Esther Friedli: "Handeln - nicht bloss fordern."

Regierungsrats-Wahl in St. Gallen

Die Kandidatur von Esther Friedli, Partnerin des abtretenden SVP-Präsidenten Toni Brunner, für die Regierung des Kantons St. Gallen hat überrascht.


Die «Schweizerzeit» hat das Gespräch mit Esther Friedli gesucht.

«Schweizerzeit»: Ihr Berndeutsch, Esther Friedli, ist unüberhörbar. Sie kandidieren im Kanton St. Gallen für die Regierung. Kennen Sie den Kanton St. Gallen gut?

Esther Friedli: Ich lebe seit acht Jahren im Toggenburg – fühle mich gut verwurzelt, bin auch in Vereinen, so bei den Bäuerinnen oder der jungen Wirtschaftskammer Toggenburg.

Und ich war während sechs Jahren Generalsekretärin im Bildungsdepartement des Kantons St.Gallen. Die Koordination aller im Departement laufenden Geschäfte einerseits, der rege Austausch mit den Schulen und den Gemeinden und die Absprachen zu den anderen Departementen mit deren Vorlagen andererseits – das waren wichtige Aufgaben. Da habe ich den Kanton mit all seinen Herausforderungen genau kennengelernt. Zudem war ich zuständig für Personalfragen, Informatik und die Finanzen des Departements Und mit der eidgenössischen Politik bin ich durch meinen Partner Toni Brunner bestens vertraut. Seit ich selbständig bin, unterstütze ich mehrere Parlamentarier.

Einer davon ist doch der bestgewählte Nationalrat aller Zeiten, Roger Köppel?

Ja. Ich durfte für Roger Köppel den Wahlkampf leiten.

Haben Sie ihn auch unterstützt, als kürzlich ein «Künstler» von Zürich aus eine Verfluchungs-Kampagne gegen Roger Köppel entfesselte?


Das habe ich aus nächster Nähe miterlebt. Ich war von dieser Kampagne schockiert. Die Aktion war für das Theater Neumarkt jedoch wohl ein Bumerang.

Zunehmende Regulierungsdichte

Zu Ihrer Kandidatur: Auch im Kanton St. Gallen verlagern sich die politischen Kompetenzen weg von den Gemeinden auf die Kantonsverwaltung. Wie stehen Sie zu dieser Entmachtung der Gemeinden?


Das Prinzip der Subsidiarität, wonach dort, wo sinnvoll, die Gemeinden – nicht die kantonale Verwaltung – entscheiden, bedarf kraftvoller Wiederbelebung. Ich bin der Meinung, dass der Kanton dort, wo nötig, den Rahmen vorgibt, aber die Gemeinden einen eigenen Spielraum in der Umsetzung haben sollen. Die Ausgangslage in den Gemeinden ist unterschiedlich – denkt man z.B. an Hemberg oder Sargans. Von den Gemeinden getragene, individuelle – auf die sie konkret bedrängenden Probleme ausgerichtete – Lösungen sind zu respektieren. Was etwa an Auflagen im Baubereich auf die Gemeinden niederprasselt, lässt – zwecks Kontrolle der Auflagen – Bürokratie-Apparate entstehen, welche den Kanton in einem Ausmass belasten, dass seine Attraktivität als Wirtschaftsstandort darunter leidet.

Wie wollen Sie das korrigieren?


Die Eigenverantwortung ist aufzuwerten. Werfen wir als Beispiel den Blick auf die zunehmend unter Überregulierung leidende Gastronomie: Ständig neue Gesetze und Auflagen. Sie lassen glauben, Gastwirte möchten von früh bis spät durch ungeniessbare Lebensmittel und unsaubere Gaststuben Gäste abschrecken. Dabei weiss jeder Gastwirt: Vernachlässige ich die Sauberkeit, die Qualität und die Freundlichkeit, dann bleiben die Gäste aus. Ohne täglich wahrgenommene Selbstverantwortung kein geschäftlicher Erfolg! Darauf ist aufzubauen.

Bürokratie-Abbau

Frau Nationalrätin Martullo hat als Weg zur Entschlackung der Staatsverwaltungen den Vorschlag platziert, es müssten für jedes neue Gesetz zwingend zwei bisherige Gesetze aufgehoben werden. Was sagen Sie zu diesem Vorschlag?

Ich begrüsse diesen Vorschlag. Im Gesetzgebungs-Alltag Mehrheiten für eine Politik zu finden, die die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen und das Gewerbe vor ständig neuen Regulierungen schützt – das ist im Parlament wie auch in der Regierung wichtig.

Milizämter – Freiwilligenarbeit

Die Zentralisierung von Kompetenzen beim Kanton hat Milizämter in der Gemeinde verschwinden lassen. Wie stehen Sie zu Milizämtern, überhaupt zu freiwilliger Leistung?

Ohne Freiwilligenarbeit ginge gesellschaftliches Miteinander zugrunde. Wer aus persönlichem Engagement Aufgaben anpackt, handelt motivierter als der, der einfach seinem «Job» nachgeht. Ich bin Vizepräsidentin der lokalen Bäuerinnen-Vereinigung «Wintersberg-Bendel». Wir sind zirka fünfzig Frauen. Zusammen mit den beiden anderen Bäuerinnenvereinigungen in Ebnat-Kappel helfen wir bei der Organisation der Viehschau, schenken an den Schulen Pausenmilch aus oder gestalten den Erntedank-Gottesdienst und andere gesellschaftliche Anlässe. Die Freude an den gemeinsamen Aufgaben schweisst uns zusammen.

Solchem Einsatz ist mit höchstem Respekt zu begegnen. Ohne Freiwillige kämen sie nicht zustande.

Sozialhilfe


Wie stehen Sie zur Kesb?

Hier wurde in den letzten Jahren sehr viel neu reguliert, verstaatlicht und zentralisiert. In den Gemeinden, wo man die Nachbarn kennt, ist die – freiwillige! – Bereitschaft, einander zu helfen, gross. In der Anonymität der Städte mag das anders sein. Aber diejenigen, die in der Fürsorge situationsgerecht Freiwilligenarbeit leisten und unterstützen, jetzt zwecks landesweiter Vereinheitlichung aller Dienstleistungen in aufwändige Kurse zu schicken, die mit Berufspflichten der Helfer in Konflikt geraten, finde ich schwierig. Damit wird eine Verdrängung der Familienstrukturen und von Freiwilligen eingeleitet.

Wie begegnen Sie der sog. «Professionalisierung» der Sozialhilfe?

Im Kanton St. Gallen hat die SVP die Volksinitiative für gerechte Sozialhilfe lanciert, die ich unterstütze. Die Unterschriftensammlung läuft noch. Sie hält unter anderem fest, dass Sozialhilfe grundsätzlich Überbrückungshilfe ist. Sozialhilfe soll erhalten, wer unverschuldet in Not geraten ist. Die Sozialhilfe soll ihn befähigen, rasch wieder in die Lage zu kommen, selber für die eigene Existenz, für die Existenz seiner Familie aufzukommen. Sozialhilfe muss die Zeitspanne überbrücken, bis dies wieder möglich ist. Aber sie darf nicht Dauerversorgung sein.

Die St. Galler Steuerlast

Was sagen Sie zur Steuerbelastung im Kanton St. Gallen?

Die Steuerlast im Kanton St.Gallen ist zu hoch. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Kantonen und hier besteht Handlungsbedarf. Es ist für die Wirtschaft – die derzeit an mehreren Fronten zu kämpfen hat: Frankenstärke, immer mehr Regulierungen, usw. – von existenzieller Bedeutung, dass Entlastung stattfindet. Diese ist herbeizuführen, damit die Arbeitsplätze im Kanton erhalten bleiben.

In der Regierung ist man gefordert, die Bürgerinnen und Bürger und auch die Unternehmen zu unterstützen und nicht in ihrer täglichen Arbeit zu behindern. Man ist nicht aufs Fordern reduziert. Als Regierungsrätin kann ich handeln, Entscheidungen treffen und mithelfen, dass Entlastungen herbeigeführt werden.

Das ist notwendig. Auch deshalb kandidiere ich als Regierungsrätin im Kanton St. Gallen.

Das Interview führte Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch