Gegenverkehr untersagt

Anmerkungen zum Tagesgeschehen

Wer aus Süddeutschland kommend via Rafzerfeld in die Schweiz will, muss zwingend eine der beiden vom Rafzerfeld nach Süden und Osten wegführenden Rheinbrücken passieren.

Von Ulrich Schlüer, Flaach ZH
(publiziert in der Zürcher Woche)


Die meisten fahren via den – morgens und abends notorisch während Stunden verstopften – Engpass Eglisauer Brücke in Richtung Flughafen und Zürich. Andere, Richtung Winterthur oder auf Nebenstrassen Richtung Flughafen unterwegs, benutzen die Flaacher Brücke.

Diese Flaacher Brücke hat bereits einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Sie wurde erstellt, als Lastwagen und Postautos noch deutlich weniger breit waren als heute. Tagsüber passieren bei insgesamt eher lockerem Verkehr recht viele Lastenzüge diese Brücke – Kiestransporter aus dem Rafzerfeld, aber auch Lastwagenzüge mit Anhänger. Weil die Brücke etwas eng ist, werden Kreuzungsmanöver auf der Brücke vermieden. Wer später bei der Brücke eintrifft, wartet ganz selbstverständlich den Gegenverkehr kurz ab und fährt erst los, wenn die Brücke frei ist. Niemand hat das befohlen. Aber es funktioniert seit Jahrzehnten – unfallfrei!

Eines Tages ist diese Selbstregulierung einem Schreibtisch-Planer aus dem fernen Zürich ins Auge gestochen. Was könnte, fragte sich dieser etwas schreckhafte Funktionär, nicht alles geschehen, wenn unversehens zwei schwere Lastenzüge auf der engen Brücke kreuzen müssten? Es könnten sich, stellte er erschauernd fest, Belastungsprobleme ergeben. Kämen die Laster überhaupt aneinander vorbei? Dass Gegenverkehr von schweren Fahrzeugen – dank offenbar aufmerksamen Fahrern – seit Jahren durch vernünftiges Gewähren des Vortritts zugunsten des sich auf der Brücke Befindenden kaum je stattfindet, konnte sich der Verkehrstafeln-Regent aus Zürich schlicht nicht vorstellen.

So schritt er zu Tat: Mittels Lichtsignalen wurde wechselseitiger Einbahnverkehr durchgesetzt. Dass sich seither abends und morgens der rege Grenzgängerverkehr in langen Kolonnen staut, kümmert den Schreibtisch-Strategen nicht. Offenbar auch nicht, was jetzt tagsüber bei lockererem Verkehr als Folge der Lichtsignal-Regelung regelmässig eintritt: Da warten, gestaut vom Lichtsignal, zuweilen zwei, manchmal auch drei beladene Kieslaster oder Lastenzüge hintereinander vor rotem Licht auf das orange Blinken. Kommt es, dann setzen sich alle drei in Bewegung. Und schon tritt ein, was der seiner Logik verhaftete Planer aus Zürich mit seiner Lichtsignal-Idee unbedingt vermeiden wollte: Hintereinander befinden sich drei schwere, beladene Lastenzüge auf der schmalen Brücke. Ewas, was sozusagen nie eingetreten ist, solange vernünftige Chauffeure den Gegenverkehr selbstverantwortlich – das Kreuzen auf der Brücke konsequent vermeidend – organisierten.

Die Brücke hält’s bis heute aus. Und der Schreibtisch-Planer in seinem Büro in Zürich, dem mögliche Überlastung der Brücke durch Kreuzungsmanöver von Lastern vor kurzem noch den Angstschweiss auf die Stirne getrieben hat, wird sich in seinem Büro bis heute in der Gewissheit wiegen, einen äusserst logischen Beitrag zur Verkehrssicherheit angeordnet zu haben – obwohl echte Belastungsprobleme für diese Brücke erst eintreten, seit «sein» Lichtsignal mehrere schwere Laster gleichzeitig auf die aus seiner Sicht gefährdete Brücke lotst.

Es lebe der Schreibtisch-Funktionär! Es lebe die Bürokratie!




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