Kolonialherrschaft in Kosovo - die Schweiz ist dab

Interpellation vom 20. März 2002

Im ehemaligen Jugoslawien ist auf Bestreben der EU eine neue staatliche Ordnung entstanden. Der Entscheid hat schwerwiegende Konsequenzen, weil dem Kosovo der Verbleib in einer staatlichen Verbindung mit Serbien ohne Selbstbestimmungsrecht zugemutet wird. Um Stabilität zu erreichen, müssen im Kosovo noch auf Jahrzehnte hinaus militärische Kräfte stationiert bleiben. Nationalrat Ulrich Schlüer will vom Bundesrat wissen, wie er diese Lage bewertet und wie er die Sicherheitsaspekte sowohl inbezug auf die im Kosovo stationierten Swisscoy-Truppen als auch im Blick auf denkbare Protestaktionen der in der Schweiz lebenden Bevölkerung aus dem Kosovo beurteilt.

Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:

Im ehemaligen Jugoslawien ist eine neue staatliche Ordnung entstanden. Die Bundesrepublik Jugo- slawien existiert nicht mehr. An ihrer Stelle ist als neuer Staat Serbien/Montenegro entstanden.

Die neue Ordnung entstand eindeutig auf Betreiben der Europäischen Union. Den betroffenen Völkern wurde zu dieser Neuordnung keinerlei Selbstbestimmungsrecht eingeräumt. Die EU setzte auf diese Weise ihren Willen durch, keine weiteren Grenzverschiebungen auf dem Balkan mehr zu tolerieren.

Dieser Entscheid hat schwerwiegende Konsequenzen für den Kosovo, dem damit ­ ohne Gewährung irgend einer Form von Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen ­ ein weiterer Verbleib in einer staat- lichen Verbindung mit Serbien zugemutet wird.

Dieses von der EU durchgesetze Diktat werden die Kosovaren nicht hinnehmen ­ widerspricht es doch diametral allen Zielsetzungen, welche die Kosovaren in der Zeit ihrer Entrechtung durch die serbische Regierung und im Kosovo-Krieg formuliert und verfolgt haben.

Will die EU das von ihr favorisierte, auf dem Balkan allerdings von niemandem wirklich gewollte Modell eines multi-ethnischen Serbien/ Montenegro/Kosovo wirklich durchsetzen, dürften in Kosovo noch auf Jahrzehnte hinaus starke militärische Kräfte stationiert bleiben müssen. Es zeichnet sich da ein neues Zeitalter von Kolonialismus ab, welches den Ländern, die in Kosovo militärisch engagiert sind, um so höhere Opfer abverlangt, als die für den Aufbau des Balkans dringend nötigen ausländischen Investi- tionen ausbleiben werden, solange eine stabile, von den Völkern des Balkans mitgetragene Ordnung nicht entstehen kann.

In diesem Zusammenhang frage ich den Bundesrat an:

1.
Wie bewertet er das Vorgehen der EU, auf dem Balkan eine neue staatliche Ordnung durchzusetzen, ohne den betroffenen Bevölkerungen dazu ein Mitspracherecht einzuräumen?

2. Erachtet er den Einsatz der Swisscoy, im Schlepptau von Nato und EU auf dem Balkan eine eigent- liche Kolonialherrschaft mitzutragen, noch als sinnvoll?

3. Hält der Bundesrat die in Kosovo stationierten Swisscoy für genügend bewaffnet angesichts von mit Sicherheit zu erwartenden Widerstandsaktionen der einheimischen Bevölkerung gegen das sich ihrem Unabhängigkeitsdrang entgegensetzende Kolonialregime von EU und Nato?

4. Legt sich der Bundesrat Rechenschaft darüber ab, dass die in unserem Land bekanntlich gut organisierte Kosovo-Bevölkerung ihren Widerstand gegen die Kolonialherrschaft in ihrer Heimat auch hier in der Schweiz durch gezielte Aktionen zum Ausdruck bringen könnte? Wie wappnet sich der Bundesrat für solche Eventualitäten?

Ulrich Schlüer

>> Antwort des Bundesrates vom 15. Mai 2002
>> Diskussion im Nationalrat vom 9. März 2004

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch