Sondersession als Wahlkampfmanöver

Mündliche Begründung im Rat zur Parlamentarischen Initiative "Sondersession als Wahlkampfmanöver" vom 19. Januar 1998

Begründung

Gemäss heutigem Recht genügt ein Viertel des Rates, also 50 Mitglieder, um eine Sondersession durchzusetzen. Ich schlage Ihnen vor, dieses Quorum zu verdoppeln, so dass neu die Hälfte des Rates entscheiden müsste, ob eine Sondersession durchgeführt wird oder nicht.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die jetzt gültige Regelung - mit den erforderlichen 50 Mitgliedern - getroffen wurde, als die eidgenössischen Räte einmal pro Jahr zu einer ordentlichen Session zusammengerufen wurden, dies ist der Hintergrund der heutigen Regelung.

Es ist unbestritten, dass das Parlament die Möglichkeit haben soll, eine Sondersession zu verlangen. Aber ich bin der Auffassung, man sollte das Quorum zeitgemäss festlegen. Ein zeitgemässes Quorum wären 100 erforderliche Unterschriften von Ratsmitgliedern.

Eigentlich geht es darum, ob und in welchem Ausmass dieses Parlament sich selber ernst nimmt, ob es auch in bezug auf die äussere Form, in der Parlamentssitzungen abgehalten werden, die Würde dieses Hauses respektiert haben will oder nicht. Es geht darum, ob einer einzigen Partei aufgrund einer momentanen Aktualität oder auch einer vermeintlichen Aktualität - weiterhin ermöglicht werden soll, das Parlament kurzfristig aufzubieten, als Staffage für Vorstösse, die man offensichtlich nicht einmal selber ernst nimmt.

Wir haben die Übung einer von der Linken dieses Parlamentes verlangten Sondersession im Verlauf des letzten Jahres bekanntlich einmal durchgespielt. Von denjenigen, welche die damalige Sondersession angesichts der angeblichen Wichtigkeit eines Anliegens verlangt hatten, waren während dieser gesamten Sondersession im besten Fall 19 Mitglieder anwesend. Ich war während der ganzen Debatte hier im Saal und habe immer gezählt. Inklusive des damaligen Ratspräsidenten waren maximal 19 anwesend.

Ich möchte Sie einfach fragen: Sind Sie der Auffassung, solches entspreche dem Rahmen, in dem ein Parlament dem Ernst von politischen Fragen entsprechend - handeln soll, beraten soll, entscheiden soll? Mir kommt diese Aufbietungsübung, die wir letztes Jahr durchspielten, vor, als hätte sie sich in jene Tradition einzureihen, da gelegentlich auch einmal Wunderkerzli im Saal geschwenkt oder Kinderlieder gesungen werden. Man gerät in Versuchung, den Vergleich zu einem Kindergarten zu suchen, wüsste man nicht, dass in einem Kindergarten eben ernsthafte Erziehungsarbeit geleistet wird.

Ich möchte Sie bitten, sich zu überlegen, ob wir das Instrument Sondersession - vorgesehen für ausserordentliche Lagen - in dieser Manier abgewertet haben wollen.

Es gibt Parlamentsmitglieder, die in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen pflegen, auch das Vereinsrecht gebe einer kleinen Minderheit die Möglichkeit, jeweilen eine Generalversammlung des entsprechenden Vereins zu verlangen.Ich habe diesen Einwand durchaus gehört. Ich bekunde allerdings eine gewisse Mühe damit, das Parlament der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf die gleiche Ebene zu stellen wie irgendeinen Verein, der einmal jährlich eine ordentliche Generalversammlung durchführt.

Ich möchte Sie bitten, dafür zu sorgen, dass dieses Parlament nicht weiter für schaumschlägerische Aufbauschung vermeintlicher Aktualitäten missbraucht werden kann. In diesem Sinne ersuche ich Sie, der Mehrheit der Kommission nicht zu folgen und meiner parlamentarischen Initiative Folge zu geben.

8. März 1999

Abstimmung

Für den Antrag der Kommission (keine Folge geben) 73 Stimmen
Für den Antrag Schlüer (Folge geben) 28 Stimmen

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Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch