Attackiert - verletzt - gebüsst

Strafverfolgung gegenüber Tätern und Opfern

Die «Schweizerzeit» im Gespräch mit dem Opfer einer Gewalttat

Der Bahnhof Zug war kurz nach Jahresbeginn 2013 Schauplatz einer Gewalttat mit bedenklichen Folgen – insbesondere für die Opfer.

Die Bauweise der dortigen Kaffeebar «Aperto» provozierte zu einer schweren Tätlichkeit. Das Lokal ist ausgestaltet als Glaskabine. Wer im Innern einen Kaffee trinkt, kann gar nicht anders als immer auch nach draussen schauen. Die Wände sind schliesslich aus Glas.

Zufälliges Treffen

Markus Marty aus Steinen im Kanton Schwyz, um die dreissig, traf an einem Tag kurz nach Jahresbeginn 2013 am Bahnhof Zug zufällig einen früheren Arbeitskollegen. Bei einem Kaffee im «Aperto» tauschten die beiden jungen Männer Erinnerungen aus.

An diesem Tag hielten sich vor diesem Gebäude drei junge Leute auf – «Jungschweizer» mit sichtbarem Migrationshintergrund, wie sich später bestätigte. Einer davon betrat plötzlich das «Aperto», ging, erregt und offensichtlich zornig, auf die beiden Kaffeetrinker zu und herrschte sie an: «Was gafft Ihr uns dauernd an?!» Sie sollten sich unterstehen, sie drei, die sich vor dem Lokal aufhielten, weiter mit Blicken zu verfolgen.

Darauf verliess der Aufgeregte das Lokal wieder, betrat es aber wenig später erneut, diesmal zusammen mit einem seiner Kumpane. Zu einem Wortwechsel kam es nicht mehr. Denn derjenige, der die Kaffeetrinker zuvor verbal attackiert hatte, schlug diesmal einfach zu. Und dies massiv: Seine Faust traf Markus Marty mitten ins Gesicht.

Es hätte tödlich ausgehen können

Der Getroffene sank bewusstlos zu Boden. Als er aufwachte, bemühten sich bereits herbeigerufene Sanitäter um ihn.

Während seiner Bewusstlosigkeit war die Auseinandersetzung allerdings weiter eskaliert. Insbesondere «bearbeiteten» beide Angreifer den bewusstlos am Boden liegenden Markus Marty aufs Gröbste mit Fusstritten. Mit brutalen Fusstritten auch gegen den Kopf des Bewusstlosen. Der Arbeitskamerad des Niedergeschlagenen, körperlich den beiden Gegnern, die wie besinnungslos auf den Bewusstlosen eintraten, deutlich unterlegen, erkannte die Gefährlichkeit der Situation: Die Fusstritte hätten tödlich sein können. Sich seiner körperlichen (und auch zahlenmässigen) Unterlegenheit bewusst, griff er nach einem metallenen Barhocker und schlug mit diesem die beiden besinnungslos auf das bewusstlose Opfer tretenden Schläger ein. Seine Intervention hatte Erfolg. Die Fusstritt-Austeiler wurden vom Opfer getrennt. Der bewusstlose Markus Marty erhielt keine weiteren Fusstritte. Die vom Barhocker Getroffenen trugen vom erhaltenen Schlag einige geringfügige Schürfungen und Prellungen davon.

Das Personal des «Aperto» – alles Frauen – hatte inzwischen Polizei und Sanität herbeigerufen. Die Schläger mit Migrationshintergrund versuchten zu fliehen, wurden aber wenig später gefasst. Der vom Faustschlag des einen Täters Niedergeschlagene – unser Gesprächspartner Markus Marty – wurde ins Spital verbracht; seine Verletzungen erwiesen sich als nicht geringfügig. Er hatte mehrere Tage in Spitalpflege zu verbleiben und war danach zunächst vollständig, später noch einige Zeit teilweise arbeitsunfähig. Die SUVA leistete dafür eine Entschädigung von sage und schreibe 227 Franken. Den restlichen Arbeitsausfall hatte der Arbeitgeber des Opfers zu tragen.

Geständnisse

Die «Schweizerzeit» hatte die Möglichkeit, die Protokolle der staatsanwaltlichen Vernehmung der Angreifer einzusehen. Diese gaben ihre Tat im wesentlichen zu. Es geht aus ihren Ausführungen klar hervor, dass sie tatsächlich besinnungslos auf das bewusstlose, hilflos am Boden liegende Opfer eingetreten hatten. Beide erklärten sich unfähig, sich zu erinnern, wie viele Fusstritte sie dem bewusstlosen, am Boden liegenden Markus Marty insgesamt verpasst hatten. Dass es viele waren, bestritten sie nicht.

Es liegen zum brutalen Geschehen auch die Zeugenaussagen des «Aperto»-Personals vor. Ausserdem wurde die massive Attacke auch von Überwachungskameras erfasst. Allerdings lässt die Schärfe der aufgezeichneten Bilder zu wünschen übrig.

Es folgten die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen. Wie aus heiterem Himmel traf es die beiden Opfer, dass auch gegen sie ein Strafbefehl erging: Sie wurden der Beteiligung an einem «Raufhandel» beschuldigt. Und dies in einer Unverhältnismässigkeit, die keineswegs bloss kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen werden kann: Die geständigen, den Strafbefehl akzeptierenden Täter, immerhin brutale Schläger, erhielten Bussen von Fr. 1500.– sowie je eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen à Fr. 100.–, total also Fr. 9000.–. Die beiden Opfer wurden mit Bussen von Fr. 1250.– bzw. 1300.– sowie bedingten Geldstrafen von 45 Tagessätzen zu Fr. 150.– bestraft, total also mit Fr. 8000.– bzw. 8050.–. Die brutalen Schläger wurden also bloss unwesentlich härter bestraft als die Opfer! Völlig unverständlich!

Opfer-Bestrafung

Die Opfer rekurrierten gegen ihre Strafbefehle. Es kam zu weiteren Einvernahmen. Die Beschuldigung der Opfer durch die Staatsanwaltschaft erfolgte, weil der Kamerad des brutal niedergeschlagenen, darauf bewusstlos am Boden liegenden Markus Marty zu einem Barhocker als «Waffe» gegriffen habe. Dass der Bewusstlose in Lebensgefahr war, dass der sich für ihn Wehrende den Angreifern zahlenmässig und vor allem auch körperlich klar unterlegen war, bleibt in der staatsanwaltschaftlichen Beurteilung unbeachtet. Mit der Benutzung eines Barhockers habe der sich Wehrende in Kauf genommen, dass seine Gegner, die angreifenden Schläger also, hätten verletzt werden können. Das rechtfertige den Strafbefehl gegen die beiden Opfer.

Hätte sich der Kamerad des bewusstlosen, mit Fusstritten eingedeckten Markus Marty irgendwo verkrochen und aus der Ferne zugeschaut, wie die brutalen Attackierer ihre besinnungslose Wut an ihrem Opfer ausliessen, so wäre er wohl straffrei geblieben. Auch wenn er sich selber als wehrloses Opfer hätte verprügeln lassen, wäre ihm ein Strafbefehl wohl erspart geblieben. Dass er in Tat und Wahrheit dem bewusstlosen Opfer der Fusstritt-Austeiler möglicherweise das Leben gerettet hat, beeindruckte die zuständige Zuger Staatsanwältin offensichtlich nicht: Das beweist ihr an die Adresse der Opfer beantragte Strafe, die nur geringfügig mässiger ausfällt als jene, die sie den skrupellosen Prüglern auferlegt hat.

Vollends skandalös mutet aber der Strafbefehl an die Adresse des bewusstlos getretenen Opfers an. Das scheint nachträglich selbst die Staatsanwaltschaft einzusehen. Jedenfalls bot sie dem des Raufhandels beschuldigten Opfer der Schläger die Halbierung der ausgesprochenen Geldstrafe an, wenn er sich dazu öffentlich nicht mehr äussere. Entsprechend aggressiv reagierte die Staatsanwältin, als dieses Opfer – unser Gesprächspartner Markus Marty – nicht nur den ihm verpassten Strafbefehl nicht akzeptierte, vielmehr die Öffentlichkeit auf die skandalöse «Nachbearbeitung» der Gewalttat im Bahnhof Zug aufmerksam machte. Dies hat übrigens selbst im Zuger Parlament einen Vorstoss zu den unglaublichen Strafbefehlen der Staatsanwaltschaft ausgelöst (siehe Kasten).

Anzumerken ist: Beide Opfer können einen tadellosen Leumund ausweisen. Keiner ist vorbestraft. Keiner kam zuvor je mit dem Gesetz in Konflikt. Sie hatten beide erstmals mit Polizei und Staatsanwaltschaft zu tun.

Offene Fragen

Man hat aus verschiedenen Fällen der jüngeren Vergangenheit erkennen können, wie schwer sich die Justiz im Umgang mit Opfern von Gewaltverbrechern tut. Während im berühmt-berüchtigten «Fall Carlos» der Gewalttäter in den Genuss von Hätschel-Therapien kam, die monatlich fast 30‘000 Franken kosteten, wurde das Opfer seines Messer-Angriffs mit einer schlicht lächerlichen Entschädigungssumme von dreitausend Franken abgespiesen – obwohl dieses Opfer mit grosser Wahrscheinlichkeit sein ganzes Leben lang unter den Folgen der Messer-Attacke zu leiden haben wird.

Im «Fall Zug» werden gegen grundlos Angegriffene hohe Bussen und Geldstrafen ausgesprochen – wobei der eine nach dem ersten Überraschungsschlag sofort bewusstlos zu Boden gegangen war. Der andere, weil er als körperlich klar Unterlegener seinen Freund nur mittels Barhockerschlag vor weiteren Fusstritten an den Kopf bewahren konnte, soll gemäss Staatsanwaltschaft ein «Raufbold» sein.

Ist die Justiz eigentlich noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen? Hat sie die Gewaltszenen auf der Strasse einfach bloss bürokratisiert? Verteilt sie, wenn «Migrationshintergrund» bei der Täterschaft mitspielt, Strafen als Folge von Gewalttätigkeit einfach auf alle Beteiligten, auf Täter wie Opfer? Es geht im «Fall Zug» um Täter, deren Tun, wäre ihm freier Lauf gelassen worden, Todesfolgen gehabt haben könnte. Die gegen diese Schläger ausgesprochenen Strafen sind lächerlich, sie dürften von ihresgleichen eher als Belohnung denn als Strafe gewertet werden. Die Gewaltszene wird darob Auftrieb erhalten.

Klar ist: Die Öffentlichkeit, die Stimmbürgerschaft muss handeln. Das Strafrecht muss gegen Gewalttäter deutlich verschärft werden. Die schärfste, gleichzeitig auch wirksamste Strafe muss endlich Norm werden. Sie heisst für Ausländer «Ausweisung». Schläger sollen in der Schweiz nicht länger ein Eldorado vorfinden. Sind die gewalttätigen Ausländer – wie im «Fall Zug» – aber bereits eingebürgert, dann ist Widerruf des erteilten Bürgerrechts jene Strafe, die allein präventive Wirkung zu entfalten vermag. Geringfügige, allenfalls gar auf die Fürsorge abwälzbare oder bedingt verhängte Geldstrafen üben auf Schläger kaum Wirkung aus. Auch Gefängnisstrafen (man kann dort ja noch eine Lehre machen) wirken nicht abschreckend. Allein die Ausweisung entfaltet Abschreckung. Allein die Ausweisungsandrohung kann die Gewaltszene eindämmen.

Die Bürger müssen aber auch gegen jene für den Vollzug der Rechtsordnung Verantwortlichen vorgehen, die ernsthafte Massnahmen gegen Gewalttäter weiterhin verweigern.

Ulrich Schlüer

Vorstoss im Zuger Kantonsrat

Der in Neuheim wohnhafte Zuger Kantonsrat Thomas Lötscher (FDP) hat mittels Interpellation von der Zuger Regierung eine Stellungnahme zum hier geschilderten «Fall Zug» verlangt. In der Einleitung zu seinen Fragen an den Regierungsrat erwähnt er die Verletzungen jenes Opfers, dessen Gespräch mit der «Schweizerzeit» den Bericht auf dieser Seite ausgelöst hat. Wörtlich schreibt Kantonsrat Thomas Lötscher zu diesem Opfer:

«Darüber hinaus erhielt er von der Zuger Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl wegen “Raufhandels und Sachbeschädigung“. Er wurde zu einer Busse von 1250 Franken und einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu 150 Franken (= 6750 Franken) verurteilt. Soweit die Berichterstattung der Zeitung. Weitere Abklärungen haben ergeben, dass der Angreifer zu einer Busse von 1500 Franken plus einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu 100 Franken (= 7500 Franken) verurteilt wurde».

Drei der insgesamt fünf Interpellations-Fragen von Kantonsrat Thomas Lötscher an den Regierungsrat lauten:

- Gemäss Strafrechtsprofessor Martin Killias wäre bei diesem brutalen Angriff der Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung zu prüfen, für welchen eine mehrjährige Haftstrafe angezeigt wäre. Wurde dies von der Staatsanwaltschaft gemacht und wenn nein, warum nicht?

- Der Kanton Zug hat eine von Behörden, Wirtschaft, Vereinen und Bevölkerung breit getragene und erfolgreiche Kampagne «Zug zeigt Zivilcourage – gemeinsam gegen Gewalt» durchgeführt. Teilen Regierungsrat und Obergericht die Ansicht, dass solche Urteile das Erreichte zunichte machen, die Motivation zur Zivilcourage untergraben und von der Bevölkerung als Verhöhnung der Opfer aufgefasst werden können? Wie ist dem entgegenzuwirken?

- Spitalaufenthalt, medizinische Versorgung, Rehabilitierung, Arbeitsausfall und Sachschaden dürften beträchtliche Kosten verursacht haben. Wer kommt für diese Kosten auf?

Die Interpellation wurde von der Zuger Regierung bis zum Tag des Erscheinens der heutigen «Schweizerzeit» noch nicht beantwortet.

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch