Der Euro, der Schweizerfranken und das Gold


Dr. Ulrich Schlüer, Nationalrat

Vortrag gehalten an einem Anleger-Seminar 12. September 2010 in Fula, Deutschland

Dass sich die Europäische Union mit ihrer Einheitswährung in schwerer, möglicherweise existenzbedrohender Krise befindet, bestreitet kein ernsthafter Beobachter der europäischen Entwicklung. Die oft repetierten Durchhalteparolen der Staatsmänner wären überflüssig, wäre diese Krise nicht Tatsache.

Die Krise und ihre Ursache

Woher rührt die Finanzkrise? Woher rührt die Euro-Krise? Weshalb ist die Schweiz von beiden Krisen weniger getroffen worden als die Europäische Union und ihre sämtlichen Mitglied-Staaten?

Die weltweite Finanzkrise hatte ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten, in der dort sträflich vernachlässigten Aufsicht über den Finanzmarkt und die darin (auch von der Regierung) geduldeten Blasen. Die Subprime-Krise zeitigte nach einiger Verzögerung scheinbar unversehens existenzbedrohende Auswirkungen auf eine erhebliche Zahl weltweit tätiger Banken. Um sogenannt «systemrelevante» Banken vor dem Untergang zu bewahren, mussten die Regierungen eingreifen – auch in Europa, auch in der Schweiz.

Zur Bewältigung der Krise beschritt die Schweiz indessen einen anderen Weg als alle andern Staaten. All diese andern Staaten waren und sind der Verpflichtung enthoben, ihren Bürgern das letzte, verbindliche Wort zu politischen Entscheidungen von grosser Tragweite einzuräumen. Das erklärt, dass – mit Ausnahme der Schweiz – die Regierungen aller betroffenen Länder bemerkenswert schnell die gleiche «Lösung» für ihre Finanzkrise trafen, dabei klar dem vermeintlichen «Weg des geringsten Widerstandes» folgend: Sie übernahmen die Schulden der kollapsbedrohten Banken kurzerhand in ihre Staatskassen. Bankschulden wurden über Nacht zu Staatsschulden.

Staatsschulden sind den Steuerzahlern aufgebürdete Schulden – wobei die Steuerzahler diese Milliardenschulden ungefragt auf sich zu nehmen hatten. Die Schulden wurden ihnen kurzerhand zugeteilt – keine Spur von Demokratie! Die Bürger und Steuerzahler haben die Konsequenzen dieser Schuldenverlagerung von Banken in Staatskassen mit all ihren Folgen einfach zu tragen – Folgen in Form massiver Steuererhöhungen und massiver Gebührenerhöhungen, rigorose Besteuerung nach sich ziehend, die den Steuerzahler zum auszunehmenden Staatsfeind, ständig der Hinterziehung verdächtigt, erniedrigt. Insbesondere Unternehmer – vor allen Kleinunternehmer – sind seit der Krise auch konfrontiert mit teilweise existenzbedrohender Kreditverknappung.

Dort, wo das politische Geschehen allein von – teils gewählten, teils aber auch bloss ernannten – Funktionären abgewickelt und durchgesetzt wird, wurde sowohl eine schlechthin verantwortungslose Überschuldung der Staatskassen als auch die gnadenlose Überwälzung aller daraus resultierenden Lasten auf die Steuerzahler Tatsache. Seither finden diese Länder, die den Weg der leichtfertigen Schuldenübernahme gewählt und damit die Überschuldung ihrer Staatskassen bewirkt haben, nicht mehr aus der Krise heraus.

Einzige Alternative: Die Schweiz

Der Schweiz war dieser «Weg des geringsten Widerstands» verschlossen. Nicht, weil die Schweizer bessere oder klügere Menschen wären. Nein! Das politische System der Schweiz versperrte diesen Weg. Die direkte Demokratie, also die unmittelbare, verbindliche Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger zu allen Entscheidungen von grosser Tragweite haben der Schweizer Landesregierung den Weg der Übernahme der Bankschulden in die Bundeskasse verbarrikadiert. Weil der Bundesrat – die Landesregierung – nur zu genau wusste, dass die Übertragung der Bankschulden an die Steuerzahler beim Volk nie eine Mehrheit finden würde, wurde dieser von allen andern Staaten eingeschlagene, scheinbar bequeme Weg der Bankschulden-«Tilgung» in der Schweiz zu keinem Zeitpunkt auch nur ernsthaft in Erwägung gezogen.

Angriffe auf die Schweiz

Der von der Schweiz gefundene Ausweg via Nationalbank-Engagement (damit wurden in Wahrheit Währungsreserven in Anspruch genommen) ist zwar auch mit erheblichen Risiken behaftet. Aber eine die Existenz des Landes bedrohende Überschuldung ihrer Bundeskasse blieb der Schweiz ebenso erspart wie die daraus resultierende Nahezu-Erdrosselung der Leistungsträger durch neue, schwere Staatslasten. Die Konsequenz dieses Sonderwegs: Als einziges Land in Europa ist die Schweiz nicht zum Hochsteuerland geworden.

Der Handlungsspielraum der Schweiz zur Bewältigung der Krise ist entsprechend grösser. Sie wurde und wird von der Krise nicht verschont. Ihre Ausgangslage zur Krisenbewältigung scheint aber besser zu sein – sie besitzt mehr Substanz.
Von dieser der Schweiz verbliebenen Substanz geht allerdings auch Verlockung aus. Die Angriffe aufs Schweizer Bankkundengeheimnis, aufs Schweizer Prinzip der kantonalen Steuerhoheit und auf den aus der kantonalen Steuerhoheit resultierenden Steuerwettbewerb werden konsequent, mit aller Härte – selbst mit kriminellen Mitteln (Stichwort «Datenklau») – geführt. Diese Angriffe hinterlassen Spuren.

Zentralismus gegen Föderalismus

In Europa stossen gegenwärtig zwei grundlegend unterschiedliche Auffassungen vom Staat frontal aufeinander. In der Bewältigung der gegenwärtigen Krise wird sich zeigen, welches der beiden Konzepte das zukunftstauglichere ist.
Die Europäische Union hat sich zu einem Gebilde entwickelt, in dem Funktionäre zunehmend alles, was vom Menschen ausgeht und was den Menschen betrifft, ausufernder Regulierungswut unterworfen wird. Die EU wird darob von Jahr zu Jahr zentralistischer, immer ausgeprägter von oben nach unten dirigiert. Durch Funktionäre, die sich von demokratischen Wahl- und Entscheidungsprozessen zunehmend abzukoppeln verstanden haben – die indessen von sich behaupten, die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft besser, effizienter, «nachhaltiger» bewältigen und beantworten zu können als der gemeine Bürger. Funktionäre, nicht Völker haben den Euro geschaffen – ein Projekt, mit dem vermessene Funktionäre ohne jede demokratische Legitimation sich einbilden, den Einheitsstaat Europa erzwingen zu können. Sie orientierten sich allein an vermeintlich logisch durchdachten Theorien, haben bisher aber bloss eine intellektuelle Fehlkonstruktion zustande gebracht. Die Funktionäre beschworen dabei die «Harmonisierung» – die davon «Beglückten» erleben diese zunehmend widerwillig als «unerträgliche Gleichschaltung».

Die Demokratie gerät in diesem «grossen Modell der Harmonisierung» in die Defensive. Die Gewaltentrennung, Kernstück der seinerzeit das Abendland durchdringenden, von Europa in die ganze Welt ausstrahlenden Demokratie-Bewegung, wird verwischt. Die Menschen bleiben selbst bei schicksalhaften Entscheidungen aussen vor, werden angesichts der Tragweite der zu treffenden Entscheidungen als «überfordert», als «des nötigen Weitblicks ermangelnd» eingestuft – und übergangen. Und auch der Parlamentarismus verkümmert.

Ein solches, von Funktionären gebeuteltes System weiss gewiss nichts anzufangen mit gelebter Volkssouveränität, wie sie in der Schweiz mit ihrer direkten Demokratie verwirklicht worden ist. Wer die letzte, wichtigste Entscheidung dem Bürger zubilligt, wer die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger zur obersten Instanz im Staat erklärt, der wird für EU-Funktionäre zum Feindbild. Weil die Volkssouveränität nicht Gleichschaltung will, vielmehr die Freiheit garantiert, unterschiedliche, je situationsgerechte Lösungen zu treffen.

Wo Volkssouveränität gilt, stehen Freiheit und Wettbewerb über der Gleichschaltungssucht. Die Mitsprache der Bürger ist das Ziel, nicht die Einheitslösung, deren Durchsetzung mindestens für einen Teil der davon «Beglückten» immer Zwang bedeutet.

Abstimmung mit den Füssen

Wirtschaftskrise, Freiheit oder Gleichschaltung zu deren Bewältigung – wahrhaft eine Herausforderung von dramatischer, vielleicht gar weltgeschichtlicher Tragweite.

Die Bürgerinnen und Bürger nehmen teil, haben Stellung bezogen angesichts dieser Herausforderung: Vor allem die sich zunehmend als ausgeplündert vorkommenden Leistungsträger in den meisten EU-Ländern scheinen in der Schweiz die positive, für Unternehmer attraktivere Alternative zum Einheitsgebilde EU zu sehen. Dass viele dieser Leistungsträger – für uns Schweizer fast zu viele – seit einigen Monaten «mit ihren Füssen abstimmen» und auch ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen – das dürfte die wahre Ursache sein der wachsenden Ungeduld Brüssels der Schweiz gegenüber: Allzu gerne möchte Brüssel den offensichtlich attraktiveren Konkurrenten jenen weit schlechteren Einheitsregulierungen unterwerfen, die in Brüssel erfunden und von Brüssel für ganz Europa durchgesetzt worden sind – wobei sich dieses von zunehmender Regulierung eingeschnürte Europa im weltweiten Leistungswettbewerb mehr und mehr als «Verlierer-Kontinent» wiedererkennen muss.

Volkssouveränität

Die in der Schweizerischen Bundesverfassung festgeschriebene Volkssouveränität liess in der Schweiz die direkte Demokratie entstehen – die verbindliche Mitbestimmung der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in allen politischen Fragen von grosser Tragweite. Lange als Element des «Sonderfalles Schweiz» gesehen, teilweise auch begütigend belächelt, scheint die direkte Demokratie neuerdings auch in andern Ländern an Attraktivität zu gewinnen: Dass eine erzwungene Volksabstimmung die in Bürokratie erstarrende Schulreform in Hamburg – und mit ihr den dortigen Senatspräsidenten – zu Fall brachte, wurde in der Schweiz aufmerksam verfolgt. Auch wenn in der Schweiz eine Volksabstimmung nahezu nie als Plebiszit, als Entscheid über Verbleib in oder Rücktritt einer Regierung oder eines Ministers aus Amt und Würden verstanden wird. Die Schweiz erwartet Behördenrespekt, also korrekten Vollzug eines jeden Volksentscheids, Verzicht auf die Weiterverfolgung eines in der Volksabstimmung gescheiterten Projekts, allenfalls auch bloss eine Korrektur einer als überladen beurteilten Vorlage, nicht aber den den Rücktritt desjenigen, der die Vorlage zur Abstimmung unterbreitet hat.
Rücktritt desjenigen, der die Vorlage zur Abstimmung unterbreitet hat.
Auch der aus der Opposition gegen ein als überrissen empfundenes Bahnhofs-Projekt in Stuttgart gewachsene Ruf nach einer Volksabstimmung findet – auch angesichts der vom in die Enge getriebenen Oberbürgermeister angezeigten «Konzessionsbereitschaft» – in der Schweiz Beachtung. Doch bei allem Respekt dieser Bevorzugung der direkten Demokratie gegenüber: Sie löst verzugslos die Feststellung aus, dass direkte Demokratie nach Schweizer Verständnis vor allem dann zur Anwendung gelangen muss, wenn grundlegende, allenfalls schicksalhafte Fragen zu beantworten sind, denen sich ein Land von Zeit zu Zeit, insbesondere in Zeiten der Krise gegenüber sieht.

Dazu ein persönliches Erlebnis mit der Direktorin des Allensbacher Demoskopie-Instituts, Frau Professor Dr. Renate Köcher, die vor einigen Monaten vor Schweizer Publikum ein fulminantes, Begeisterung bekennendes Plädoyer für die direkte Demokratie vorgetragen hat. Ihr Enthusiasmus war so überschäumend, aber auch derart theoriebehaftet, dass man als Zuhörer zu konkretisierenden Fragen geradezu herausgefordert wurde: Wann, habe ich sie gefragt, wird also Deutschland über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan abstimmen dürfen? Eine Frage, die bei der Referentin helles Entsetzen auslöste: Solches sei, wehrte Frau Dr. Köcher ab, grundsätzlich undenkbar. Solche Frage würde «den Stimmbürger überfordern».

Nun, die Schweizer Erfahrung zeigt längst: Solche Frage überfordert den Stimmbürger keineswegs. Die Regierung läuft, wenn sie diese Frage dem Volk vorzulegen wagt, höchstens Gefahr, vom Volk eine Abfuhr zu erfahren. Die Schweiz hat an der Urne über die Beteiligung unseres Landes an Blauhelm-Operationen befunden. So gebieterisch unsere Regierung damals für ein Ja eintrat, so entschieden wurde solche Beteiligung an Aktionen, die «Frieden» möglicherweise mit Gewalt erzwingen wollen, als der neutralen Schweiz fremd abgelehnt.

Das Ja zur direkten Demokratie muss zwingend auch das Nein des Souveräns respektieren zu Vorlagen, die der Regierung als «unverzichtbar» erscheinen. Und wer das Volk als Souverän, als oberste Gewalt im Land zu respektieren vorgibt, muss die beleidigende Ausrede vom «überforderten Volk» dann, wenn dieses anders entscheidet als die Obrigkeit, schlicht vergessen. Wer Ja sagt zur direkten Demokratie, muss respektieren, dass das Volk gegebenenfalls ein Minarett-Verbot oder die lebenslängliche Verwahrung unheilbarer schwerer Gewalt- und Sexualstraftäter durchsetzt. Oder die Absage an den EU-Beitritt. Oder die Weigerung zur Übernahme der Milliardenschulden von Banken in die Staatskasse.

Warum steht der Steuersatz für die Mehrwertsteuer in der Schweiz heute bei 7,6 Prozent – was ziemlich genau der Hälfte des von der EU festgesetzten Mindest-Steuersatzes entspricht? Der Grund ist einfach herauszufinden: Weil in der Schweiz die Steuersätze in der Verfassung stehen, jede Änderung also der Zustimmung sowohl des Volkes als auch der Stände (der Mehrheit der Kantone) bedarf. Dass die Festlegung der Steuerarten und der Steuersätze der direkten Demokratie unterliegt, das erweist sich als wirksamstes Hindernis gegen überfordernde Besteuerungsgelüste von Obrigkeiten.

Wem gehört die Währung?

Und welchen Einfluss hat die direkte Demokratie auf die Währungspolitik der Schweiz, auf den Schweizer Franken? Dazu zunächst die grundsätzliche Frage: Wem gehört eigentlich eine Landeswährung? Wem steht eigentlich die Verfügungsgewalt über die Landeswährung zu? Was ist überhaupt das Fundament der Landeswährung?

Die Qualität jeder Landeswährung ist das Ergebnis des Fleisses, der Leistungsbereitschaft, der Wettbewerbstauglichkeit, der Innovationskraft einer gesamten Volkswirtschaft, des ganzen Volkes also. Wirtschaftlich starke, wettbewerbsfähige, innovationstüchtige Volkswirtschaften und Völker sichern sich in zäher, anhaltender Leistungsbereitschaft Schritt für Schritt eine starke Währung. Weniger leistungsbereite Völker müssen mit Schwachwährungen zurecht kommen.

Aus dem Blickwinkel der direkten Demokratie heisst das: Keine Regierung darf sich anmassen, eigenmächtig über die Währung des eigenen Landes zu verfügen. Die Währung gehört nie einer Regierung. Die Währung gehört der Bevölkerung. Niemand darf darüber verfügen, ohne vom wahren Eigentümer, vom Volk dazu ausdrücklich autorisiert zu sein. Wenn die Forderung nach direkter Demokratie, nach unmittelbarer und bindender Mitentscheidung des Volkes erhoben und unterstützt wird, so muss die direkte Demokratie zu allererst und vordringlich zur Währungspolitik durchgesetzt werden. Eine Forderung, die angesichts der ganz Europa hart treffenden Verschuldungskrise wohl nicht nur in der Schweiz Zustimmung finden dürfte.

Was zu erwarten ist, wenn die Währung einer selbstherrlich darüber verfügenden Regierung überlassen wird, hat der deutsche Wirtschafts- und Währungspublizist Roland Baader kürzlich trefflich zum Ausdruck gebracht:

«Das Geld gesund zu halten, wäre ganz einfach: Man müsste nur aufhören, neues zu drucken. Aber einer Regierung und ihrer Zentralbank diese Aufgabe zu übertragen heisst, den Wolf zum Hüter der Schafe zu machen.»

Wird die Währung der Regierung ganz überlassen, wird diese der Versuchung nie widerstehen können, ein unlösbar erscheinendes Problem im Geld zu ertränken, zu dessen Beschaffung gegebenenfalls auch die Notenpresse in Funktion gesetzt wird – die daraus entstehende Inflation stillschweigend auf die Bevölkerung, insbesondere auf den produktiven Mittelstand überwälzend.

Wer statt dessen eine stabile, starke Währung anstrebt, muss den Willen der Bevölkerung, den Eigentümerwillen respektieren. In der Verfügung über die eigene Währung direkte Demokratie, also den die Regierung bindenden Volksentscheid durchzusetzen, müsste Programm sein der Leistungsträger in allen mutwillig durch ihre Regierungen der Überschuldung überantworteten Ländern. Beide Krisen, die Krise der Finanzplätze und die Krise der Staatshaushalte sind nicht kollektives, vom Himmel (oder von der Hölle) unbeeinflussbar beschertes Schicksal. Beide Krisen wurden zunächst von verantwortungslosen Finanz-Konglomeraten und ihren Trägern, insbesondere aber auch von jenen Regierungen verschuldet, die ohne Legitimation eigenmächtig über die Währungen ihrer Länder glaubten verfügen zu können.

Der Euro im Teufelskreis

Auch die Krise des Euro ist eine von Funktionären verschuldete Krise, deren Eintreffen wahre Kenner der Gesetzmässigkeiten von Währungsordnungen Jahre voraus bereits vorausgesagt haben. Wären Währungsordnung und Währungspolitik der direkten Demokratie unterstellt gewesen, gäbe es in Europa den Euro mit Bestimmtheit nicht.

Es waren Funktionäre und Ideologen, welche die marktwidrige Idee der Schaffung und Durchsetzung einer Einheitswährung für den ausgeprägt uneinheitlichen Wirtschaftsraum Europa entwickelt und durchgesetzt haben. Das war deshalb ein verantwortungsloses Unternehmen, weil auch innerhalb der EU kein einheitlicher politischer Wille vorausgesetzt werden konnte und kann, der die markant unterschiedlichen Wirtschaftsräume in Europa politisch gestalten und politisch verantworten würde.
Dennoch wurden diese unterschiedlichen Wirtschaftsräume ins Korsett einer starren, unflexiblen Einheitswährung gezwungen. Damit war – wie sich rasch zeigte – Währungsdisziplin im Euro-Raum von allem Anfang an Illusion. Der Einheitswährung fehlte ein tragfähiges Fundament. Zwar traten einzelne Euro-Länder – allen voran Deutschland – anfänglich dezidiert für eine harte und starke Einheitswährung ein. Mechanismen, dies zu erzwingen, schuf allerdings niemand. Andere Länder freuten sich darauf, die Folgen nationaler Liederlichkeit fortan auf die starken Staaten im Euro-Raum überwälzen zu können.

Weil Deutschland als wirtschaftlich stärkstes Euro-Land inzwischen «den ganzen EU-Karren schleppen» muss, ist es mit seiner ausgeprägt exportorientierten Wirtschaft sozusagen auf Gedeih und Verderb auf gute Exportmöglichkeiten – also sowohl auf innovationsorientierte Leistung als auch auf günstigen Wechselkurs gegenüber den USA und Asien angewiesen. Je stärker Deutschlands Wirtschaft dabei wird, desto bedenklicher geraten die weniger leistungsorientierten Südländer in Rück- und damit der Euro in Schieflage. Ein wahrer Teufelskreis!

Zum Verhängnis wird der Einheitswährung, dass diese es den leistungsschwächeren, sorgloseren Euro-Südländern nicht mehr gestattet, früher mögliche «Anpassungs-Korrekturen» mittels Abwertung der nationalen Währung vorzunehmen. Mit dem Euro sahen sich auch die Undisziplinierten alsbald festgezurrt in einem engen, individuellen Spielraum rigoros abschnürenden Korsett.

In Zeiten der Hochkonjunktur konnten die schweren, möglicherweise tödlichen Geburtsfehler des Euro überspielt werden. Jetzt aber ist die Krise über Europa hereingebrochen. Der Euro und die hinter ihm stehende Funktionärskaste müssten ihre Krisentauglichkeit unter Beweis stellen. Der Beweis ist bis heute nicht erbracht worden.

Was will man den Griechen die Überschuldung ihres Staates vorwerfen, wenn die die Griechen fürs Schaufenster kritisierenden Funktionäre Griechenland gleichzeitig den Weg ebnen zu Kredit-Konditionen, wie sie sich die Griechen annähernd gleich günstig zeit ihrer Geschichte selbst nie zu erarbeiten verstanden haben. Da entstand ein Missverhältnis, das spekulationsversessene, die Griechen mit den «Segnungen» billiger Kredite lockende Banker in Heerscharen auf den Plan rief, die nur zu genau wussten, dass ihrem frivolen Kreditgeschäft die Rückendeckung aller EU-Staaten sicher ist – weil kein vom Volk abgekoppelter Funktionär das Prestigeprojekt Euro je fallen lassen würde.

Das Ergebnis solch verantwortungsloser, von allen angetriebener, von niemandem kontrollierter Spekulation mit der Kunstwährung Euro und der ihr seit Geburt anhaftenden Widersprüche ist die Euro-Krise. Sie bedroht längst die gesamte EU. Jene Zauberlehrlinge, die zur Rettung dieser Währung 750 Milliarden Euro scheinbar aus dem Nichts – freilich auch wirkungslos – herbeizuschaffen verstanden, haben die Herrschaft über die Währungen in Europa an sich zu reissen vermocht. Den Schaden werden die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Leistungsträger in den EU-Staaten zu tragen haben.
Ohne Gold-Absicherung keine stabile Währung

Die Währungs-Krise von heute geht aus von jenem verhängnisvollen Entscheid, die Bindung der Währungen an echte Werte, also an Gold zu lösen. Die USA, damals hoffnungslos verstrickt in den unbezahlbar gewordenen Vietnam-Krieg, waren die treibenden Kräfte dieser unbedachten Loslösung des Geldes von echten Werten. Man gab damals vor, die Menschheit damit von Fesseln zu befreien. Entfesselt hat man indessen lediglich die Versuchung der Politiker und Funktionäre zur immer bedrohlicheren Verschuldung nahezu aller Staaten.

Von disziplinierenden Bindungen befreit, werden Politiker und Funktionäre nahezu immer der Versuchung nachgeben, Probleme mit Geld zuzudecken, statt sie mit staatsmännischer Erfahrung und Weitsicht zu lösen. Fast nur aus Schulden gespiesene Geldströme haben staatsmännische Führungsschwäche und Verantwortungslosigkeit zu tarnen. Das gelingt, weil die Verschuldungsfolgen meist erst dann in vollem Umfang sichtbar werden, wenn bereits die nächste Führungsgeneration im Amt ist.

Selbst für die wirtschaftlich führenden Staaten hat die Verschuldung ein solches Ausmass erreicht, dass der Schuldendienst – Zinszahlung und Schuldabtragung – mit ordentlichen Staatseinnahmen, also Steuereinnahmen, nicht mehr zu bewältigen ist. Trotz dem derzeit historisch tiefsten Zinsniveau seit je sehen sich eine ganze Reihe von Staaten in der Schuldenfalle rettungslos gefangen.

Der Weg aus der Krise wird schwierig sein. Er muss wachsen aus der Erkenntnis betroffener Staatsbürger, dass eine gesunde, starke Währung nicht aus dem Nichts – und schon gar nicht aus Milliardenschulden – entstehen kann. Sie bedarf eines aus dem Fleiss von Völkern in Jahrzehnten geschaffenen Fundaments echter Werte – eines Fundaments aus Gold.

Und die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darüber im klaren sein: Solange sie als Bürger, Leistungsträger und Steuerzahler zulassen, dass ihnen Funktionäre die Verfügungsgewalt über die eigene Währung vorenthalten, solange werden stabile Währungsverhältnisse, die Leistung achten statt sie auszubeuten, kaum durchgesetzt werden können.

Ulrich Schlüer


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