Was haben Symbole mit Politik zu tun?

Über Spitztürme, einen Hut und deren politische Substanz
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 6. November 2009

Die Gegner der Minarettverbots-Initiative demonstrieren – und bekunden infolge beschränkter historischer Kenntnisse vielleicht auch ausgeprägt Mühe, den Zusammenhang zu erkennen zwischen einem aggressiven politischen Symbol und dem mit diesem Symbol zum Ausdruck gebrachten politischen Machtanspruch. Sie tun so, als hätten politische Symbole nicht immer auch politische Substanz. Selbst wenn eine zumindest in der islamischen Welt sehr einflussreiche Persönlichkeit – der amtierende türkische Ministerpräsident Erdogan – das Minarett mit einer Angriffswaffe, einem Bajonett gleichsetzt, auch wenn von religiöser Toleranz überall dort, wo Minarette dominieren, nichts, aber auch gar nichts zu erkennen ist – die gewollt Naiven (oder bewusst unsere Freiheit Verratenden) verniedlichen und verneinen allen totalitären Anspruch hinter dem aggressiven Symbol.

Hat denn nicht jede grosse politische Bewegung, insbesondere jede totalitäre Bewegung der Weltgeschichte, wenn sie um Machtergreifung rang oder ihre Macht durchsetzte, ihr Symbol nicht immer penetrant in den Vordergrund gestellt – als Kampfzeichen, gleichsam als Speerspitze ihres unbarmherzig durchgesetzten totalitären Anspruchs? Haben die Kurzatmigen, die Kurzdenkenden das letzte Jahrhundert mit seinen sehr wirkungsvoll Symbole benutzenden, tausendfach Tod bringenden totalitären Bewegungen bereits aus ihren Gedächtnissen getilgt?

Der Hut von Altdorf

Und die Geschichte der Schweiz? Da zog doch einst einer, Wilhelm Tell war sein Name, nach Altdorf. Und er verweigerte dem Hut des Vogtes auf dem Platz zu Altdorf den Gruss. Ging es dabei etwa um die Farbe des Hutes, um die Länge der Stange, auf welcher der Hut präsentiert wurde? Haben die Urner von damals, Tells Widerstand aufmerksamst beobachtend, die Grussverweigerung etwa als Aufruf zum «Krieg gegen Hüte» verstanden?

Nein! Jeder Urner hat den politischen, den totalitären Anspruch, den der Hut des Vogtes auf der Stange symbolisierte, nur zu genau verstanden und durchschaut. Und alle, die Tells Widerstandsgeste verfolgten, verstanden augenblicklich, dass das Nein zum Hut den Beginn des Kampfes «Freiheit oder Totalitarismus» anzeigte. Und jeder wusste, wo sein Platz war. Friedrich Schiller hat diese ursprünglichste aller politischen Auseinandersetzungen der Menschheit, den allen Totalitarismus besiegenden Willen zur Freiheit, wirkungsvoller als jeder andere in Worte zu giessen vermocht – und das Symbol des Totalitarismus dabei demonstrativ in Szene gesetzt.

Jede Generation neu gefordert

Bis heute versteht jeder das Geschehen von damals. Versteht vielleicht auch, dass der Kampf um Freiheit nicht bloss eine historischer Vorgang ist, vielmehr auch einen Auftrag an die heutige Generation ausspricht, die von den Vorfahren erkämpfte Freiheit nicht gedankenlos preiszugeben, vielmehr zu bewahren und weiterzugeben an die Nachkommen. Jeder – bis auf einige vielschwätzende Kurzsichtige – weiss, dass totalitäre Allüren sich immer auch in ihren Symbolen manifestieren. Auch heute, wenn hier in der Schweiz Minarette durchgesetzt werden sollen.

Und dann auch Burkas, und Zwangsehen, und Steinigungen, und, und, und…

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch