Kein Gedenkjahr?

1315 – 1415 – 1515 – 1815

Die Entscheidung traf der Bundesrat schon vor Jahresfrist: Für die Eidgenossenschaft sei 2015 kein Gedenkjahr! Weder des eidgenössischen Siegs bei Morgarten noch des Erwerbs des Aargaus, noch der Schlacht von Marignano, noch der am Wiener Kongress erreichten völkerrechtlichen Anerkennung der «immerwährenden bewaffneten Neutralität» soll im Jahr 2015 ein öffentliches Gedenken reserviert werden.

von Ulrich Schlüer

Nein, für den 2015 noch von Mitte-Links dominierten Bundesrat waren wegweisende Weichenstellungen der Schweizergeschichte keines Gedenkens wert!

Die längst ergrauten, in notorischer Heimatkrittelei längst erstarrten «Junghistoriker» rieben sich kurzzeitig die Hände: Endlich könne man, mit dem Bundesrat im Rücken, aufräumen mit den «alten Mythen» von Unabhängigkeit und Neutralität. Endlich könne man sich ganz auf die zu Brüssel aufgehende Sonne konzentrieren.

Doch dann erschienen zur Morgarten-Feier – organisiert ohne den Segen des Bundesrats – Tausende. Und sie liessen sich von der geschichtlich so gehaltvollen Festrede – von Bundesrat Ueli Maurer eben inoffiziell, dafür umso persönlicher formuliert – zutiefst beeindrucken. Jene, die das Volk in diesem Nicht-Gedenkjahr lieber von seiner Geschichte amputiert hätten, sahen sich in aller Eile genötigt, die Bundespräsidentin nach Marignano zu entsenden. Sonst hätte Ueli Maurer noch einmal die Besucher beeindruckt mit tief aus dem Kern der Eidgenossenschaft geschöpftem Wissen …

Nun, die Besucher am Marignano-Gedenktag überlebten Frau Sommarugas Schulmeisterei – mitsamt den peinlichen historischen Fehlern in ihren Ausführungen.

Unmittelbar danach gelangte Markus Somms fundamentales Werk «Marignano» in die Buchhandlungen. Längst nicht bloss eine Schlachtbeschreibung. Vielmehr eine umfassende Schweizergeschichte mit Marignano im Mittelpunkt. Nüchtern, sachlich, kenntnisreich schält er die geschichtlichen Kräfte heraus, welche die Entwicklung der Eidgenossenschaft prägten: Den aus jahrzehntelangen Auseinandersetzungen schliesslich dominant gewordenen Willen, sich aus den Händeln der Grossen dieser Welt herauszuhalten, dafür dem Einzelnen im Innern des Landes höchstmögliche Freiheit und höchstmögliche Mitbestimmung zu sichern. Zwei Wesenszüge der Schweiz, deren Wurzeln, wie Somm eindrücklich nachweist, in die Zeit sogar vor Marignano zurückzuverfolgen sind.

Brüssel zerfällt – die Eidgenossenschaft aber entdeckt ihre Wurzeln von Neuem. Mitte-Links, dem Geiste Brüssels devot, erleidet eine Abfuhr. Jene Kraft, der die Eidgenossenschaft ihre Freiheit und Selbstbestimmung verdankt, erwacht zu neuem Leben.

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch