Versprechen halten

Ja zur SVP-Initiative "für demokratische Einbürgerungen"
Votum im Nationalrat am 7. Juni 2007

Ohne Aussicht auf Erfolg plädierte Ulrich Schlüer im Nationalrat für ein Ja zu demokratischen Einbürgerungen, wie dies die SVP-Initiative verlangt. Das letzte Wort zu dieser Initiative sprechen die Stimmbürger. Das Votum Schlüer im Wortlaut:

Hier zuhörend, muss ich zunächst feststellen: Es erstaunt, es befremdet, wie in diesem Saal mit Verfassungsrecht - ich kann es nicht anders sagen - gefuhrwerkt wird.

Was sagt die Bundesverfassung

Ich erinnere mich an die geltende Bundesverfassung, vor acht Jahren wurde sie beschlossen. Ich habe persönlich sämtliche Materialien aller Kommissions-, aller Subkommissions-Sitzungen noch einmal akribisch daraufhin kontrolliert, was zum Bürgerrecht festgelegt worden ist. Das Resultat ist eindeutig: Das Bürgerrecht ist ein politisches Recht. Kein anderer als alt Bundesrat Arnold Koller - er gilt als Vater der Bundesverfassung von 1999 - hat hier vor dem Rat ausgeführt - ich zitiere aus dem Amtlichen Bulletin jener Debatte, die vor der Volksabstimmung über die nachgeführte Bundesverfassung geführt worden ist. In dieser Debatte wurde dem Volk gesagt, was gilt:

"Es gibt keine Verfassungsgrundlage dafür, die Einbürgerung ohne Volksabstimmung von einem politischen Entscheid in einen reinen Verwaltungsakt zu verwandeln."

Mit anderen Worten: Ohne Volksabstimmung darf das Einbürgerungsrecht nicht der politischen Entscheidung entzogen werden. Eine eindeutige Aussage, abgegeben gegenüber der Bevölkerung im Blick auf die Abstimmung über die Bundesverfassung.

Ja, meine Damen und Herren: Ist das Gesagte von 1998 jetzt einfach Makulatur? Man hat damals der Bevölkerung diese Verfassung vorgelegt, man hat ihr erklärt, die Nachführung erfolge, um die Verfassung in allen Teilen völkerrechtskonform auszugestalten. Man hat der Bevölkerung versichert, so, wie die Verfassung präsentiert werde, sei sie vollumfänglich völkerrechtskonform. Und man hat gegenüber der Bevölkerung klar zum Ausdruck gebracht: Das Recht einzubürgern ist ein politisches Recht und kein Verwaltungsakt.

Bundesgericht bricht Verfassung

Das Bundesgericht, das selbstverständlich auch bei der Einbürgerungsfrage mehrfach zur Beurteilung der Verfassungstexte zugezogen worden ist, das sich immer wieder dazu äußern konnte, hat die Haltung von Kommission und Bundesrat 1998 geteilt. Aber 2003 hat es diese Position kurzerhand auf den Kopf gestellt. Und jetzt kommen Sie, Herr Gross, und sagen, das Volk sei "absolutistisch" - nur weil es sich in diesem Zusammenhang nicht belügen lassen will: Was uns 1999 versprochen wurde, was uns im Vorfeld der damaligen Volksabstimmung über die nachgeführte Bundesverfassung versprochen wurde, das gilt, darauf beharren wir. Wenn das Volk diesen Standpunkt einnimmt, dann ist es gewiss nicht absolutistisch. Es vertraut vielmehr dem Wort von Behörden, vertraut darauf, dass ihm von den Behörden die Wahrheit mitgeteilt wird. Das Volk hat Anspruch darauf, dass man bei der Wahrheit bleibt und die Versprechen von 1999/2000 eingehalten werden.

Gegen die Entmachtung des Volkes

Selbstverständlich darf jeder in diesem Land auch andere Ziele verfolgen, aber er hat dazu den Weg zu gehen, den die Verfassung vorschreibt. Er kann eine Initiative lancieren und dem Volk die Frage vorlegen: Seid ihr einverstanden, dass die Einbürgerung nur noch eine Verwaltungsverfügung sein soll? Aber er kann solche Veränderung nicht einfach einführen, von heute auf morgen sagen: Jetzt gilt nicht mehr, was versprochen wurde, ab heute gilt das Gegenteil. Genau diese Auseinandersetzung führen wir hier. Und gegen derartige Verfassungsänderung "auf kaltem Weg" wehrt sich unsere Initiative. Diese Initiative will nichts anderes, als an jenes Versprechen erinnern, das 1999 verbindlich gegenüber dem Souverän abgegeben worden ist. Für uns gilt nicht bloss "pacta sunt servanda", auch das Wort, das der Bevölkerung gegeben worden ist, verpflichtet, ist einzuhalten.

Was die Mehrheit hier plant, wozu Ihnen das Bundesgerichtsurteil den Weg gebahnt hat, ist eine kalte Entmachtung des Volkes, hinter dessen Rücken, entgegen den Versprechungen, die abgegeben worden sind. Wir wollen mit der Initiative nichts anderes als die Verfassungsordnung wiederherstellen.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch