Abbruch

Das Libyen-Desaster nimmt kein Ende
Frontseiten-Kommentar für die "Spalte rechts" in der "Schweizerzeit" vom 9. Oktober 2009

Das Libyen-Desaster nimmt kein Ende: Weiterhin will der Bundespräsident im Stile des eifrigen Jung-Pfadfinders Gaddafi zur Räson zwingen. Weiterhin lässt ihn der muslimischen Despoten-Tradition verhaftete Wüstendiktator gnadenlos abblitzen. Weiterhin verwirrt völlig konfuse Information die Schweizer Öffentlichkeit und die Schweizer Politik. Weiterhin darf der irre Gewaltherrscher im Zelt Völkerrecht und Menschenrechte ungestraft mit Füssen treten.

Die Schweiz lässt sich dank der jämmerlichen Inkompetenz ihrer für die Aussenpolitik verantwortlichen Organe in einer Art und Weise vor der gesamten Welt vorführen, dass sich eine zunehmende Zahl von Bürgern ernsthaft fragt, ob es für unser Land nicht besser wäre, gar keine Regierung zu haben als jene, die derzeit von Bern aus planlos in der Welt umher fuhrwerkt.

Und dies im Zeitalter grossmäulig angekündigter «aktiver Aussenpolitik». Die völlig hilflos, ja amateurhaft reagiert, wenn eine Krise mittlerer Dimension unversehens einmal unser Land trifft. Kriecherei einem hemmungslosen Gewaltherrscher gegenüber wird dann Tatsache. Bern entschuldigt sich devot, lässt sich bezüglich Geisel-Freigabe aber schmählich übers Ohr hauen. Der Bundespräsident nimmt – der Schweiz zunächst verschwiegen – vom Despoten persönlich den Befehl weiterer Entschuldigung entgegen – weil eine Schweizer Zeitung den Sohn des Gewaltherrschers in «unvorteilhafter Pose» abgebildet haben soll. Bern entschuldigt sich tatsächlich erneut (Wofür? Dafür, dass wir eine freie Presse haben?) – und blitzt bezüglich Gegenleistung erneut ab, weil der Bundesrat zur Entschuldigung nur den Staatssekretär geschickt, weil sich der Bundespräsident also nicht persönlich in den Staub geworfen hat. Statt Geiselfreigabe findet die Geiselentführung aus der Schweizer Botschaft statt: Erneut wurde Bern von Gaddafi regelrecht übertölpelt.

Kann es noch schlimmer kommen? Durchaus möglich, wenn man Berns Krisenmanagement weiterhin spontan funktionieren lässt. Auf die eingetretene Lage ist nur eine Antwort noch ehrenhaft: Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Libyen – bis zum Tag, da die Geiseln endlich freigelassen werden.

Ulrich Schlüer


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