu Bern bleibt sozusagen nichts auf Dauer geheim. Mögen Dokumente auch als «vertraulich», als «geheim», als «nur für internen Gebrauch» klassifiziert sein – meist früher als erst später findet schliesslich alles seinen Weg in die Medien.

Ausnahme

Es gibt eine einzige Ausnahme. Ein ganz bestimmter – übrigens ausnehmend kostspieliger – Bereich schweizerischer Politik unterliegt tatsächlich der totalen, rigorosen Geheimhaltung. Diese konnte seit Jahren von niemandem durchbrochen werden. Wobei die Medien – sonst immer auf «Exklusives» mit Geheimnis-Charakter scharf – das Vertuschungsspiel bereitwillig mitspielen. Absolute, allseits durchgesetzte Geheimhaltung existiert zu Bern allein für die Ausland-Reisespesen der Parlamentarier.

Ein einzigesmal, vor mehr als einem halben Jahrzehnt, wurde die Bundesverwaltung einmalig vom «Offenlegungs-Fieber» gepackt. Ein einzigesmal wurde die Spesenliste der vielreisenden Parlamentarier veröffentlicht. Männiglich erinnert sich: Der Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross landete mit Riesenvorsprung auf dem «Spitzenplatz». Mehrere hunderttausend Franken Steuergelder hat er in einem einzigen Jahr an Reisespesen von Bern beansprucht – und auch erhalten. Die Öffentlichkeit war einigermassen perplex: Kaum ein Europarats-Gremium und Dutzende irgend welcher EU-Ausschüsse sowie Uno-Funktionärsausschüsse, denen Andreas Gross damals nicht auf Steuerzahlers Kosten – aus was für Gründen auch immer – seine Aufwartung machen zu müssen glaubte.

Es darf vermutet werden, dass Andreas Gross seinen Spitzenplatz bezüglich Spesengefrässigkeit bis heute nicht eingebüsst hat. Zumal er die absolute Geheimhaltungspflicht bezüglich seiner Reiseabenteuer seither rigoros durchzusetzen vermochte. Der einmalige Veröffentlichungs-«Ausrutscher» fand keine Wiederholung. Die Ausland-Reisespesen der Parlamentarier werden wieder vom dichtesten, schwärzesten Vorhang bedeckt, der zu Bern aufzutreiben war. Und alle Medien respektieren’s devot.

Reine Mutmassung

So ist es wirklich nichts anderes als reine Mutmassung, wenn wir hier spekulieren, dass auf dem zweiten Platz der Viel-Spesen-Verschlinger Ahmadinedschad-Pilger und Gaddafi-Fürsprecher Nationalrat Geri Müller figurieren könnte – der grüne Vielflieger unter der Bundeskuppel. Wie gesagt: Wir können nur aus Indizien mutmassen. Das Reisen der Parlamentarier auf Steuerzahlers Kosten ist und bleibt – aus was für Gründen auch immer – Geheimsache.

Man kann sich aber fragen: Weshalb um alles in der Welt stehen Parlamentarier-Reisespesen in der Schweiz auf der Stufe erstrangiger Geheim-Angelegenheiten? Warum darf die Öffentlichkeit nicht wissen, wohin es die hier gewählten Parlamentarier auf Kosten der Steuerzahler immer wieder zieht? Weshalb darf der Steuerzahler nicht wissen, wo sich Parlamentarier – auf Kosten des Volkes – mit Vorliebe herumtreiben?

Gründe

Für diese rigorose Geheimhaltung über Parlamentarier-Reisen dürften zwei Gründe ausschlaggebend sein. Erstens wollen die Vielreiser – dabei eisern gedeckt durch die Verwaltung zu Bern und die in solchem Zusammenhang alle Neugier vermissen lassenden Medien – nicht offenlegen, in welch exorbitantem Ausmass sie Gelder der Steuerzahler auf Auslandreisen verprassen.

Und zweitens, noch wichtiger: Sie wollen auf gar keinen Fall offenlegen müssen, wohin sie auf Steuerzahlers Kosten vor allem reisen und mit wem sie an ihren Reisezielen zusammentreffen. Offenbar haben sie für solche Verheimlichung gute Gründe: Es könnte ja – sobald die Vielreiser Reiseziele und Gesprächspartner offenlegen müssten – sein, dass die Bürger unversehens merken würden, dass Vorwürfe von Uno- und andern Funktionären an die Adresse der Schweiz beispielsweise als Reaktion auf die Annahme der Minarettverbots-Initiative keineswegs spontan oder aus Betroffenheit erfolgen. Dass da Schweizer mit «guten Beziehungen» in die Internationale der Organisations-Funktionäre munter anstiften – z.B. beim Uno-Hochkommissär für Menschenrechte oder andern Verwaltern des Gutmenschentums – bei «Verurteilungen» Tatsache werden.

Plötzlich könnte der Bürger merken: Zwischen antischweizerischen Äusserungen internationaler Funktionäre und Reisegelüsten von Schweizer Parlamentariern auf Steuerzahlers Kosten besteht möglicherweise ein gewisser Zusammenhang.

Ein von selektiver Geheimhaltung getarnter Zusammenhang, der Einzelnen durchaus als Verrat am eigenen Land erscheinen könnte.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch