Massen-Auswanderung?

Personenfreizügigkeit und Krankenkassen-Prämien
Frontseiten-Kommentar für die "Spalte rechts" in der "Schweizerzeit" 6. Februar 2009

Alle – behaupteten und tatsächlichen – Anstrengungen Bundesrat Pascal Couchepins zur Eindämmung der Kostensteigerung im Gesundheitswesen sind gescheitert. Damit die Bevölkerung von diesem Scheitern nichts merkt, verordnete der Bundesrat den Krankenkassen massiven Abbau ihrer Reserven. Damit konnten die an den Kosten orientierten Prämienerhöhungen hinausgeschoben werden. Aber ausgerechnet jetzt, da die Kassen ihrer Reserven beraubt sind, brechen die Börsen ein. Damit schlagen die Verluste der von ihren Reserven entblössten Krankenkassen voll auf die Prämienzahler durch – genau dann, wenn ohnehin Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit drohen.

Ein Glück für den Bundesrat, dass der allgemeine Volkszorn, von der Landesregierung zielsicher genährt, sich an der Boni-Politik der UBS abreagieren kann – obwohl das, was Bern fahrlässig leichtfertig den Krankenversicherten eingebrockt hat, die breite Bevölkerung viel härter trifft als der Boni-Skandal.

Zumal die Krankenkassen zusätzliches Unheil erwartet: Die Personenfreizügigkeit verlangt auch die Öffnung aller Schweizer Sozialversicherungen für alle EU-Bürger. Bezüglich Krankenversicherung gilt neu folgende Regelung: Versicherungspflicht für jede Familie besteht in jenem Land, wo der Familien-Ernährer arbeitet – wobei die Familie nicht dort leben muss, wo ihr Ernährer arbeitet. Mit andern Worten: Arbeitet dank Personenfreizügigkeit ein Rumäne in der Schweiz, ist seine gesamte Familie, auch wenn diese in Rumänien verbleibt, in der Schweiz krankenversichert – nach rumänischem Massstab zweifellos höchst attraktiv krankenversichert. Erkrankt ein Familienmitglied, kann es niemand daran hindern, sich in der Schweiz behandeln und allenfalls pflegen zu lassen. Prämienverbilligung zugunsten der Familie hätte der Wohnort-Kanton des Ernährers zu leisten. Immer alles auf Kosten von Schweizer Krankenkassen und Schweizer Steuerzahlern.

Das Umgekehrte, dass ein Schweizer der rumänischen Krankenkasse zur Last fällt, dürfte, wie jedermann nachvollziehen kann, höchst selten eintreten. Noch jedenfalls ist keine Massen-Auswanderung von Schweizern in EU-Armenhäuser sichtbar. Allerdings: Fahren Bundesrats- und Parlamentsmehrheit mit ihrer Schweiz- und Schweizer-feindlichen Politik fort, dürfte Auswanderung – wenn auch nicht in die EU – vermehrt zur Perspektive jener werden, die in den vom Bund verschuldeten Kostenlawinen nicht einfach ersticken wollen.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch