Diskussion im Nationalrat

Kolonialherrschaft in Kosovo

Die Interpellation wurde am 9. März 2004 im Nationalrat behandelt. Nationalrat Ulrich Schlüer begründete seinen Standpunkt wie folgt:

Wo stehen wir in Kosovo? Wir stehen auf der Stufe, dass eine internationale Funktionärsgemeinschaft sagt, zuerst müssten Standards eingeführt werden, bevor der Status von Kosovo bestimmt werde. Was bewirkt dies? Solange nicht entschieden wird, was aus Kosovo geschehen soll, ob es zu einem unabhängigen Land werden oder wieder zu Serbien kommen soll, investiert niemand, wirklich niemand auch nur einen Franken oder einen Dollar in Kosovo. Nichts geschieht in Sachen wirtschaftlicher Aufbau, weil verständlicherweise niemand etwas investiert, wenn er nicht weiss, was mit diesem Land, in dem er investieren soll, schliesslich geschehen wird.

Was hat das nun zur Folge? Die Bewohner von Kosovo müssen ja irgendwie zu einem Einkommen kommen, und das geht dort über die Clans, die Familien. Diese holen ihr Einkommen durch Einzelne aus den Clans aus Westeuropa, von nirgendwo anders. Und wir haben nur Glück, wenn die Einkommenserzielung auf legaler Basis erfolgt, durch Arbeit und dafür erhaltenen Lohn, den sie nach Hause schicken, damit die Sippe davon leben kann. Aber wir müssen mit Beklemmung zusehen, wie mehr und mehr Geld auf dem illegalen Weg beschafft wird, im Drogenhandel, im Frauenhandel: Das sind die "Geschäftsfelder", wo Tätigkeiten entfaltet und die grossen Gewinne erzielt werden.

Solange diese unsinnige Politik anhält, dass diejenigen, die die Besetzung vorgenommen haben, nicht entscheiden wollen, was in Zukunft mit Kosovo geschehen soll, bewirken wir folgerichtig solche Einkommensströme, insbesondere auch illegale Einkommensströme. Daneben gibt es dann Funktionäre, auch schweizerische Funktionäre in recht bequemen und recht gut bezahlten Positionen, die sich mit dieser äusserst unbefriedigenden Situation arrangieren - im Rahmen einer völlig ziellosen, gefährlichen, meines Erachtens auch demokratieverachtenden Politik.

Wer die Verantwortung dafür übernommen hat, den Kosovo zu besetzen, muss irgendwann einmal entscheiden, was mit diesem Land geschehen soll. Wer diese Entscheidung nicht trifft und wer sich mit dieser Nichtentscheidung arrangiert, ist ganz unmittelbar an der Ausbreitung von Verbrechen und illegalen Aktivitäten in Westeuropa mitschuldig, die zwingend aus dem Stillstand in Kosovo resultieren. Die Kosovari müssen schliesslich ernährt werden, dafür breiten sie sich über ganz Westeuropa aus. Das ist kein Naturereignis, das ist eine Folge falscher Politik.

Und diejenigen Funktionäre - das habe ich in dieser Interpellation etwas provokativ gesagt -, die sich in diesem System einrichten, machen an sich nichts anderes, als dass sie eine neue Form von Kolonialherrschaft befördern, in welcher es sich internationale Funktionäre gut gehen lassen, in dem sie die drängenden Probleme eben gerade nicht lösen. Indem sie die Probleme nicht lösen, sorgen sie dafür, dass ihr eigener Aufenthalt an ihren nicht unattraktiven Positionen immer weiter verlängert wird.

Das ist eine Politik, welche die Schweiz nicht mittragen sollte. Und der Preis, den auch unsere Bevölkerung für diese falsche Politik bezahlen muss, wird von Monat zu Monat höher; dieser Preis ist jetzt schon zu hoch, und er wird von Monat zu Monat unerträglicher und unbezahlbarer.

Wenn die so genannte internationale Staatengemeinschaft, die in diesem Zusammenhang regelmässig beschworen wird, sich nicht entscheiden kann, was sie mit Kosovo tun will, nachdem sie Kosovo einmal besetzt hat, dann sollte die Schweiz sich von dort zurückziehen. Die sollen die Verantwortung für das, was sie in Kosovo übernommen haben, weiterhin tragen. Aber sie sollen uns nicht in eine ziellose Besetzungs-, Verwaltungs- und Funktionärspolitik einbinden, wie sie die Lage in Kosovo heute prägt.

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Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch