Schuld ist die Personenfreizügigkeit

England kündigt der EU die Mitgliedschaft

Das wirtschaftlich zweitstärkste Mitgliedland kehrt der Europäischen Union den Rücken. Die krisengeschüttelte EU erleidet einen Aderlass noch nicht absehbaren Ausmasses.

Von Ulrich Schlüer, Flaach ZH
(publiziert in der Zürcher Woche)

Die Personenfreizügigkeit – also die unkontrollierte Zirkulation aller Einwohner von EU-Ländern im ganzen EU-Gebiet – geniesst bei Brüssels Bürokraten den Status eines Heiligtums. Es gebe, sagen sie, nichts daran zu rütteln – obwohl sie nirgends funktioniert.

Der Schengen-Vertrag…

Im sog. Schengen-Abkommen haben sich die EU-Mitgliedländer (ohne England) gegenseitig offene Landesgrenzen garantiert. Das kann – für sich allein betrachtet – zwar durchaus funktionieren. Allerdings nur, wenn das ganze EU-Gebiet vor illegaler Einwanderung wirkungsvoll geschützt werden kann.

Auch dies, den rigorosen Schutz der EU-Aussengrenze, haben sich die EU-Mitglieder gegenseitig verbindlich zugesichert. Allerdings nur auf Papier. In der Wirklichkeit blieb die EU-Aussengrenze ohne Schutz.

Inzwischen hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel – ohne jede Absprache mit anderen EU-Ländern – die «Willkommenskultur» gegenüber allen, echten wie unechten, Flüchtlingen ausgerufen. Eine Völkerwanderung aus Nahost und Afrika in Richtung Europa ist die Folge. Kein Land ist solcher Völkerwanderung gewachsen – weil nur wenige Ankommende, vor allem junge Männer, überhaupt arbeitsbereit sind. Die Auszehrung der Sozialwerke in allen westeuropäischen Staaten ist die Folge – eine unbezahlbare Folge.

… ist toter Buchstabe

Das totale Versagen gegenüber der illegalen Masseneinwanderung ist für jedermann sichtbar geworden. Entsprechend wachsen Unwille und offener Protest gegenüber der Personenfreizügigkeit. So lange Brüssel an diesem nur auf Papier funktionierenden System festhält, erringen überall in Europa Brüssel-feindliche Parteien teils spektakuläre Wahlsiege.

Auch der Brexit, der Austritt Englands aus der Europäischen Union wurde Tatsache, weil Englands Bürger die unkontrollierte Zuwanderung – Folge der Personenfreizügigkeit – schlicht und einfach nicht akzeptieren.

Demokratie oder Funktionärsdiktatur

Die Schweiz hat sich mit einem bilateralen Vertrag mit der Europäischen Union dem System der Personenfreizügigkeit angeschlossen. Doch am 9. Februar 2014 hat das Schweizervolk der unkontrollierten Masseneinwanderung eine Absage erteilt. Der Bundesrat müsse auf dem Verhandlungsweg von der Europäischen Union erreichen, dass die Schweiz die Einwanderung ins eigene Land wieder eigenständig regeln könne.

Die Schweizerinnen und Schweizer sind mit ihrer Kritik an der Personenfreizügigkeit alles andere als allein. Sie grassiert in allen EU-Mitgliedländern. Ob Brüssel den Wink mit dem Zaunpfahl, den die EU aus England erhalten hat, beherzigt? Sind Brüssels Bürokraten endlich bereit, das Nein der Bürger in allen EU-Ländern zur unkontrollierten Masseneinwanderung endlich zu respektieren?

In den Verhandlungen mit der Schweiz zur Einwanderungsfrage bietet sich Brüssel die Gelegenheit zu zeigen, dass die EU nicht bloss ein bürokratischer, demokratiefeindlicher Funktionärsapparat ist. Brüssel könnte zeigen, dass es die Sorgen aller Völker der unkontrollierten Masseneinwanderung gegenüber ernst nimmt, dass die EU die Demokratie respektiert.

Ob Brüssel diese Chance nutzt? Wenn nicht, dürfte das Überleben der EU kaum mehr lange gesichert sein.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch