Wo Falschheit herrschet…

Die Evangelische Kirche und die Minarettverbots-Initiative
Kommentar für die Rubrik "Akzent" in der "Schweizerzeit" vom 15. Mai 2009

Am 11. April 2009 wurde an dieser Stelle ausführlich dokumentiert, wie es vor ca. sechs Wochen zum von mir herbeigeführten Abbruch eines «Streitgesprächs» auf der Redaktion des «reformiert», des ausschliesslich aus Kirchensteuergeldern finanzierten, in äusserst grosser Auflage (offenbar 700 000 Expl.) erscheinenden Monopol-Organs der Evanglisch-reformierten Kirche kam: Die von Faktenkenntnis ausgesprochen unbelastete, von herrschsüchtigem Diktierwillen um so vehementer fortgerissene Redaktorin Daniela Schegler stellte nicht bloss die Fragen, sie wollte mir vielmehr auch die aus ihrer Sicht «einzig zulässigen» Antworten diktieren – und fuhr dem Befragten, wenn er aufgrund persönlicher Meinungen anders antworten wollte, wiederholt in einem Ausmass an Unanstand über den Mund, dass ich – nach ausdrücklicher, wiederholter Vorwarnung – die Stätte der Indoktrination schliesslich verliess.

Einseitige Darstellung

Die Zeitschrift «reformiert» hat die Aussagen der «Gegnerin» im vorgesehenen Streitgespräch, der Muslimin Saïda Keller-Messahli inzwischen als ganzseitiges Interview abgedruckt («reformiert» 5, 24. April 2009) – unkommentiert.

Da es der «reformiert»-Redaktorin angesichts solcher Einseitigkeit offensichtlich nicht ganz wohl war, ergänzte sie das Interview mit folgender Bemerkung:

«Das Interview auf dieser Seite war ursprünglich als Streitgespräch zwischen dem Zürcher SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer vom Initiativkomitee und Saïda Keller-Messahli geplant. Ulrich Schlüer fühlte sich von den Interviewerinnen provoziert und brach das Gespräch ab. Seine Argumente finden sich auf nebenstehender Seite (S.9). Die Redaktion.»

Tatsächlich wurden – auf etwa einem Sechstel des Raumes, der Frau Keller-Messahli eingeräumt wurde – drei kurze Auszüge aus meinem am 4. März 2009 im Nationalrat zur Minarettverbots-Initiative abgegebenen Votums zitiert. Dies allerdings nur in einem Teil der «reformiert»-Ausgabe (die bekanntlich in von Kanton zu Kanton unterschiedlicher Fassung erscheint).

Entschuldigung

Angesichts der fünfzeiligen «Abfertigung» meiner Position im «reformiert», möchte ich es nicht unterlassen, der Leserschaft der «Schweizerzeit» den entscheidenden Abschnitt aus einem Brief (13. April 2009) der interimistischen «reformiert»-Redaktionsleiterin, Frau Christine Voss, zum ganzen Vorfall zur Kenntnis zu bringen. Er lautet wörtlich wie folgt:

«Um mir ein Bild von der Situation zu machen, habe ich mir in der Zwischenzeit einige der Passagen des Interviews ab Tonband angehört und bin zum Schluss gekommen, dass das Gespräch nicht nach allen ‹Regeln der Kunst› geführt wurde. Offensichtlich fehlte unserer Aushilfsredaktorin Daniela Schwegler die nötige Gelassenheit, um auch in einer schwierigen Interview-Situation über der Sache stehen zu bleiben. Wir sehen es üblicherweise als unsere Aufgabe an, als Interview-Führende sachlich zu diskutieren und uns nicht in ein persönliches Hin und Her verwickeln zu lassen. Dass dies beim Interview letzte Woche nicht so geschehen ist, bedauere ich sehr und möchte mich dafür entschuldigen.»

Es ist offensichtlich: Offenbar würde sich die «reformiert»-Redaktion lieber die Finger abhacken lassen, als die eigene Fehlleistung, die man dem Betroffenen gegenüber im persönlichen Brief korrekt eingesteht, in die Tasten zu tippen und auch der Leserschaft mitzuteilen…

Abrechnung

Übrigens: In der gleichen «reformiert»-Ausgabe, in der das ganzseitige Interview mit Saïda Keller-Messahli abgedruckt wurde, wird auf drei weiteren Seiten im Rahmen eines «Dossiers» mit der Minarettverbots-Intitiative abgerechnet – konsequent einseitig, oft desinformierend, den wirklichen Problemen beharrlich ausweichend.

Die Minarett-Verfechter durften mit etwelcher Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass sie im reformierten Monopol-Organ «reformiert» ihren schwärmerischsten und ihre Argumente am verbissensten vortragenden Verbündeten gefunden haben. Die Christen haben da hintanzustehen.

Ulrich Schlüer


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