Tätigkeit der Kommission Bergier

Interpellation vom 6. Oktober 1998

Text des Vorstosses

Wir bitten den Bundesrat um Beantwortung der folgenden Fragen:

1. Wie ist die strenge Auftragstreue und damit die Kostenkontrolle bei den der Kommission Bergier eingeräumten Krediten sichergestellt?

2. Wann ist der Schlussbericht der Kommission Bergier aus heutiger Sicht zu erwarten?

3. Teilt der Bundesrat die Auffassung, dass es primär der Schlussbericht ist, der von Interesse ist, und dass dieser so bald als möglich fertiggestellt werden muss?

4. Ist der Bundesrat bereit, nach Abschluss der Arbeiten der Kommission Bergier alle Archivalien des Bundes aus der Zeit bis zum Jahre 1945 ohne jede Ausnahme allen historisch Interessierten zur Einsicht zu öffnen und offen zu halten, um wirklich allen Gelegenheit zu geben, die Ergebnisse der Kommission Bergier kritisch zu würdigen?

Begründung

Die Bergier-Kommission hat den Auftrag, die Wahrheit über die Schweiz im Zweiten Weltkrieg zu ergründen. Mit der Globallösung ist die historische Wahrheitsfindung vom Geld klar und abschliessend getrennt worden. Damit bleibt allein die Aufgabe übrig, den Bericht gemäss Auftrag und Budget abzuschliessen und die Quellen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Dies scheint sich nicht nur als schwierig, sondern auch langwierig zu erweisen. Die Zwischenberichte zeigen die Unmöglichkeit, ganz objektiv zu sein und damit zu einem allgemeinverbindlichen Geschichtsverständnis vorzustossen. Die Rolle der Kommission muss sich deshalb auf das Sichten und Bereitstellen von Quellen für die Öffentlichkeit konzentrieren. Die Fakten müssen so bald als möglich auf den Tisch, damit eine politische Würdigung der Ereignisse möglich wird, und sich die interessierten Historiker und Historikerinnen sowie Private der weiteren kritischen Auseinandersetzung mit den Quellen widmen.

Antwort des Bundesrates vom 1. Dezember 1998

1.
Das Finanzgebaren der UEK unterliegt den allgemein in der Bundesverwaltung gültigen Normen. Es wird durch die Finanzabtellung des EDA und die Eidgenössische Finanzkontrolle überprüft. Der Budgetierungsprozess der UEK erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung des EDA und der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Die UEK legt dem EDA einmal jährlich einen Bericht samt entsprechenden Belegen über die Beanspruchung der vom Parlament bewilligten Kredite vor. Im übri- gen hat die Sektion 2 der Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte am 11. 5.1998 die UEK einer Inspektion unterzogen. Der lnspektionsbericht weist keine Beanstandung auf.

Was die vom Interpellanten angesprochene "Auftragstreue" anbelangt, so kann die Erfüllung des von Parlament und Bundesrat erteilten Mandats erst beurteilt werden, wenn der Schlussbericht der UEK vorliegt. Das Mandat ist im Bundesbeschluss vom 13. 12. 1996 und im darauf basierenden Bundesratsbeschluss vom 19.12.1996 umrissen.

2. Gemäss Bundesbeschluss vom 13.12.1996 verfügt die UEK über eine Frist von maximal fünf Jahren (d.h.bis Ende des Jahres 2001), um den Schlussbericht abzuliefern. Sie hat dem Bundesrat halbjährlich Bericht über den Fortgang der Arbeiten zu erstatten. Der Bundesrat befürwortet einen zügigen Abschluss der UEK-Arbeiten im Rahmen des Mandats und der vom Parlament bewilligten finanziellen Ressourcen.

3. Der Schlussbericht wird das massgebende Ergebnis der UEK-Forschungsarbeiten darstellen.

4. Der Bundesrat begrüsst es, dass sich eine breite Oeffentlichkeit mit den Forschungsergebnissen der UEK befasst. Allen Interessierten ist es bereits heute möglich, im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen die Archivalien aus der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit, die im Schweizerischen Bundesarchiv aufbewahrt sind, zu konsultieren.

Weiteres Vorgehen

Die Diskussion wurde beantragt.

Stellungnahme Schlüer vor dem Rat (1. März 1999)

Es ist schon erstaunlich, dass eine ganze Kaskade von Vorstössen zu angeblich wichtigen Anliegen heute grossenteils in der Versenkung verschwindet, weil die Urheber nicht anwesend und damit offenbar nicht mehr daran interessiert sind, ihre Vorstösse hier zu vertreten. Dabei wäre es das Thema doch wert, dass man sich einmal genauer damit befasst.

Herr Bundesrat Cotti, ich danke Ihnen für die wohl von Ihnen verantwortete Antwort des Bundesrates auf die Interpellation, die ich seinerzeit im Namen der SVP-Fraktion eingereicht habe. Ich bin allerdings der Auffassung, dass noch ein paar Fragen in bezug auf die Verantwortung des Bundesrates im Zusammenhang mit den Arbeiten der unabhängigen Historikerkommission offengeblieben sind, die noch diskutiert werden müssen.

Es ist doch eigenartig, dass wir immer wieder mit Verschiebungen von längst angekündigten Zwischenberichten konfrontiert werden. Der Zwischenbericht zur Flüchtlingsfrage wurde ursprünglich auf den letzten September angesagt, jetzt muss man froh sein, wenn er im Herbst 1999 kommt.

Eigenartigerweise sind aber einzelne Mitglieder der Bergier-Kommission durchaus in der Lage, zum Thema, das Gegenstand des längst überfälligen Zwischenberichtes wäre, bereits Artikel zu verfassen, Referate zu halten und klar vorwegzunehmen, wie sie die Schweiz im zu untersuchenden Zusammenhang beurteilen. Da muss doch der Bundesrat als Auftraggeber einmal festlegen, welche Ordnung gilt. Wenn diese Kommission beauftragt ist, ihre Arbeit zu machen, ihre Berichte vorzulegen - und zwar zuerst dem Bundesrat, erst nachher der Öffentlichkeit -, dann sollen sich die einzelnen Mitglieder an den gegebenen "Fahrplan" halten. Es kann doch nicht angehen, dass sich einzelne Mitglieder auf eigene Faust, fussend auf den besonderen Einsichtnahmen, die sie vornehmen können, in der Öffentlichkeit äussern, der Bundesrat aber sagen muss, er könne erst Stellung nehmen, wenn ein endgültiger Bericht vorliege! Das Mandat, das man dieser Kommission und damit den einzelnen Mitgliedern gibt, ist endlich klar festzulegen.

Der Bundesrat sagt, er könne zu den Erkenntnissen der Bergier-Kommission erst Stellung nehmen, wenn der Schlussbericht vorliege. Ja, weshalb lässt man es dann zu, dass Zwischenberichte verfasst werden? Entweder hat man Zwischenberichte zugelassen, weil man gewisse Probleme prioritär beurteilt haben will - dann muss man aber auch umgehend dazu Stellung nehmen. Oder man will nur einen einzigen Bericht - das ist dann der Schlussbericht -, der vorgelegt wird, wenn er definitiv ausgearbeitet ist. Wenn jetzt Einzelberichte portionenweise vorgelegt werden, dann stellen sich doch Fragen, zu denen sich der Bundesrat äussern muss, bevor der Schlussbericht vorliegt.

Beispielsweise haben wir äusserst saloppe - äusserst saloppe! - Ausführungen der Bergier-Kommission zu ihren Kontakten mit sogenannten Zeitzeugen gehört. Nun gibt es Zeitzeugen und Zeitzeugen. Es gibt heute noch lebende Verantwortungsträger von damals. Diese werden offensichtlich von der Bergier-Kommission bewusst gemieden. Uns wurde der Zwischenbericht zur Frage des Goldes vorgelegt, der zu den wirtschaftlichen Bemühungen der damaligen Verantwortungsträger Stellung nimmt, die unserem Land das Überleben ausserhalb des Nazireiches zu sichern hatten - beileibe eine schwierige Aufgabe! Doch die Verantwortungsträger von damals sind nie von der Bergier-Kommission in Konsultation gezogen worden, nie!

Ich möchte Sie fragen, Herr Bundesrat: Was sagen Sie dazu, dass alt Bundesrat Schaffner – immerhin verantwortlich für die damalige wirtschaftliche Koordination der Überlebensmassnahmen - von der Bergier-Kommission nie angehört worden ist? Der Sohn des kurz nach dem Krieg ins Amt gewählten Bundesrates Feldmann - weiss Gott ein sehr objektiver, gerechter und genauer Beurteiler der damaligen Flüchtlingssituation! - hat die Tagebücher dieses Bundesrates zur Verfügung gestellt; die Bergier-Kommission erklärte sich als an diesen Tagebüchern nicht interessiert. Was sagen Sie als Aufsichtsbehörde dazu? Was sagen Sie als Aufsichtsbehörde dazu, dass Herr alt Staatssekretär Paul Jolles, der Teilnehmer an den Washingtoner Verhandlungen von 1946 war, der also à fond weiss, um was dort gerungen worden ist, im Zusammenhang mit dem Goldbericht von der Bergier-Kommission nicht angehört worden ist? Der Bundesrat muss doch als Nachfolgebehörde der damaligen Verantwortungsträger darauf pochen, dass die Verantwortungsträger von damals ihre Meinung, ihr Wissen, ihr umfassendes Wissen einbringen können!

Es ist mir unverständlich, wie der Bundesrat im Wissen um solche Tatbestände sagt, er nehme dazu Stellung, wenn der Schlussbericht vorliege. Wenn Zwischenberichte zugelassen werden, dann hat der Bundesrat auch bezüglich dieser Zwischenberichte Verantwortung zu übernehmen.

Diese Fragen sind offengeblieben, und ich wäre Ihnen dankbar, Herr Bundesrat, wenn Sie sie wenigstens jetzt noch beantworten könnten.

>> Kommentar zur Antwort des Bundesrates vom 6. Oktober 1998

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch