Abschwarten: Partiell zu gestatten?

Scharia-Recht: Seltsamer Vorschlag eines Professors
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 31. Oktober 2008

Wertvoll wäre es, meint ein renommierter, zu Fribourg lehrender Rechtsprofessor, wenn die Scharia, das islamische Recht also, in der Schweiz als partiell anwendbar erklärt würde. Denn «Rechtspluralismus», formuliert es dieser Professor Giordano in seiner Gelehrtensprache, sei die richtige Antwort auf «Multikulturalismus». Jeder Kultur ein eigenes Gericht, ein eigenes Gesetzbuch, eigenes Recht. Alles im gleichen Land.

«Scharia-Gerichte» für hiesige Muslims. Denen müsse, fordert der Fribourger Professor ausdrücklich, vor allem auch eine spezielle Beurteilung des Delikts «Körperverletzung» zugestanden werden. Eine Forderung, die bereits Tradition hat: Erst vor einigen Monaten hat bekanntlich eine Richterin zu Frankfurt am Main geurteilt, dass auch in Westeuropa lebende muslimische Ehefrauen gelegentlich oder regelmässig körperliche Züchtigung durch Ehegatten als «kulturgegebene Tatsache» hinzunehmen hätten.

Das Abschwarten müsse, will uns der Rechtsgelehrte mit seiner Forderung nach Scharia-konformem Sonderrecht in Sachen Körperverletzung augenscheinlich sagen, auch in der Schweiz partiell gestattet werden. «Zurück ins Mittelalter – wenigstens für hier lebende Muslime!», lautet der professorale Aufruf. Auf was für abstruse Ideen sog. Rechtsgelehrte doch kommen, wenn sie sich in die Politik glauben versteigen zu müssen.

Und die Raser?

Wie ist denn, möchte man den Herrn Professor Giordano fragen, mit der Tatsache umzugehen, dass eine überdurchschnittlich hohe Zahl hier ihr Unwesen ausfahrender verantwortungsloser Raser die Herkunft Balkan ausweisen? Auch ein Fall für «kulturgegebenes Sonderrecht»?

Es stellen sich aber auch grundsätzliche Fragen: Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, damit jemand solch «kulturgegebenes Sonderrecht» für sich in Anspruch nehmen kann? Muss da jeder seine ihm nahestehende Kultur (oder gar seine Rassenzugehörigkeit) deklarieren? Da wir Herrn Giordano nicht unterstellen wollen, dass er die Einführung einer amtlich zu bestätigenden Rassenzugehörigkeits-Deklaration fordere, von welcher die Zuteilung zu einem Gericht seiner Kultur dann abzuleiten wäre, muss wohl jedem die freie Wahl überlassen werden, welchem kulturellen Sondergericht er sich unterziehen will. Ob sich einer, der dazu seine Wahl getroffen hat, dann auch noch weiterentwickeln, sich zum Beispiel in hiesige Sitten und Gebräuche integrieren darf? Darf er dann die für ihn zuständige Gerichtshoheit auch wechseln?

Fragen, denen sich zu stellen Herr Professor Giordano, als er sich auf seinen geistigen Höhenflug in Sachen Scharia-Gerichte begab, wohlweislich ausgewichen ist.

Auf Steuerzahlers Kosten

Beantwortet wird immerhin, wer zur Kasse gebeten wurde für die Publikation der Ergüsse Professor Giordanos zur Einführung von Scharia-Recht auch in der Schweiz. Bezahlen musste der Steuerzahler. Denn erschienen sind Giordanos Träume in der Zeitschrift «Tangram», im vom Bund finanzierten offiziellen Organ der «Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus», präsidiert von Professor Georg Kreis.

Dieser wollte die skurrilen Vorstellungen des Herrn Giordano zunächst als blossen «Diskussionsbeitrag» verstanden haben, sozusagen als positiven Denkanstoss. Sobald sich dieser «Denkanstoss» allerdings zum Rohrkrepierer entwickelte, der in weitesten Teilen der Öffentlichkeit, aber auch in Justiz, Wissenschaft und Politik nur – um es milde auszudrücken – ungläubiges Kopfschütteln (begleitet von gehörigen Portionen an Spott) auslöste, verliess den Forderer positiver Denkprozesse sichtlich aller Mut. Er ging vom Fribourger Kollegen deutlich auf Distanz. Dumm nur, dass er, Georg Kreis, eigentlich höchst persönlich für den Inhalt des auf Steuerzahlers Kosten verbreiteten «Tangram» verantwortlich ist. Da erscheint kein Beitrag, den Kreis als Chefredaktor nicht absegnen müsste. Es sei ihm, versucht er sich säuerlich herauszureden, halt auch einmal «ein Fehler passiert», wie das gelegentlich vorkommen könne...

Man stelle sich vor, annähernd vergleichbarer Stuss aus dumpfer Rassismus-Küche wäre beispielsweise einmal in einem SVP-Organ oder in der «Schweizerzeit» zu lesen – von der Ausrede begleitet, da sei bedauerlicherweise einmal etwas «fehlerhaft» durchgerutscht. Georg Kreis wäre der erste, der einen wohlorchestrierten Medienaufschrei aus der ganzen Schweiz in Szene zu setzen wüsste. Besteht der «bedauerliche Fehler» aus einem von ihm zu verantwortenden «Diskussionsbeitrag», dann präsentiert er die wahrhaft faulsten Ausreden – brav geschluckt übrigens von allen Medien. Was sich da äussert, könnte man auch als Feigheit des sich unter akademischen Titeln versteckenden Apparatschiks verstehen.

Ulrich Schlüer


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