Informationspflicht des Bundesrats zum Parlament

Interpellation Schlüer vom 14. Dezember zum vom Bundesrat nach wie vor nicht veröffentlichten Gutachten Oberson zum Bankkundengeheimnis

Anlässlich der Beratung des Schengen-Vertrags und des politisch damit verbundenen Zinsbesteuerungs-Abkommens hat der Bundesrat das sog. "Gutachten Oberson" anfertigen lassen, das die Auswirkungen der genannten Abkommen auf das Bankkundengeheimnis abklären und aufzeigen sollte.

Den Mitgliedern des Parlaments wird die Einsicht in dieses wichtige Gutachten Oberson bis heute verwehrt.

Gestützt auf die Art. 153 und 169 der Bundesverfassung sowie auf Art. 7 und Art. 150 des Parlamentsgesetzes frage ich den Bundesrat an:

Wie rechtfertigt die Landesregierung die Rechtswidrigkeit dieser Informationsverweigerung dem Parlament gegenüber?

Begründung

Art. 153 der Bundesverfassung regelt die Auskunftsrechte, Einsichtsrechte und Untersuchungsbefugnisse der Parlamentarischen Kommissionen. Art. 169 der Bundesverfassung schränkt die Geheimhaltungsberechtigung des Bundesrates dem Parlament gegenüber ein.

Art. 7 des Parlamentsgesetzes hält das Recht der Ratsmitglieder fest, vom Bundesrat und von der Bundesverwaltung "über jede Angelegenheit des Bundes Auskunft zu erhalten und Unterlagen einzusehen", die für die Ausübung des parlamentarischen Mandates erforderlich sind.

Dem Gutachten Oberson über die Auswirkungen des Schengen-Vertrags auf das Bankkundengeheimnis kam seinerzeit ausschlaggebende Bedeutung zu für die Meinungsbildung im Bundesrat. Gemäss Berichterstattung in den Medien vermochte dieses Gutachten einen eigentlichen Sinneswandel zumindest bei einigen Mitgliedern der Landesregierung auszulösen. Dem Parlament wird der Inhalt dieses markant meinungsbildenden Gutachtens indessen bis heute vorenthalten. Dies, obwohl dieses Gutachten angesichts seines bedeutenden Einflusses auf die Entscheidfindung im Bundesrat für jeden seriösen Parlamentarier als für die Ausübung seines Mandats unverzichtbar eingestuft werden muss.

Mit seiner nie begründeten Informationsverweigerung dem Parlament gegenüber hat der Bundesrat Art. 153, evt. auch Art. 169 der Bundesverfassung sowie Art. 7 des Parlamentsgesetzes eindeutig verletzt.

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Antwort des Bundesrates vom 1. März 2006

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch