Die Waffenabgabe an den Wehrmann muss bleiben

Als Sprecher der Kommission, die mehrheitlich die Ablehnung eines SP-Vorstosses beantragte, der das Verbot der Abgabe von Armeewaffen an die Wehrmänner nach Hause forderte, äusserte sich Nationalrat Ulrich Schlüer am 27. September 2007 wie folgt zum geltenden Waffenrecht:

Die SP-Forderung

Die parlamentarische Initiative der SP-Fraktion unter dem Titel "Aufbewahrung bzw. Abgabe von Ordonnanzwaffen und entsprechender Kriegsmunition" will bei den in der Armee Eingeteilten keine private Aufbewahrung der persönlichen Waffe mehr zulassen. Die Waffe der Eingeteilten soll im Zeughaus aufbewahrt werden. Nach Absolvierung der Dienstpflicht darf die Waffe nur behalten, wer eine polizeiliche Zustimmung für diesen Besitz beibringen kann. Ausnahmen sollen für Schützen gemacht werden. Für Munition soll die private Aufbewahrung generell untersagt werden: Das Ende der Taschenmunition wird gefordert.

Das geltende Recht

Die heutige Regelung betreffend Waffenabgabe geht auf 1874 zurück; seither spricht man von der persönlichen Waffe, die eben beim Wehrmann ist. Seit 1902 wird dem Wehrmann zusätzlich die Waffe nach Absolvierung der Dienstpflicht belassen; er bleibt also Besitzer der Waffe, mit der er den Dienst geleistet hat.

Bis ungefähr 1980 war diese Regelung unbestritten, dann geriet sie im Zusammenhang mit Verbrechen in die Diskussion - es wurde häusliche Gewalt beschworen usw. Die Regelung wurde aber 1994 mit einem sehr deutlichen Resultat bestätigt. Die Kritik ging danach freilich nicht zurück; sie kam in Zusammenhang mit der Diskussion um die "Armee XXI" wieder auf.

Taschenmunition

Die Taschenmunition wurde erstmals in den Jahren 1893 bis 1898 abgegeben - aber nur einer Elite. 1940 bis 1945 wurde sie an die Grenztruppen abgegeben, und ab 1952, mit Blick auf internationale Spannungen, an alle Wehrmänner. Seit 2004, seit die "Armee XXI" gilt, wird die Taschenmunition nur noch den aktiven Wehrmännern nach Hause mitgegeben, die Reservisten haben keine Taschenmunition.

Im Übrigen ist dazu der Vorstoss seitens des Ständerates zu behandeln.

Waffenabgabe heute

Heute gilt also noch, dass die Waffe auf dem Mann ist. Es gibt Ausnahmen: Wenn er sich ins Ausland begibt, wenn er immer wieder seinen Wohnsitz wechselt - das hat zu Problemen geführt -, wenn von ihm eine Gefahr ausgeht - es wird beurteilt, ob er gefährlich oder unberechenbar ist -, oder auf persönlichen Wunsch wird seine Waffe gegen Gebühr im Zeughaus deponiert. Zu Eigentum wird sie ihm gemäss Beschluss von 2006, der 2010 in Kraft tritt, überlassen, falls er in den letzten drei Jahren mindestens zwei Bundesübungen über 300 Meter geschossen hat und persönlich eine Erklärung abgibt, wonach er mit der Waffe umzugehen weiss; das musste er während der Zeit des Militärdienstes ja beweisen.

Preis für die Milizarmee

Die Kommissionsmehrheit beantragt Ihnen, an der Abgabe der Waffe an den Wehrmann festzuhalten. Wir erachten das als militärisch notwendig. Die Abgabe der Waffe ist der Preis, den wir für unsere Milizarmee zahlen, für das Milizprinzip, das davon ausgeht, dass wir zwar möglichst viele Ausgebildete und Einsatzfähige für den Notfall haben, dass aber möglichst wenige ständig im Dienst sind. Damit dieses System funktioniert, kann dem Wehrmann natürlich nicht zugemutet werden, zuerst der Waffe und der Munition bzw. hier zumindest der Waffe nachrennen zu müssen, wenn wirklich ein Notfall eintritt. Es wird von ihm ja sofortige Bereitschaft verlangt.

Raumsicherung heute

Wir sind auch der Auffassung, dass es in bezug auf heute denkbare Raumsicherungseinsätze, die ohne jede Vorwarnung nötig werden können, eine Notwendigkeit bleibt. Es ist zuzugeben, dass nicht jeder dieser Einsätze mit der Waffe geleistet werden muss. Aber wir würden es als falsch erachten, dem Wehrmann die Waffe generell wegzunehmen. Im Weiteren ist die Abgabe der Waffe Zeichen des Vertrauens gegenüber dem Wehrmann. Er wusste mit diesem Vertrauen auch umzugehen. Wir haben bei Hunderttausenden von abgegebenen Waffen äusserst wenig Missbräuche.

Ausserdienstliche Schiesspflicht

Im Übrigen ist festzuhalten: Die ausserdienstliche Schiesspflicht wäre ohne Abgabe der Waffe nicht mehr erfüllbar. Das würde bedeuten, dass man in einem Wiederholungskurs ein bis zwei Tage bräuchte, bis die Waffe eingeschossen ist, bis der Umgang mit ihr eingeübt ist. Man würde also etwa zwei Ausbildungstage verlieren gegenüber heute. Mit dem Ziel, kurze WKs zu haben, mutet man dem Soldaten zu, den Umgang mit der Waffe auch zu Hause zu üben. Deshalb muss er ja das Obligatorische schiessen.

Persönliche Waffe und Kriminalität

In Bezug auf Verbrechen ist zu sagen: Wer ein Verbrechen begehen will, der findet immer eine Waffe. Die Zahl der Dienstwaffen, die bei Verbrechen benutzt werden, ist äusserst gering - äusserst gering. Da kommt es sehr selten zu Missbräuchen.

Ungenaue Formulierung

Die Umsetzung der Parlamentarischen Initiative, so wurde von der Kommissionsmehrheit befunden, sei schwierig, auch weil die Ausnahmebestimmungen so nebulös formuliert worden seien. Im Übrigen wurde festgehalten, dass am Prinzip des Waffengesetzes festzuhalten sei, weil es sich bewährt habe: Das Waffengesetz ist ein Missbrauchsgesetz, das dem Einzelnen die Freiheit gibt, eine Waffe zu besitzen, aber jenen streng bestraft, der mit dieser Waffe Missbrauch betreibt.

Antrag

Mit 12 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt Ihnen die Kommission, der Parlamentarischen Initiative der SP keine Folge zu geben.

Stellungnahme auf abgegebene Voten

Ich möchte noch kurz zu einigen Punkten Stellung nehmen, die von Fraktionssprechern angeführt worden sind.

Täter, nicht Geräte töten

Ich beginne bei den Ausführungen von Herrn Kollege Banga: Man kann ja einiges sagen. Aber dass die Wissenschaft sich einig sei, das kann man wahrhaftig nicht sagen. Es gibt mehrere Studien, die zu unterschiedlichen Resultaten kommen. Ich bin zwar auch nicht der Auffassung, dass es viel bringt, einen grossen Zahlenkrieg zu veranstalten. Was sicher nicht stimmt - das sagt auch Herr Killias nicht -, das ist die Aussage, dass vier von fünf Verbrechen mit Schusswaffen geschehen - bei weitem nicht!

Grundsätzlich ist im Zusammenhang mit diesem Zahlenkrieg festzuhalten: Es töten nicht Geräte, es töten Täter! Das ist das Entscheidende. Es tötet ein Wille, der hinter einem Täter steht. Es ist der Wille des Täters, der ausschlaggebend ist, und nicht das Gerät.

Auch in bezug auf Suizide gilt: Es ist in der Regel eine fürchterlich tragische Geschichte für diejenigen, die davon betroffen sind, aber es ist nicht so, dass zufälligerweise Waffen herumliegen, dass einer es dann einmal probiert und überrascht ist, dass es geht - so darf dies nicht dargestellt werden! Wir können diese tragischen Fälle nicht mit Zahlenspielen aus der Statistik der Feuerwaffen erklären.

Einzigartige Regelung

Was hingegen stimmt, Kollege Banga, ist die Tatsache, dass in Europa keine andere Armee das Schiesswesen nach gleichem System organisiert hat wie die Schweiz. Das ist richtig; das haben wir gestern Abend auch noch in der Sendung "10 vor 10" sehen können. Nur: Es ist auch keine andere Armee so organisiert und strukturiert wie die unsere, die eben die Leute in Wiederholungskurse schickt und dann als Eingeteilte zu Hause lässt. Das ist einzigartig, und deshalb haben auch nur wir dieses System nötig. Wer Truppen ständig unter Waffen hält, hat dieses System selbstverständlich nicht nötig und benutzt es auch nicht. Aber wir sind mit unserem System zu der Lösung gekommen, die Waffe nach Hause abzugeben.

Armeevergleiche

Und jetzt muss ich noch etwas sagen zu Ausführungen, die zur Sicherheitsfrage gemacht worden sind: Wenn Sie schon Armeevergleiche in Europa anstellen, können Sie mir dann eine Armee in Europa nennen, von der weniger Leid ausgegangen ist als von der schweizerischen Armee? Da wurde bis heute in der Schweiz eine Sicherheitsleistung erbracht, die ihresgleichen sucht. Und die Bevölkerung genoss Sicherheit, erlitt dabei aber weder Tod noch Verderben. Nie!

Militärische Bedeutung der Waffenabgabe

Nun zu den Aussagen, sicherheitspolitisch und militärisch sei die Waffenabgabe längst bedeutungslos geworden. Sie sei nutzlos.

Das wissen wir ganz einfach nicht! Wissen wir heute, für welchen Einsatz wir das Sicherheitsinstrument Armee in Zukunft einmal nötig haben? Ich erinnere Sie daran - es ist noch nicht so lange her, vielleicht vier oder fünf Jahre -, dass Kurden einmal in fünfzig Städten in Europa gleichzeitig, zur gleichen Stunde, zur gleichen Minute, Unruhen entfacht haben. Die Schweiz war nur am Rand davon betroffen, aber sie hätte ja auch betroffen sein können. Möglicherweise müsste ein Einsatz dagegen als Armee-Einsatz geleistet werden, möglicherweise auch nicht. Sicher aber wäre es falsch zu sagen, wir schliessen alle Möglichkeiten, die Waffeneinsatz erfordern würden, einfach einmal aus und entwaffnen alle.

Disziplin

Noch eine letzte Bemerkung zu Frau Galladé: Frau Galladé, es ist in der Schweiz nie vorgekommen, dass eine irgendwie wild gewordene Soldateska unkontrolliert herumgeschossen hätte. Der Wehrmann weiss auch im Notfall-Einsatz, wie er sich zu verhalten hat. Es hat in solchem Zusammenhang in der Schweiz nie eine unkontrollierte Situation gegeben, weil der Wehrmann sich immer verantwortungsbewusst gezeigt hat, wofür man ihm auch Vertrauen schenkt. Er weiss mit der Waffe umzugehen, und es ist richtig, ihm auch in Zukunft Vertrauen zu schenken.

Ich bitte Sie namens der Kommission, der Parlamentarischen Initiative der SP keine Folge zu geben.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch