Ungereimtheiten

Rechtsgrundlage für Armee-Auslandeinsätze
Nationalrätzliche Fragestunde vom 20. Dezember 1999

In der parlamentarischen Fragestunde vom 20. Dezember 1999 stellte Nationalrat Ulrich Schlüer denSwisscoy-Einsatz in Kosovo mit folgenderFrage zur Diskussion:

"Auf welcher Rechtsgrundlage beruht die Anordnung, dass die bei der Swisscoy in Kosovo eingesetzten Armeeangehörigen dann, wenn sie im Rahmen eines Auftrages ihr Camp verlassen, entgegen den ursprünglichen Zusicherungen des Bundesrates generell mit Waffe und Munition ausgerüstet sind?"

Antwort von Bundesrat Adolf Ogi:

"Die Angehörigen der Swisscoy sind nicht generell mit Waffen und Munition ausgerüstet. Der Verbandsschutz wird gemäss Abkommen vom August 1999 mit Österreich durch das österreichische Kontingent gewährleistet. Die Swisscoy selbst verfügt über ein Sicherheitsmodul von zwölf Festungswächtern, die mit dem Sturmgewehr 90 bewaffnet sind. Zum Korpsmaterial der Einheit gehören 34 weitere Sturmgewehre. Diese werden fallweise zur Erfüllung von Aufträgen ausserhalb des Camps an einzelne Angehörige der Swisscoy abgegeben, sofern die Sicherheitslage dies erfordert und nicht genügend Sicherheitspersonal vorhanden ist. Über diese fallbezogene Abgabe von Waffen entscheidet der Kommandant der Swisscoy nach Weisung des schweizerischen Befehlshabers im Einsatzraum. Dessen Weisungen richten sich nach den sogenannten "dress und movement codes" der Kfor, welche laufend der Sicherheitslage angepasst werden und für jede Strecke und jeden Arbeitsplatz vorschreiben, wie der Schutz zu gewährleisten ist. Die Rechtsgrundlagen dieser Regelung sind:

1. Artikel 66 Absatz 3 des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995;

2. Die Verordnung vom 24. April 1996 über den Einsatz von Personal bei friedenserhaltenden Aktionen und Guten Diensten;

3. Der Bundesratsbeschluss betreffend den Swisscoy-Einsatz vom 11. August 1999;

4. Das Abkommen zwischen der Schweiz und Österreich bezüglich des Swisscoy-Einsatzes vom 20./23. 8. 1999."

Anschlussfrage Schlüer:

"Ich danke Ihnen für diese Antwort, Herr Bundesrat. Meine Zusatzfrage geht dahin: Weshalb geben bei der Swisscoy Eingeteilte am Schweizer Fernsehen in einem Filmbeitrag, bei dem Sie selbst mitgewirkt haben, Herr Bundesrat, völlig andere Auskünfte? Gestern Abend (19. Dezember 1999) hat man am Fernsehen eine junge Offizierin mit derWaffe gesehen, die mit Kindern scherzte. Es wird gesagt, der österreichische Geleit- bzw. Rahmenschutz spiele in der Praxis nicht, er habe nie wirklich stattgefunden. Österreichische Offiziere erklären in diesem Film, sie hätten nicht im Sinn, diese Schutzaufgabe wahrzunehmen; das sei eine Aufgabe, die die Schweizer selbst wahrnehmen müssten. Laut Gesetz wäre der Bundesrat für die Bewaffnungsfrage zuständig. Im Film kommt zum Ausdruck, dass es der Kompaniekommandant ist, der die Entscheidung trifft. Dazu stellt sich die generelle Frage: Wie kommt eigentlich der Bundesrat in seiner Umfrageneuphorie, die er neuerdings in dieser Sache entwickelt, dazu, überhaupt nie mehr zu erwähnen, dass es vor fünf Jahren einen Volksentscheid bezüglich Armee-Einsätzen im Ausland gegeben hat?"

Antwort von Bundesrat Adolf Ogi zur Zusatzfrage:

"Vor fünf Jahren haben wir über den Einsatz von Uno-Blauhelmen abgestimmt. Der Einsatz von Swisscoy in Kosovo entspricht nicht den damals vorgesehenen Blauhelm-Bataillonen; das ist ein anderer Einsatz. Es tut mir leid, wenn man gestern Abend Kinder gesehen hat, die mit Waffen gespielt haben; das ist nicht in Ordnung. Es tut mir leid, wenn derjenige, der für die Waffenausgabe in Suvareka zuständig ist, mit Freude gesagt hat, jeden Tag würden alle Sturmgewehre hinausgegeben. Das hat er so gesagt, das ist wahr; es ist jedoch falsch und nicht mehr so. Die ganze Aktion braucht eine sogenannte Einführung, braucht etwas Anlaufzeit, und deshalb passieren halt Fehler. Diese werden seither immer wieder korrigiert; ich darf das sagen. Wenn die Österreicher sagen, dass sie uns nicht schützen wollen, entspricht das nicht der Abmachung, die wir getroffen haben. Dass der österreichische Kommandant ausgeführt hat, es sei unverantwortlich, was die Schweizer in Kosovo tun, ohne bewaffnet zu sein, das stimmt. Ich selber habe in Kosovo mit diesem Mann gesprochen und ihn gebeten, solche Erklärungen nicht mehr abzugeben. Aber es ist das Problem; Sie haben es zu Recht gesagt. Wir werden in Zukunft nicht mehr zugelassen werden, wenn wir keine Waffen zum Selbstschutz mitbringen können."

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch