Neutralitätsverrat - ratenweise

Als EU-Unterstellter in die Seeräuberjagd?
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 20. Februar 2009

Das Ereignis wurde vor Monatsfrist hier kommentiert: EU-Botschafter Michael Reiterer unterbreitete der Schweiz das «Angebot», sich an der von der EU beschlossenen Seeräuberjagd im Golf von Aden nicht mit Soldaten, sondern mit Geld beteiligen zu können.

Reiterer ist Nicht-Militär. Sein «Angebot» erfolgte gewiss nicht ohne vorherige Rücksprache mit Brüssel. Reiterer sprach zweifellos im Namen der EU.

Desavouierung

Und dennoch: Kaum war das Angebot ergangen, wurde der EU-Botschafter von Brüssel brüsk desavouiert. Die EU werde sich nie bloss mit einer Geldleistung zufrieden geben. Die Schweiz müsse Soldaten stellen. Ohne Wenn und Aber. So liess Brüssel seine Ansprüche herrisch verlauten – von souveränem, freiem Entscheid der Schweiz war überhaupt nie die Rede.

Was ist da geschehen, dass in Brüssel solch radikaler Meinungswechsel Tatsache wurde? Warum wurde Reiterer desavouiert?

Zugegeben: Wir wissen nichts Genaues. Aber einige interessante Zusammenhänge sind uns bekannt. Die uns veranlassen, etwas zu spekulieren.

Anton Thalmanns Rezept

In Adolf Ogis enger Entourage operierte seinerzeit, als Bundesrat Ogi von weltweiten Einsätzen der Schweizer Armee träumte, ein umtriebiger Diplomat, Anton Thalmann mit Namen, dem VBS vom Aussenministerium ausgeliehen als welt- und sicherheitspolitischer Berater. Botschafter Anton Thalmann hielt fleissig Vorträge. Öffentliche und solche «in geschlossenem Kreis». Dabei verkündete der glühende Internationalist Thalmann auch einmal ein bemerkenswertes «neutralitätspolitisches Rezept»: Die Neutralität frontal anzugreifen mittels Antrag auf formelle Abschaffung, das lohne sich nicht. Da würde sich das Schweizervolk querstellen. Deshalb solle man auf eine Schritt-für-Schritt-Taktik ausweichen. Man solle, riet Thalmann wörtlich, «die Neutralität sanft einschlafen lassen». Eine Aussage, die nicht nur Botschafter Thalmann, sondern auch Bundesrat Ogi – nachdem sie an die Öffentlichkeit durchgesickert war – massivst angekreidet wurde.

Botschafter Thalmann wurde etwas später ein Botschafterposten im Ausland anvertraut. In Brüssel. Wo er auch zuständig war für die Beziehungen zu Nato und EU. Und wo er sich zweifellos ein solides Kontaktnetz zu einflussreichen EU- und Nato-Koryphäen knüpfte.

Einfluss genommen?

Heute ist Botschafter Anton Thalmann einer der engsten Berater von Bundesrätin Calmy-Rey. Er hat seine Absicht nie geändert. Und Bundesrätin Calmy-Rey, die nach aussen «aktive Neutralitätspolitik» propagiert, weiss den eingefleischten Neutralitäts-Unterminierer ihren Zielen bestens nutzbar zu machen. Ob Thalmann, als Reiterer das unerwartete Geldangebot der Schweiz unterbreitete, nicht seine speziellen Beziehungen nach Brüssel spielen liess? An einflussreicher Stelle einzuflüstern verstand, Brüssel möge es der Schweiz doch bitte nicht allzu leicht machen, die EU solle sich nie und nimmer bloss mit Geld aus der Schweiz begnügen. Sie solle stattdessen verbindliche Ansprüche gegenüber der Schweizer Landesverteidigung geltend machen. Als Etappe auf dem Weg zur Auslöschung ihrer Neutralität. Als Etappe auf dem Weg zur Unterminierung der schweizerischen Souveränität.

Calmy-Reys Ziele

Calmy-Rey ist bekanntlich versessen auf diesen Militäreinsatz im Indischen Ozean. Nicht weil sie von Militär- und Militäreinsätzen etwas verstünde. Sondern weil sie die Souveränität der Schweiz über ihre eigene, die Schweizer Armee aufweichen will. Weil sie diese Armee Schritt für Schritt der EU dienstbar machen will. Obwohl Kriegseinsätze von der Verfassung nicht zugelassen werden. Obwohl militärische Zusammenarbeit mit der EU – die keine humanitäre Organisation ist – verfassungswidrig ist. Weil ein Land, das nicht mehr allein über seine Armee verfügt, kein unabhängiges, kein souveränes, kein selbstbestimmtes Land mehr ist. Alles ohne Volksabstimmung, ausschliesslich durch die Hintertür. Ganz nach Rezept Thalmann: Die Schweiz einschläfern, auf dass Bern die Neutralität «sanft einschlafen lassen kann».

Und Brüssel liess sich, die abgegebene Offerte ihres Botschafters zu Bern hin oder her, nicht zweimal bitten.

So wird sie umgesetzt, die Aushöhlung der Schweizer Neutralität und der Schweizer Souveränität. Alles unter dem Deckmantel der von den Medien lauthals gefeierten «aktiven Neutralitätspolitik».

Wie gesagt: Das alles ist nur Spekulation.

Oder vielleicht doch nicht?

Ulrich Schlüer


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