Sicherheit nach Brüssel delegieren?

Schon eingebrochen?
Kommentar zum Stand der Bilateralen Verhandlungen II mit der EU, verfasst für die «Schweizerzeit» vom 3. Mai 2002

Am 17. April 2002 diskutierte der Nationalrat den Stand der zweiten Runde der bilateralen Verhandlungen. Von SVP-Seite geäusserte Befürchtungen, wonach das unablässige bundes- rätliche Schielen auf einen EU-Vollbeitritt das schweizerische Bankkundengeheimnis akut gefährde, weil für Brüssel eine EU-Mitgliedschaft unter Beibehaltung des Bankkundengeheim- nisses auf gar keinen Fall in Frage kommt, wurden vom Bundesrat oberflächlich als intellek- tuelle Spielerei ohne Fundament abgetan.

Nur gerade zwei Tage später, am 19. April 2002, musste auch der Bundesrat zugeben: Die Verhand- lungen mit Brüssel stecken in der Sackgasse. Grund: Das Bankkundengeheimnis! Die EU verweigert weitere Verhandlungen mit der Schweiz, solange der Bundesrat bezüglich Bankkundengeheimnis nicht substantiell nachgebe.

Zwei weitere Tage später, am 21. April, vermeldete die «NZZ am Sonntag», eine «Mehrheit des Bun- desrats» sei ­ nachdem die Landesregierung das Bankkundengeheimnis zuvor immer als «nicht verhandelbar» deklariert hatte ­ für Kompromissbereitschaft gegenüber Brüssel auch bezüglich Bankkunden- geheimnis.

Klar ist erneut: Die schweizerische Landesregierung sinkt, sobald es in internationalen Verhandlungen auch nur annähernd hart auf hart geht, in die Knie. Der bundesrätliche Drang nach Brüssel überstrahlt alles andere Handeln der Landesregierung derart, dass sie letzten Endes jeden «Kompromiss» einzugehen bereit ist. So wie sie der Schweiz mit dem Landverkehrsabkommen und mit dem Luftverkehrs- Staatsvertrag mit Deutschland schwerste wirtschaftliche Beeinträchtigung zumutet, so wehrt sich die Landesregierung höchstens lau und pro forma, wenn Brüssel dem Finanzplatz Schweiz das Fundament entziehen will.

Zwar hat der Bundesrat seinen definitiven Entscheid in Sachen Bankkundengeheimnis vorerst einmal «aufgeschoben». Aber vom früher geäusserten kategorischen Nein zur Verhandelbarkeit des schweizerischen Bankkundengeheimnis 1; ist nichts mehr zu hören. Er getraut sich vorderhand bloss nicht, dem eigenen Volk gegenüber zuzugeben, dass die Schweizer Verhandlungsposition vor Brüssel bereits wieder eingebrochen ist.

Der Bürger und Steuerzahler muss also zur Kenntnis nehmen: Selbst vitalste Interessen der Schweiz und der schweizerischen Volkswirtschaft sind in den Händen des Bundesrats nicht mehr sicher, solange dieser seinen unstillbaren Drang nach Brüssel in den Mittelpunkt all seiner «strategischen Zielsetzungen» stellt.

Mit dem heutigen Bundesrat ist das Bankkundengeheimnis nicht zu halten! Es hilft nur eines: Der sofortige Verhandlungsabbruch.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch