Stellungsnahme des Bundesrates

Senkung der Altersgrenzen im Jugendstrafrecht

Die in Artikel 3 des am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Jugendstrafgesetzes (JStG) für dessen Anwendung festgelegte obere Altersgrenze von achtzehn Jahren blieb seit der Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuches im Jahre 1942 unverändert und deckt sich heute richtigerweise mit der Anfang 1996 von zwanzig auf achtzehn Jahre gesenkten Grenze zur Mündigkeit. Sie war sowohl im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens als auch der parlamentarischen Beratungen zum JStG unbestritten und stösst bis heute auf breite Akzeptanz. Der Bundesrat begründete seine Skepsis gegenüber einer Anwendung von Sanktionen des Erwachsenenstrafrechts auf minderjährige Täter bereits ausführlich in seiner Antwort auf die vom Nationalrat abgelehnte Motion der SVP-Fraktion 07.3692 «Anpassung des Jugendstrafrechtes an heutige Herausforderungen», mit welcher der erste Teil der vorliegenden Motion inhaltlich identisch ist. Er hielt fest, dass insbesondere die Freiheitsstrafen im Allgemeinen nicht geeignet sind, um Rückfälle jugendlicher Rechtsbrecher zu verhindern, sondern diesbezüglich im Gegenteil als kontraproduktiv gelten. Demgegenüber können Minderjährige durch erzieherische und therapeutische Massnahmen oft weit wirksamer resozialisiert werden. Dem trägt das Sanktionensystem des JStG Rechnung und orientiert sich eben weniger an der Schwere von Tat und Verschulden, sondern vielmehr an den durch die Tat offenbarten erzieherischen und therapeutischen Bedürfnissen des minderjährigen Straftäters. Dies ist auch in Bezug auf die zweite vom Motionär verlangte Änderung des JStG, einen Freiheitsentzug bis zu vier Jahren für Täter ab dem vollendeten 14. Altersjahr zu ermöglichen, von Bedeutung. Denn nach dem JStG ist ein Freiheitsentzug von mehreren Jahren für Täter ab dem vollendeten 10. Altersjahr in Form einer erzieherischen oder therapeutischen Massnahme möglich. Bei Tätern ab dem vollendeten 15. Altersjahr kommt bei schuldhaftem Verhalten eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Tätern zwischen sechzehn und achtzehn Jahren, die ein besonders schweres Delikte begangen haben, eine Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren hinzu. Dies ist eine wesentliche Verschärfung gegenüber dem alten Jugendstrafrecht, das für alle Täter zwischen dem 15. und 18. Altersjahr nur Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr vorsah, die überdies nicht zusätzlich, sondern nur alternativ zu den stationären Massnahmen ausgesprochen werden konnten.

Der Motionär verweist zur Begründung seines Vorstosses auf kürzlich begangene schwere Straftaten, ohne näher auszuführen, welche Taten er genau meint und weshalb sich daraus ein unmittelbarer gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergeben soll. Das von einem Wiederholungstäter Anfang März 2009 an einer sechzehnjährigen Jugendlichen begangene Tötungsdelikt hat jedenfalls keinen Bezug zum Jugendstrafrecht, weil der Täter 2003, als er seine erste schwere Tat beging, bereits neunzehn Jahre alt war und auf ihn daher das Erwachsenstrafrecht zur Anwendung kam. Das schliesst selbstverständlich nicht aus zu prüfen, ob aus diesem Fall auch Konsequenzen für das Jugendstrafrecht zu ziehen sind. Die verschiedenen Fälle von Jugendgewalt, welche die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren bewegten, veranlassten den Bundesrat, die Ursachen der Jugendgewalt und die Möglichkeiten der Prävention vertieft abklären zu lassen. Den daraus resultierenden Bericht «Jugend und Gewalt - Wirksame Prävention in den Bereichen Familie, Schule, Sozialraum und Medien» wird das Eidgenössische Departement des Innern in Erfüllung der Postulate Leuthard (03.3298), Amherd (06.3646) und Galladé (07.3665) dem Bundesrat zusammen mit Anträgen zum weiteren Vorgehen noch vor der Sommerpause 2009 unterbreiten. Die Erkenntnisse aus diesem Bericht werden auch in die Evaluation des JStG einbezogen, welche der Bundesrat in Umsetzung des Postulates Amherd 08.3377 «Evaluation Jugendstrafrecht» in Auftrag gegeben hat. Im Rahmen der Evaluation wird vor allem auch geprüft, ob die spezial- und generalpräventive Wirkung der im JStG vorgesehenen Sanktionen zu genügen vermag. Dementsprechend wird gewissen Bestimmungen des JStG besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das gilt etwa für Artikel 19 Absatz 2 JStG über die maximale Altersobergrenze von 22 Jahren für den Vollzug erzieherischer oder therapeutischer Massnahmen (vgl. Antwort des Bundesrates zur Motion Galladé 08.3797 «Erhöhung des Massnahmealters bei jugendlichen Straftätern»), aber auch für Artikel 25 JStG betreffend den Anwendungsbereich des Freiheitsentzuges als Jugendstrafe. Zeigen sich Mängel, wird der Bundesrat geeignete Massnahmen treffen.

Aus diesen Gründen besteht für den Bundesrat kein Anlass, dem Evaluationsverfahren jetzt vorzugreifen und eine Gesetzesrevision im Sinne der vorliegenden Motion an die Hand zu nehmen.

Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

Der Motionär akzeptiert den Antrag des Bundesrates nicht und verlangt Diskussion. Diese findet im Rahmen der Sondersession vom 3. Juni 2009 statt.

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Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch