Antwort des Bundesrates

Schluss mit Verbrechensplanung von Gefängnissinsassen

Ein kategorisches "Abhörverbot" für Telefongespräche inhaftierter Personen, dessen Aufhebung die Motion verlangt, ist weder im Bundesrecht noch im kantonalen Recht vorgesehen.

Das Recht zu Telefonieren fällt jedoch in den Schutzbereich verschiedener, durch die Bundesverfassung (BV) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierter Freiheitsrechte, die grundsätzlich auch Inhaftierten zustehen: Erwähnt sei etwa der Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK) oder das Recht auf freie Meinungsäusserung (Art. 16 BV; Art. 10 EMRK). Diese Grundrechte gelten indes nicht absolut. Sie dürfen im Sinne von Artikel 36 BV durch geeignete gesetzliche Grundlagen eingeschränkt werden.

Im schweizerischen Recht bestehen für die verschiedenen Formen des Freiheitsentzuges (Untersuchungshaft, Sicherheitshaft, Auslieferungshaft, Straf- und Massnahmenvollzug, Ausschaffungshaft) unterschiedliche Regeln betreffend die Beschränkung telefonischer Kontakte der inhaftierten Personen mit der Aussenwelt. Diese Regeln sind meist als Kann-Vorschriften formuliert und ermöglichen so eine flexible, an die Erfordernisse des Einzelfalles angepasste Handhabung des Telefonverkehrs. Eine umfassende Darstellung der Rechtslage würde den vorliegenden Rahmen sprengen, zumal die einschlägigen Vorschriften überwiegend im kantonalen Strafprozess- und Strafvollzugsrecht enthalten sind. Für bestimmte Bereiche bestehen zudem bundesrechtliche Sonderregeln, etwa für die Kontrolle des anwaltschaftlichen Verkehrs oder für geheime Telefonabhörungen zur Aufdeckung von schwerwiegenden Delikten im Rahmen eines Strafverfahrens nach den Regeln des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (SR 780.1).

Gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Freiheitseinschränkungen gegenüber Inhaftierten zulässig, wenn der konkrete Haftzweck, die Erfordernisse eines geordneten Anstaltsbetriebes oder die Wahrung der Sicherheit dies erfordern. Ein generelles Abhörverbot lässt sich demnach - entgegen den Ausführungen des Motionärs - auch aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht ableiten. Selbst für den Bereich der Ausschaffungshaft - welcher sich durch ein freiheitliches Haftregime auszeichnet - hat das Bundesgericht klar festgehalten, dass bei besonderen, konkret erhärteten Sicherheitsbedenken im Einzelfall Einschränkungen der Kontakte zur Aussenwelt durchaus gerechtfertigt sind (BGE 123 I 228f., 122 I 227, 122 II 303f., 311).

Da in der Praxis oft keine besonderen Gefährdungssituationen vorliegen, verfügen viele Inhaftierte faktisch über einen freien Zugang zu Telefonkabinen, um ihre Beziehungen zur Aussenwelt pflegen zu können. Dies heisst aber nicht, dass die zuständigen Behörden diesen Zugang bei gesteigerter (und nicht bloss theoretischer) Missbrauchsgefahr nicht einschränken bzw. kontrollieren oder gar unterbinden könnten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die verantwortlichen Behörden aller Stufen auf der Grundlage des heutigen Rechtes befugt sind, bei konkreten Hinweisen auf einen möglichen Telefonmissbrauch durch Inhaftierte einzuschreiten. Eine lückenlose präventive Kontrolle der Telefongespräche aller Inhaftierten - unbesehen ihrer konkreten Haftsituation - wäre in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Schranken und unter Berücksichtigung der damit verbundenen hohen Kosten nicht verhältnismässig.

Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

Der Motionär erklärte sich von der bundesrätlichen Antwort nicht befriedigt.
Die Diskussion der Motion im Nationalrat wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

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Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch