Antwort des Bundesrates

Kolonialherrschaft in Kosovo - Die Schweiz ist dabei

Am 15. Mai 2002 formulierte der Bundesrat folgende Antwort:

Das Streben nach Unabhängigkeit eines Teils der politischen Kräfte und der Bevölkerung von Monte- negro hat in der Bundesrepublik Jugoslawien zu einer gespannten Lage geführt, was Befürchtungen wegen schwerer kommender Unruhen aufkommen liess. Die Europäische Union (EU) hat in der Person ihres Generalsekretärs J. Solana eine aktive Rolle bei der Schlichtung zwischen Serbien und Monte- negro und der Gründung einer staatlichen Neuordnung, die an die Stelle der Bundesrepublik Jugo- slawien treten soll, gespielt. Dabei hat die EU nur den sowohl in Belgrad als auch in Podgorica ausgedrückten Erwartungen entsprochen, wo dieses Engagement als Interessensbekundung Europas gegenüber dieser Region und ihrer Zukunft angesehen wurde.

Die Vereinbarung vom 14. März bildet den Ausgangspunkt eines Prozesses, dessen Stossrichtung noch der Konkretisierung bedarf. Diese Vereinbarung hat inzwischen die Zustimmung der serbischen und der montenegrinischen Parlamente erhalten. Neue Bundes-, serbische und montenegrinische Verfassungen müssen ausgearbeitet und von den entsprechenden Parlamenten angenommen werden. Daraus ergibt sich, dass durch die Gewählten eine demokratische Kontrolle über die Entwicklung dieses Prozesses ausgeübt wird.

Was nun den Kosovo betrifft, so verfügt die internationale Gemeinschaft dort heute noch ­ und zwar in der Person des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen ­ über ausgedehnte Befugnisse. Doch in Übereinstimmung mit der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Orga- nisation der Vereinten Nationen tritt die Mission der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) ihre Verantwortung allmählich an die «provisorischen Institutionen für eine autonome Selbstverwaltung» ab, welche von nun an im Kosovo eine zunehmende Autonomie fördern sollen, bis eine politische Lösung für den Status dieses Gebiets gefunden wird.

Es ist nicht richtig, die internationale Gemeinschaft für ihre Bemühungen, der Bevölkerung bei der Überwindung ihrer tief in der Geschichte verwurzelten Spannungen zu helfen, des Kolonialismus zu bezichtigen. Die Schweiz erklärt sich mit diesen Bemühungen solidarisch, welche auf Werten und Überzeugungen beruhen, die sie teilt (Demokratie, Achtung und Förderung der Menschenrechte, fried- liche Koexistenz zwischen den verschiedenen Gemeinschaften), und die Interessen fördern, die auch diejenigen der Schweiz sind (insbesondere Stabilisierung der Region, Normalisierung und Verbesserung der Lebensbedingungen und Förderung der regionalen Zusammenarbeit).

In diesem Zusammenhang möchte der Bundesrat folgende Antworten auf die vom Interpellanten gestell- ten Fragen geben:

1. Die Europäische Union, die im Westbalkan über einen gewichtigen Einfluss verfügt, spielte und spielt weiterhin die Rolle eines Schlichters zwischen Serbien und Montenegro. Die für die Einsetzung einer staatlichen Neuordnung vorgesehenen Etappen, welche eine Kontrolle durch die drei betroffenen Parlamente mit sich bringen, lassen keinen Zweifel am demokratischen Charakter des vorgesehenen Prozesses aufkommen. Was den Kosovo betrifft, so bleibt sein Status derjenige, der von der Resolution 1244 (1999) festgelegt wurde und der trotz der politischen Vereinbarung vom 14. März zwischen Belgrad und Podgorica weiterhin seine Gültigkeit hat.

2. Auf allen Ebenen (Wiederaufbau, Sicherheit, demokratische Entwicklung, Wirtschaft), hat sich die Lage im Kosovo seit der Errichtung der UNMIK erheblich verbessert ­ auch wenn der Rhythmus je nach den Gebieten verschieden ist. Nach allgemeiner Ansicht wird eine internationale, und zwar auch militärische Präsenz, noch mehrere Jahre lang notwendig sein. Die Schweiz beabsichtigt wie bisher sowohl aus internationaler Solidarität als auch aus Interesse, ihren Beitrag zu den internationalen Bemühungen im Kosovo zu leisten.

3. Der Bundesrat hat zudem die Gründe dargelegt, welche ihn veranlasst haben, die Bewaffnung des schweizerischen Kontingents im Kosovo zu empfehlen, ebenso wie seine diesbezüglichen Absichten (Botschaft vom 12. September 2001 zum Bundesbeschluss über die Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR). Seine diesbezüglichen Ausführungen sind auch heute noch gültig.

4. Der Bundesrat wird regelmässig über die Lage in der Region und über die Tätigkeit der betroffenen politischen Gruppierungen und Parteien unterrichtet. In den letzten Jahren hat die Lage im Kosovo keine gewaltsamen Auswirkungen auf unser Land gehabt. Der Bundesrat ist entschlossen, solche Auswir- kungen sowohl durch die von ihm in dieser Region geführte Politik als auch durch Aufsichtsmass- nahmen im Inland zu verhindern.

Der Interpellant erklärte sich von der Antwort nicht befriedigt und beantragt Diskussion. Diese wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

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Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch